Ein Tag des Dialogs der Religionen
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"Endlich frei an Halloween", hörte ich gestern im Radio. "Dieser Feiertag freut ganz Deutschland." Morgen ist also erstmals und vorerst einmalig am 31. Oktober gesetzlich arbeitsfrei in ganz Deutschland. Ist das alles, was bleibt zum Ende des Reformationsjubiläums? Sicher nicht. Denn allenthalben wird fleißig resümiert, was das Reformationsgedenken gebracht hat, noch ehe am 31. Oktober 2017 der Jubiläumstag 500 Jahre nach Luthers Thesenanschlag in Wittenberg überhaupt begangen worden ist. Während Kardinal Koch die mangelnde Bußhaltung beklagt, sieht Bischof Feige eine "fantastische ökumenische Lerngeschichte" und der evangelische Berliner Bischof Dröge die Gelegenheit, kirchentrennende Themen neu zu diskutieren.
Die Reformation in Deutschland hat die Christenheit nach dem Schisma zwischen orthodoxer und katholischer Kirche 1054 erneut tief gespalten. Das ist traurig und bleibt bis heute schmerzhaft. Mit dieser Spaltung können sich Christinnen und Christen nie abfinden. Doch gerade in diesem Schmerz hat die Reformation den Streit, den Diskurs, das Ringen um die Wahrheit und das adäquate Bekenntnis nicht nur in der Theologie verankert, sondern in der religiösen Lebenspraxis der neuzeitlichen Menschen. Natürlich geht es nicht darum, Konfessionskriege und Gewalt im Namen Gottes oder irgendwelcher Kirchenführer zu rechtfertigen. Dass aber die Alternative und mit ihr der Dialog bis ins Innerste Teil der öffentlichen und privaten Debatte um Konfessionen und dann auch um Religionen ist, verdanken wir in Europa vor allem der Reformation. Davon bin ich bis zum Erweis des Gegenteils überzeugt.
Am 31. Oktober wird es auch in Zukunft sicher nicht nur um Halloween gehen. Der französische Schriftsteller Michel Houellebecq hat in seinem vielbeachteten Spiegelinterview Recht: Die Religion hat eine Schlüsselfunktion in der Gesellschaft und für deren Zusammenhalt. Das gilt für die christlichen Konfessionen ebenso wie für den Islam. Dann aber muss der Staat, der von Voraussetzungen lebt, die er selbst nicht garantieren kann, ein hohes Interesse am Dialog, notfalls auch am Streit über Konfession und Religion haben. Warum den 31. Oktober in reformatorischem Geist nicht gesetzlich für diesen Dialog reservieren? Und wenn der Tag des Dialogs der Konfessionen und Religionen arbeitsfrei wäre – umso besser.