In der Fastenzeit sollten wir ein neues Tier-Mensch-Verhältnis einüben

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Der Erdball dreht sich immer schneller. Er ist den Menschen in die Hände gegeben. Fast sieht es aus, als ob er nicht zu halten wäre, der blaugrüne Planet, und hinabstürzt in das rote, überhitzte Universum. Rasend schnell zwischen Anfang und Abgrund bewegt sich die Weltkugel. So jedenfalls zeigt es eindrücklich der in Freiburg lebende Künstler Emeka Udemba auf dem neuen Misereor-Hungertuch.
"Was ist uns heilig?" Das ist die Leitfrage zum aktuellen Hungertuch. Udembas Kunstwerk liefert dazu nicht nur als Ganzes eine Perspektive. Auf der Collage sind Worte zu finden, die Gesprächsanlässe sein können. Und da liest, wer genau hinschaut, auch "Mensch und Tier".
Das Verhältnis des Menschen zu den nichtmenschlichen Tieren ist schon lange nicht mehr heilig. Geprägt von Nutzen und Ausnutzen, von Über- und Unterordnung und von Herrschaft über die Mitgeschöpfe pflegt der Mensch als vermeintliche Krone der Schöpfung seinen ganz eigenen Speziesismus. Deshalb sterben die Arten weltweit. In den letzten 50 Jahren sind die Bestände an Wirbeltieren um fast 70 Prozent zurückgegangen. Bis zu 150 Tier- und Pflanzenarten sterben derzeit aus. Pro Tag! Damit ist die globale Aussterberate heute 1.000-mal höher als die evolutionsbedingte. Dass sie durch Jagd und Wilderei, Raubbau und intensivste Landwirtschaft, Pestizide und Klimawandel menschengemacht ist, daran zweifelt kein ernstzunehmender Experte.
Heute vor 34 Jahren, am 27. Februar 1989, ist der österreichische Zoologe Konrad Lorenz gestorben. "Nur was ich kenne, liebe ich. Und nur was ich liebe, schütze ich", hat der Verhaltensforscher einmal gesagt. Ein neues Tier-Mensch-Verhältnis, ein heiliges, muss also wieder eingeübt werden. Wäre das nicht ein sinnvolles Fastenprojekt?
Kennen: Tierdoku statt Sitcom, Tierpark statt Shoppingmall, Vögel füttern statt Aktienfonds. Lieben: im Schöpfungsbericht lesen, dass Menschen und Tiere nur gemeinsam "sehr gut" waren. Sich selbst mit Albert Schweitzer verstehen als Leben, das leben will – inmitten von Leben, das leben will. Und schützen: dem Regenwurm über die Straße helfen. In der Dämmerung freiwillig 70 fahren und sich lächelnd von hupenden Rentnern überholen lassen. Und von mir aus am Sonntag auch Fleisch essen. Den Sonntagsbraten aus guter Haltung mit Tierwohllabel. Aber nur sonntags.
Der Autor
Dominik Blum ist Pastoraler Koordinator in der Katholischen Pfarreiengemeinschaft Artland im Bistum Osnabrück.
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.