Schwarz-Weiß-Denken
Den alltäglichen Rassismus, dem sie ausgesetzt sind, hat vor kurzem eine Gruppe Studenten in einer Fotokampagne unter dem Titel "I, Too, Am Harvard" ("Auch ich bin Harvard") dokumentiert.
Die Erniedrigungen und Vorurteile geben einen Einblick in eine Gesellschaft, die zwar stolz jedes Jahr am Martin-Luther-King-Tag des schwarzen Bürgerrechtlers gedenkt - die an vielen anderen Tagen im Jahr aber noch dem Schwarzweiß-Denken verhaftet ist.
Da kann der Besitzer eines Basketballclubs jahrelang seine schwarzen Spieler drangsalieren, ohne dass die Liga NBA eingreift. Da kann ein texanischer Farmer darüber schwadronieren, dass es die Schwarzen in der Sklaverei doch besser gehabt hätten - schließlich hätten sie da eine Aufgabe gehabt und dem Staat nicht auf der Tasche gelegen. Da darf die New Yorker Polizei Passanten einfach anhalten und nach ihrem Ausweis fragen - und die Statistik belegt, dass sie das fast ausschließlich bei Farbigen tut.
"Ich kann nicht mehr atmen"
Das sind noch die harmloseren Vorfälle. Immer wieder enden Zusammenstöße zwischen Polizei oder selbst erklärten Nachbarschaftswachen und Schwarzen oder Hispanics tödlich. Der Fall von Michael Brown in Ferguson/Missouri , der nun über die Grenzen der USA Unruhen ausgelöst hat, ist nur einer von vielen , doch er belegt erneut den tief sitzenden Rassismus in Teilen der US-Bevölkerung.
Nur wenige Wochen, bevor Brown am hellichten Tag von sechs Kugeln aus einem Polizeirevolver niedergestreckt wird, stirbt auf Staten Island in New York City der 43-jährige Eric Garner. Er soll Zigaretten unter der Hand verkauft haben. Ein Polizist nimmt ihn von hinten in den (verbotenen) Würgegriff, ringt ihn zu Boden, presst sein Gesicht auf den Asphalt. "I can't breathe", sagt der Mann noch ein paar Mal, "ich kann nicht mehr atmen". Dann ist er tot.
Töten aus Versehen?
An einem regnerischen Februar-Abend im Jahr 2012 erschießt ein Nachbarschaftswachmann den 17-jährigen Trayvon Martin in Sanford, Florida. Am Neujahrstag 2009 wird Oscar Grant (22) in Oakland, Kalifornien, nach einer Rauferei in einer U-Bahn-Station mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden liegend tödlich getroffen. Der Polizist gibt später vor Gericht an, es sei ein Versehen gewesen. Laut einer Statistik des Inlandsgeheimdienstes FBI wurden 2012 mehr als 400 Menschen von Polizisten getötet; ein Drittel von ihnen sind Schwarze. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung liegt bei nur 13 Prozent.
„Würdest du dir nicht wünschen, weiß zu sein so wie wir anderen?“
Dass das alles kein Versehen sein kann, wissen die Menschen. Schwarze gehören in den USA zumeist zu den Verlierern in der Gesellschaft. Die durchschnittliche weiße Familie verfügt über 630.000 Dollar Vermögen, sechsmal so viel wie eine schwarze Familie. Das liegt in erster Linie daran, dass Weiße besser ausgebildet sind: Nur die Hälfte der afro-amerikanischen Jugendlichen schafft den Highschool-Abschluss. Mehr als jeder zehnte Schwarze ist arbeitslos - während der landesweite Durchschnitt bei sechs Prozent liegt.
Baptisten-Prediger kündigt Demonstration an
Und so verfügen Weiße auch über mehr Einfluss in Politik und Unternehmen. Oder bei der Polizei. In Ferguson, wo 67 Prozent der Bewohner Afro-Amerikaner sind, wachen 50 weiße und 3 schwarze Polizisten über Recht und Ordnung. Wut und Frust über solche ungleichen Lebensverhältnisse sind groß, und immer wieder schlagen sie in Proteste um. So wie jetzt in Missouri. Oder auf Staten Island, wo der bekannte Baptisten-Prediger Al Sharpton für dieses Wochenende eine große Demonstration angekündigt hat. Bald danach werden die Debatten über Chancengleichheit und Rassismus wohl wieder verstummen - bis der nächste Schwarze stirbt.
Von Stefanie Ball (KNA)