Offener Brief an die Deutsche Bischofskonferenz

250 Mitarbeiter von Misereor fordern Reformen in der Kirche

Veröffentlicht am 18.02.2022 um 12:15 Uhr – Lesedauer: 

Aachen ‐ Reformoffensive aus dem katholischen Hilfswerk Misereor: 250 Mitarbeiter fordern in einem Offenen Brief an die Deutsche Bischofskonferenz eine tiefgreifende Erneuerung der Kirche in Deutschland. Man könne und wolle nicht schweigen.

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In einem Offenen Brief an die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) fordern zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des katholischen Werks für Entwicklungszusammenarbeit Misereor "tiefgreifende systemische Veränderungen" in der katholischen Kirche in Deutschland. Das von 250 Mitarbeitenden der Organisation mitgetragene Schreiben wurde am Freitag auf der Homepage von Misereor veröffentlicht.

In dem Brief drücken die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner Sorge und Zorn aus. Die Kirche habe Strukturen und Systeme geschaffen, "die dazu führen, dass Menschen in Angst und mit traumatischen Erfahrungen leben müssen. Eben jene universell gültigen Menschenrechte, die für unsere Arbeit mit Partnerorganisationen weltweit so grundlegend sind, werden in vielfältiger Weise durch die römisch-katholische Kirche missachtet und verletzt. Ungerechtigkeit und Missbrauch werden durch systemische Bedingungen begünstigt. Und wir erkennen keine überzeugenden Ansätze, daran nachhaltig etwas zu ändern oder begangene Verbrechen restlos aufzuklären".

"Wir können und wollen nicht schweigen"

Weiter heißt es: "Als Mitarbeiter*innen einer Organisation, die Teil dieser Kirche ist, können und wollen wir nicht dazu schweigen. Unser christliches Selbstverständnis und unser Auftrag bei Misereor verpflichtet uns dazu, den Mächtigen ins Gewissen zu reden und strukturelle Ungerechtigkeiten sowie Machtmissbrauch zu verurteilen. Seien diese nun in weltlichen oder in kirchlichen Bereichen zu finden." Kirche solle ein Ort des gegenseitigen Respekts, der Sicherheit, Geborgenheit und der gelebten Nächstenliebe für alle Menschen sein und keine Institution, die sich immer weiter verschließe, vertusche, ausgrenze, verletze und nur den eigenen Machterhalt im Sinn habe.

Der Brief formuliert konkrete Erwartungen an Reformen in der Kirche: Dazu gehört eine externe, staatliche Untersuchung der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche und deren staatliche Verfolgung. Notwendig sei überdies das aktive Eintreten für eine Kultur des Hinsehens und Zuhörens sowie die strukturelle Verankerung von unabhängigen Melde- und Unterstützungsverfahren bei sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche.

Abschließend heißt es: "Wir begrüßen die Beschlüsse der dritten Vollversammlung des Synodalen Weges in Bezug auf die Aufhebung des Pflichtzölibats, die Zulassung von Frauen zu Weiheämtern, zur Segnung schwuler und lesbischer Paare sowie zur Beendigung der Sanktionen für kirchliche Angestellte, die geschieden oder homosexuell verheiratet sind". Eine Debatte um das kirchliche Arbeitsrecht hatte im Januar die Initiative "#OutInChurch" ausgelöst, bei der sich 125 Kirchenmitarbeitende öffentlich als queer zu erkennen gaben. Zahlreiche deutsche Bistümer kündigten in der Folge an, dass es keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen für homosexuelle oder wiederverheiratete Mitarbeiter mehr geben solle. (tmg/KNA)