Wir brauchen eine neue Aufklärung zur Bewahrung der Demokratie
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Nicht nur Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Freiheit sind weltweit unter Druck geraten. Auch die Übereinkunft, dass seriöse, an klar definierte Standards und Kriterien gebundene Wissenschaft Grundlage jedes Diskurses ist, wird zunehmend in Frage gestellt. Erschwerend kommt hinzu, dass sich auch die Vorstellung davon, was Leaderqualitäten sind, rasant gewandelt hat: Es geht oft nicht mehr darum, dass die klügsten, intelligentesten Köpfe des Landes ein Mandat der Wählerinnen und Wähler erhalten. Vielmehr sind es die schrillen und schrägen Töne, die von vielen als "Macherqualitäten" gelobt und mit entsprechend gutem Wahlergebnis belohnt werden. Mit dem Wort "Führungsqualität" darf sich neuerdings schmücken, wer zu keinem Kompromiss bereit ist und für sich und die Seinen den größtmöglichen Benefit durchsetzt. Eines sollte aber klar sein: Die Konsequenz der Verstetigung einer solchen Grundhaltung hat in aller Regel autoritäre Führersysteme und -persönlichkeiten hervorgebracht.
Wenn wir unsere Demokratie bewahren wollen, wenn wir also für uns und unsere Kinder eine lebenswerte Zukunft gestalten wollen, dann brauchen wir eine neue Zeit der Aufklärung. Nicht das Hochglanzfoto und die – oft auf dem Rücken von Minderheiten ausgetragene – schrille Besetzung der Headline dürfen darüber entscheiden, wer geeignet ist, uns Bürgerinnen und Bürger zu vertreten, sondern wer loyal und verantwortungsbewusst agiert, wer sachlich argumentiert und sich die Zeit nimmt, profunde wissenschaftliche Forschungsergebnisse als Argumente in die Debatte einzuspeisen. Was uns als Gesellschaft einen wird, ist eine neue Verständigung darauf, dass das bessere Sachargument zählt, ein Kompromiss keine Schwäche ist und Verantwortung – insbesondere politische Verantwortung – in die Hände derer gehört, die in exzellenter Weise mit wissenschaftlichen Kriterien und Standards vertraut und im besten Sinne an einem breiten gesellschaftlichen Diskurs interessiert sind, ohne dafür die Herabwürdigung Schwächerer in Kauf zu nehmen. Kant klingt aktuell wie nie: "Sapere aude! Habe Muth dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!"
Die Autorin
Katharina Goldinger ist Theologin und Pastoralreferentin im Bistum Speyer und Religionslehrerin an einem Speyerer Gymnasium. Sie ist sehr gerne in digitalen (Kirchen-)Räumen unterwegs und ehrenamtlich im Team der Netzgemeinde da_zwischen aktiv.
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.