Katholische Bischöfe fordern aktives Handeln gegen Hetze
Die katholischen Bischöfe in Deutschland haben zum Jahreswechsel zu Optimismus und aktivem Handeln gegen Hetze und Antisemitismus aufgerufen. Zugleich sprachen sie sich für innerkirchliche Reformen aus. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, warb für eine klare Position gegen Antisemitismus. "Wir müssen aufstehen und unsere Stimme erheben, wenn wieder frech und unverhohlen antisemitische Parolen gegrölt und Straftaten verübt werden", sagte Bätzing am Neujahrsmorgen. Er erinnerte daran, "wie sehr Juden und Christen verwandt sind. Wir entstammen einer einzigen Wurzel."
Der Münchner Kardinal Reinhard Marx rief zur Übernahme von Verantwortung für das Leben kommender Generationen auf. Das Verantwortungsgefühl für das "gemeinsame Haus unserer Erde" müsse mit Blick auf den Klimawandel größer werden, sagt Marx im Münchner Liebfrauendom. Eine Gesellschaft könne nur wirklichen Zusammenhalt finden, wenn sie darauf achte, dass Gräben und Spannungen überwunden würden.
Kritik an Gesetzesvorhaben der Ampel-Koalition
Der Münsteraner Bischof Felix Genn blickte kritisch auf die Gesetzesvorhaben der Ampel-Koalition zu Schwangerschaftsabbrüchen. "Allein die Tatsache, dass von dem werdenden Leben im Mutterleib mittlerweile von einem 'Schwangerschaftsgewebe' gesprochen wird, muss uns hellwach machen", sagte er. "Da werden nämlich die Kleinsten und Ärmsten der Armen, die eines besonderen Schutzes bedürfen, allein schon durch Worte verfunktionalisiert zu eigenen Zwecken einer falsch verstandenen Autonomie und Selbstbestimmung".
Der Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann rief dazu auf, Schwierigkeiten und Zweifeln im Leben mit Zuversicht zu begegnen. Im Speyerer Dom sagte Wiesemann an Silvester, gerade in der Corona-Pandemie seien ihm "die Kostbarkeit des Glaubens, der Halt und eine letzte, tiefe Zuversicht" besonders bewusst geworden. Glauben bedeute nicht, keinen Zweifel zu haben, sondern zu erkennen, dass es trotz Zweifeln eine letzte tiefe Zuversicht gebe.
Der Augsburger Bischof Bertram Meier bemängelte das Programm der neuen Bundesregierung. Ihm fehle in der von Kanzler Olaf Scholz (SPD) vorgetragenen Definition des Fortschritts der Schutz des menschlichen Lebens. "Aller Fortschritt nützt nichts, wenn dabei der Mensch auf der Strecke bleibt: nichts zum Lebensschutz – weder im Koalitionsvertrag noch in der Regierungserklärung. Wir wagen nicht 'mehr Fortschritt', wenn damit ein Rückschritt der Menschlichkeit einherginge." Meier verurteilte zugleich Verschwörungsmythen. "Sündenböcke werden gesucht und gefunden, auch im Blick auf Covid-19. Selbst unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger müssen wieder dafür herhalten; sie werden bedroht, fühlen sich nicht mehr sicher bei uns."
Aachens Bischof Helmut Dieser verwies auf Gefahren der Internetkommunikation. Durch den "Troll-Dämon" würden unzählige Verdrehungen und Lügen weltweit verbreitet, während der "Cancel-Dämon" die Meinungsfreiheit beschneide.
"Raus aus der Blase. Mission der Kirche im 21. Jahrhundert"
Angesichts der Situation an den Außengrenzen der EU rief der Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer die Christen zu gesellschaftlichem Engagement auf. "Dass in den Wäldern zwischen Polen und Weißrussland Migranten in der Hoffnungslosigkeit verharren müssen, ist skandalös", sagte er im Hildesheimer Mariendom. Die Flüchtlinge stürben als Spielball von Machtinteressen.
Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick warb dafür, dass die Kirche sich weniger mit sich selbst beschäftige. Deshalb heiße das Jahresmotto "Raus aus der Blase. Mission der Kirche im 21. Jahrhundert", sagte Schick. Es gelte, Gebete, Liturgien, Riten und auch viele Kirchenstrukturen zu hinterfragen und zu verändern, die einst zeitbedingt entstanden seien.
Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode sieht "herbe Herausforderungen" auf die Kirche zukommen. Im Osnabrücker Dom sprach er von "einem deutlichen Rückgang der Ressourcen auf allen Ebenen", etwa was die Priesterzahlen oder die Finanzen angehe. Bode forderte einen vernünftigen Umgang mit kirchlichen Gebäuden und kluge Überlegungen, wie engagierte Menschen so wirken könnten, "dass das gemeinsame Kirche-Sein von Haupt- und Ehrenamtlichen, von Männern und Frauen, von Jungen und Alten gelingt".
