Christoph Strack über die Liturgie-Debatte

Würdig, konservativ - und fortschrittlich

Veröffentlicht am 29.08.2017 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Standpunkt

Bonn ‐ Christoph Strack über die Liturgie-Debatte

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Es ist eine der kleinen menschelnden Geschichten in der großen Katastrophe. David Bergeron, katholischer Priester in Houston/Texas, zog am Wochenende vom Pfarrhaus mit dem Kanu los, um irgendwo mit gestrandeten Gläubigen, die den Fluten entkommen waren, open air die Heilige Messe zu feiern. Und dann hatte der Father Schwierigkeiten, Wein für die Eucharistiefeier zu finden. Alkoholverkauf an Sonntagsvormittagen ist in Texas verboten. Alle Wette, es wurde eine bewegende Feier.

Es ließ mich an die aktuelle Debatte um die würdige Liturgie denken, an die rabulistische Diskussion um glutenfreie Hostien, auch an diesen merkwürdigen Kardinal Sarah in Rom. Einer derer, die durch ihre Wirrungen den Zweifelnden die Zuversicht an der Öffnung der Kirche unter Papst Franziskus nehmen.

Franziskus steht mit seinen kürzlichen Äußerungen zur Liturgiereform für die "lebendige Liturgie" der gesamten Kirche. Er erinnerte daran, dass Kirche auf dem Weg ist (und Liturgie eben auch). Und dass die Reform des Konzils nicht vom Himmel fiel, sondern nach einem Prozess der "Reife" den Bedürfnissen der Gläubigen entsprochen habe. Das eben war "Liturgische Bewegung": Bewegung.

Die Größe dieses Papstes ist es, um die Weite von Liturgie zu wissen und sie auch zuzulassen. Er hat da ein ganz anderes Vertrauen in die Akteure als seine Vorgänger. Ein Pfarrer im Kanu unterwegs zu verzweifelten Opfern sintflutartigen Regens, das wäre für ihn gewiss eine sehr würdige Feier. Beeindruckend finde ich die wiederkehrende Geste von Franziskus, vor und nach jeder Auslandsreise die römische Kirche Santa Maria Maggiore und vor der dortigen Marien-Ikone zu verweilen. Das ist würdig und konservativ und welt-offen zugleich.

Die Weite der "lebendigen Liturgie" hat übrigens beileibe nichts mit "Hass auf die alte Liturgie" zu tun. Man muss nur manche Äußerung von Martin Mosebach lesen, um zu wissen, wie man mit alter Arroganz verächtlich über Liturgie schreiben kann – wenn man nur eins absolut setzt (und ich habe in Berlin schon manche Messe im alten Ritus miterlebt, deren Stil mich schaudern ließ).

Franziskus steht dafür, dass man den konkreten Bedürfnissen der Gläubigen folgt und, meist in der Volkssprache und von mir aus auch mal mit Tanz, stets würdig feiert. Und sei es mit dem Kanu und irgendwie improvisiertem Messwein. Und es ist bei der Debatte um die Liturgie wie beim Kanufahren: Wer zuviel zurückschaut, fährt irgendwann im Kreis.

Von Christoph Strack

Der Autor

Christoph Strack ist stellvertretender Leiter des Hauptstadtstudios der Deutschen Welle.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.