Nur ein "Familienstreit"?

Veröffentlicht am 23.06.2013 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Nigeria

Abuja ‐ Fast täglich sorgt sie für neue Schlagzeilen in der nigerianischen Tagespresse: die Christliche Vereinigung Nigerias (CAN). Die Organisation versteht sich als Sprachrohr der Kirchen im Land und sollte eigentlich alle Mitglieder vereinen. Doch nun hat die katholische Kirche auf nationaler Ebene ihre Mitgliedschaft auf Eis gelegt.

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So deutlich wie im Moment waren die Forderungen der CAN noch nie: Gerade hat der Zusammenschluss der christlichen Kirchen in Afrikas einwohnerstärkstem Land dazu aufgerufen, Muhammadu Buhari, einen der bekanntesten Oppositionspolitiker Nigerias, verhaften zu lassen. Ihrer Meinung hat er mehrfach die Anschläge der islamistischen Gruppierung Boko Haram gerechtfertigt.

Unterstützung für Goodluck Jonathan

Den nigerianischen Präsidenten Goodluck Jonathan unterstützt sie hingegen uneingeschränkt. Seit Wochen erhält er ein dickes Lob dafür, dass er Mitte Mai den Ausnahmezustand in den drei Nordbundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa verhängt hat. CAN ist sicher, dass Nigeria damit in Sachen Terrorismusbekämpfung auf dem richtigen Weg sei.

Nach Kämpfen mit Boko Haram läuft ein nigerianischer Junge an einem ausgebrannten Auto in Maiduguri vorbei.
Bild: ©dpa/Str

Ein nigerianischer Junge läuft an einem ausgebrannten Auto in Maiduguri vorbei, wo sich Militär und die Islamistengruppe Boko Haram im Sommer 2009 heftige Kämpfe lieferten.

Damit mischt sich die Vereinigung - zumindest mit Statements - nun regelmäßig ins politische Tagesgeschäft ein, und sie scheint Präsident Jonathan, der selbst Christ ist und aus dem Bundesstaat Bayelsa im Südosten des Landes stammt, eindeutig zu unterstützen.

Agiert die CAN wie eine politische Partei?

Diese Beobachtung teilen freilich viele Katholiken im Land: "Es war unsere Sorge, dass CAN eine politische Partei wird", sagt Ordensschwester Anne Falola, die für die Nigerianische Bischofskonferenz in der Abteilung Mission und Dialog arbeitet. Aus diesem Grund, aber auch wegen weiterer konträrer Einstellungen, hat die katholische Kirche ihre CAN-Mitgliedschaft nun auf Eis gelegt. Erste Annäherungen gibt es zwar bereits wieder. Dennoch wirken Nigerias Christen so uneins wie selten.

Dabei ist genau die Stiftung von Einheit und Ökumene die Aufgabe der Vereinigung, die seit 1976 existiert. Neben der katholischen Kirche gehören die protestantischen und die Pfingstkirchen dazu sowie Kirchen, die sich in Afrika und nicht in Europa gegründet haben. Die Aussagen eines solchen Zusammenschlusses bekommen mehr Gewicht als die einzelner Kirchen oder Priester. Darüber hinaus wird mit dem Zusammenschluss symbolisiert: Zusammen genommen sind die Christen in Nigeria zahlenmäßig etwa so groß wie die muslimische Gemeinschaft. Genau das ist eines der ewigen Streitthemen des Landes: ob nun Christen oder Muslime in der Mehrheit sind.

Uneinigkeit und Alleingänge

Doch wirklich einig wirkt CAN längst nicht mehr. Dem katholischen Priester Cornelius Afebu Omonokhua - er leitet bei der Bischofskonferenz die Abteilung Mission und Dialog - stoßen besonders die zum Teil reißerischen Statements auf: "Da sagt der Präsident von CAN etwas am Flughafen zu Journalisten, und dann heißt es: CAN fordert eine Verhaftung. Dabei haben wir über diese Aussage nie beraten." Weitaus mehr Sorge macht Afebu Omonokhua noch, dass CAN offenbar vom interreligiösen Dialog abrücke - der ebenfalls zu den Hauptaufgaben der Organisation gehört.

Boko Haram stört interreligiösen Dialog

Allen Meldungen über sogenannte Ausschreitungen zwischen Muslimen und Christen in Nigeria zum Trotz gibt es nach wie vor viele Friedensprojekte und Familien, in denen immer Christen und Muslime zusammengelebt haben. "Für uns ist es sehr schwierig, Christen zu überzeugen, dass Boko Haram keine religiöse Gruppierung ist", so Afebu Omonokhua. Sie gebe zwar an, im Namen Allahs zu kämpfen: "Andere Muslime sagen aber klar, dass diese Einstellung nichts mit den Lehren des Koran zu tun hat."

CAN-Generalsekretär Musa Asake vermisst allerdings genau das in der muslimischen Gemeinschaft: eine klare Abgrenzung von Boko Haram. Bekannte Vertreter der muslimischen Gemeinschaft, allen voran der Sultan von Sokoto, haben zwar regelmäßig die Anschläge der Gruppierung verurteilt. Asake geht das aber nicht weit genug. Ohnehin habe Boko Haram dem interreligiösen Dialog massive Schwierigkeiten bereitet und ihn in den Hintergrund treten lassen. Um diese Probleme wieder zu überwinden, müsse erst mal die Terrorgruppe wirkungsvoll bekämpft werden.

Von Katrin Gänsler (KNA)