Der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke erklärte, die Kirche müsse "wagemutig und kreativ sein", wenn es darum gehe, Ziele, Strukturen und Evangelisierungsmethoden zu überdenken. Ein "So haben wir das immer gemacht" dürfe es nicht geben. Das "klassische" Gemeindeprinzip funktioniere oft nicht mehr. Trotzdem werde es mit großem Einsatz verteidigt. Die schwindende Zahl an Gläubigen und die wegbrechenden finanziellen Ressourcen führten nun "unter Schmerzen" dazu, "kritisch auf den gegenwärtigen Stand zu blicken".
Oster verweist auf Hoffnungspotenzial der christlichen Botschaft
Passaus Bischof Stefan Oster zeigte sich besorgt über die Spaltungen in Kirche und Gesellschaft. Er wies zugleich auf das Hoffnungspotenzial der christlichen Botschaft hin. Gerade gläubige Menschen könnten am tiefsten dialogbereit sein, da ihnen die Liebe zu jedem Menschen, sogar zu den Feinden aufgetragen sei, erklärte Oster. Aus der Überzeugung heraus, dass ausnahmslos alle Menschen Kinder eines geliebten Vatergottes und daher alle Geschwister seien, könnten Christen einen entscheidenden Beitrag zur Überwindung von Spaltungen leisten, so Oster weiter.
Würzburgs Bischof Franz Jung rief dazu auf, das Hinhören neu zu lernen. Das sei in einer Zeit zunehmender Polarisierung eine hochaktuelle gesellschaftliche Herausforderung. Das Hinhören brauche die Bereitschaft, auch dem anderen einen Beitrag und Kompetenz zuzugestehen sowie die Bereitwilligkeit, etwas dazuzulernen, "allein schon deshalb, weil die Zeit nicht stehen bleibt, sondern sich alles im Fluss befindet und dauernder Veränderung unterworfen ist". Synodalität bedeute in diesem Zusammenhang, voneinander zu hören und voneinander zu lernen. Jung ergänzte: "Das Amt in der Kirche hat die Aufgabe, Räume des Zuhörens zu eröffnen und sicherzustellen."
Der Freiburger Erzbischof Stephan Burger sieht den Klimaschutz und die weitere Entwicklung der Kirche als zentrale Themen 2022. Burger sagte im Freiburger Münster, es brauche Orte und Personen, an denen und durch die Menschen die Kraft Gottes erfahren könnten. Es würden neue Formen kirchlichen Lebens entstehen, während andere in den Hintergrund träten. "Wir mögen mittlerweile nicht mehr Volkskirche sein, aber wir sind noch immer Kirche im Volk", so Burger. Die Bewahrung der Schöpfung ist für Burger untrennbar mit dem Klimaschutz verbunden. Der Erzbischof sieht dabei auch seine Kirche in der Verantwortung all derer, "die weltweit unter den negativen Folgen eines Klimawandels und den daraus sich ergebenden bedrohten Lebensverhältnissen" litten.
Der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker kritisierte das Bestreben, die Vergänglichkeit des Lebens zu verdrängen: "Alle haben möglichst jung zu sein und so jagen wir weiter von Termin zu Termin, von Tag zu Tag, von Woche zu Woche, von Jahr zu Jahr. Als ginge es immer so weiter, ohne Ende." Es sei ein Zeichen von Weisheit und innerer Freiheit, die Tage des eigenen Lebens "anzuschauen wie kostbare Perlen und sie entgegenzunehmen, dankbar, in der uns gegebenen Frist", sagte er.
Der Fuldaer Bischof Michael Gerber warnte vor einfachen Antworten. Die Zukunft der Demokratie entscheide sich daran, wie viele Menschen in Alternativen denken und "auch ein gutes Stück Ungewissheit aushalten" könnten. Dazu gehöre die Bereitschaft, Entscheidungsträger kritisch zu begleiten, ihnen aber auch zuzugestehen, Entscheidungen zu treffen, deren Wirkung nur begrenzt eingeschätzt werden könne.
Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße erklärte, die Kirche könne sich nicht erlauben, an der Zeit vorbei zu leben. "Wir stehen in der Zeit und glauben an einen Gott, der die Zeit mit uns teilt", sagte Heße im Hamburger Sankt-Marien-Dom.
Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf zeigte sich optimistisch, dass viele Menschen Sehnsucht nach Gemeinschaft, Gottesdiensten und nach einer Beziehung zu Gott hätten. Kohlgraf räumte zugleich ein, dass Menschen die Kirche aus Frust verließen. "Entfremdungsprozesse haben eine lange Geschichte, nicht wenige gehen auch aus der Mitte der Kirche", so der Bischof. Die Kirche habe "in vielen Punkten versagt". Er persönlich bleibe nicht, weil er Bischof sei, sondern weil er nicht auf Christus verzichten wolle. (stz/KNA)
01.01.2022, 12:25, 14:20 und 14:35 Uhr: ergänzt um weitere Predigten