Standpunkt

Ein frohes Fest – mit aller Gewalt?

Veröffentlicht am 26.11.2020 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Die geplanten Lockerungen der Kontaktbeschränkungen an Weihnachten sieht Gabriele Höfling mit gemischten Gefühlen. Wenn das Fest als einziger Lichtblick im Dunkel des Teillockdowns überhöht werde, könne das nur zu Enttäuschungen führen.

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Um das gleich vorweg zu nehmen: Ich freue mich sehr, dass ich an Weihnachten immerhin mit einigen Familienangehörigen zusammentreffen kann. Gleichzeitig beschleicht mich ein ungutes Bauchgefühl. Weil es laut Politik nur für wenige Tage rund um Weihnachten und Neujahr Lockerungen der strengen Pandemie-Maßnahmen geben soll, kommt es zu einer seltsamen Überhöhung des Festes: als einzigem kleinen Lichtblick in dem großen Dunkel des winterlichen Teillockdowns. So gibt es in diesem Jahr zum Fest zwar keinen Stress wegen unzähliger Termine und überbordenden Vorbereitungen, aber es wird auf andere Weise überfrachtet. Das kann nur Enttäuschungen geben.

Als "Kontaktfasten auf Weihnachten" hin hat die evangelische Theologin Margot Käßmann die Situation beschrieben. Hier scheint sich auch bei Kanzlerin und Ministerpräsidenten ein Verständnis von Weihnachten zu manifestieren, das mit der ursprünglichen Botschaft des Festes nicht mehr so viel zu tun hat. Unbeabsichtigt wird die magere dürre Zeit drumherum gegen das vermeintlich sorgenfreie Weihnachtsfest ausgespielt.

Ein Weihnachten, das die Pandemie ausblendet, passt aber gar nicht zu dem, was vor 2.000 Jahren passierte. Wie die Weihnachtsgeschichte erzählt, waren Maria und Josef zur Geburt Jesu allein, sie fanden keine Herberge, kurze Zeit später entging das Neugeborene nur knapp der Tötungskation des Herodes. So gesehen ist Weihnachten eigentlich wie gemacht dafür, sich mit der Tragödie der Pandemie auseinanderzusetzen und sie als Realität anzunehmen. 

Deswegen nehme ich mir vor, die veränderte Advents- und Weihnachtszeit trotz aller Enttäuschung auch als Chance zu sehen: zu langen Telefongesprächen mit meiner Familie, die ich sonst wegen all der Termine vielleicht nicht führen könnte; oder um mich bei Freunden zu melden, zu denen der Kontakt abgebrochen war. Und bei den Familientreffen werde ich versuchen, trotz aller Wiedersehensfreude die Regeln einzuhalten und im Zweifel die Verwandten lieber etappenweise oder eben digital zu sehen. Denn ich möchte Weihnachten 2020 in guter Erinnerung behalten und nicht als das Ereignis, das die dritte Welle einläutete. Mit aller Gewalt ein frohes Familienfest zu feiern, bringt keinem etwas.

Von Gabriele Höfling

Die Autorin

Gabriele Höfling ist Redakteurin bei katholisch.de.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.