Ein selbstbewusstes Gotteshaus: Zehn Jahre neue Propsteikirche Leipzig

Wer die Stichworte "Leipzig" und "Kirche" hört, dem dürften vor allem zwei Namen durch den Kopf schießen: Nikolai und Thomas. Die beiden evangelischen Kirchen sind mit Abstand die bekanntesten Gotteshäuser in der sächsischen Großstadt und eng mit herausragenden Persönlichkeiten wie Johann Sebastian Bach und historischen Ereignissen wie der Friedlichen Revolution von 1989 verbunden. Und doch: Seit einiger Zeit könnte mindestens Katholiken noch eine weitere Kirche in Leipzig in den Sinn kommen – die von 2012 bis 2015 neu errichtete katholische Propsteikirche St. Trinitatis, die vor zehn Jahren, am 9. Mai 2015, feierlich geweiht wurde.
Das Gotteshaus, das schon während der Bauphase weit über Leipzig hinaus Beachtung fand und für Diskussionen sorgte, verhalf der kleinen katholischen Minderheit in der 620.000-Einwohner-Stadt zu bis dahin ungewohnter Sichtbarkeit. Statt in einer abseits des Stadtzentrums gelegenen und baulich maroden Kirche aus DDR-Zeiten residiert die Innenstadtpfarrei nun in einem großen und architektonisch auffälligen Gotteshaus in bester Lage am Innenstadtring. Vis-à-vis zum imposanten Neuen Rathaus mit seinem fast 115 Meter hohen Rathausturm reckt die vollständig mit rotem Rochlitzer Porphyr verkleidete Propsteikirche als größter Kirchenneubau in Ostdeutschland seit der Wiedervereinigung selbstbewusst ihren 50 Meter hohen Glockenturm in die Höhe.
Propst Kochinka: Mit neuer Kirche "gewaltigen Qualitätssprung" erreicht
Mit der neuen Propsteikirche habe man einen "gewaltigen Qualitätssprung" erreicht, sagt Propst Ralph Kochinka im Gespräch mit katholisch.de. "Katholische Kirche ist jetzt sichtbar präsent im Zentrum der Stadt – direkt gegenüber vom Rathaus, wo die Geschicke der Stadt geleitet werden. An unserer Kirche kommt quasi niemand vorbei." Er wisse zwar, dass manche Leipziger den Bau immer noch kritisch sähen und sich fragten, warum die Kirche so zentral in der Stadt liegen müsse. Die große Mehrheit stehe dem Gebäude aber positiv gegenüber: "Ob bei den Verantwortlichen der Stadt, den anderen Religionsgemeinschaften oder ganz normalen Bürgern: Es herrscht die Meinung vor, dass die Kirche an diesem Platz genau richtig ist und längst zur Stadt dazugehört."

Der Innenraum der Leipziger Propsteikirche.
Kochinka ist seit September vergangenen Jahres Propst und immer noch angetan von dem Kirchenbau. "Die Anordnung der Sitzbänke rund um den Altar, das wie ein Plus gestaltete Lichtfenster auf der Westseite der Kirche und das große Kreuz im gleichen Format an der Wand hinter dem Altar – das ist alles schon toll gebaut und gestaltet", schwärmt er. Vor seiner Einführung als Propst habe er die Kirche einmal "quasi inkognito" besucht und sich zu einem Gottesdienst auf die Empore gesetzt. "Der Blick von da oben hat großen Eindruck auf mich gemacht", erinnert er sich.
Bereits drei Jahre nach der Weihe der neuen Kirche berichtete der damalige Propst Gregor Giele 2018 in einem katholisch.de-Interview von der Wirkung des Gotteshauses. "Die katholische Präsenz und Erkennbarkeit in der Stadt hat durch den Neubau deutlich zugenommen. Der Bau entfaltet Wirkung, er ermöglicht den Katholiken – im positiven Sinne – einen selbstbewussten Auftritt", so Giele. Man strahle mit der Propsteikirche in die Stadtgesellschaft aus. "Über die Grenzen unserer Gemeinde hinaus wird wahrgenommen, dass hier in der Kirche viele Menschen zusammenkommen, dass hier viel stattfindet und die Gottesdienste gut besucht sind."
"Hier ist eigentlich immer was los"
Eine Minderheitensituation, wie sie die Katholiken in Leipzig erlebten, berge immer die Gefahr, sich noch mehr zurückzuziehen und das Vertraute in den engen Grenzen der eigenen Gruppe zu suchen, so Giele damals weiter. Mit der neuen Kirche gehe man genau den entgegengesetzten Weg: "Auch wenn wir als Katholiken nur eine kleine Gruppe sind, machen wir die Türen zur Stadt weit auf. Wir begreifen uns als Teil der Stadtgesellschaft, wir wollen uns beteiligen und erkennbar sein." Der Neubau habe in diesem Sinne viel bewegt.
Kochinka bestätigt sieben Jahre später diesen Eindruck: "Unsere Türen sind weiterhin weit geöffnet. Neben den Gottesdiensten finden bei uns jede Woche ganz viele unterschiedliche Veranstaltungen statt. Manchmal sind es sogar so viele, dass unsere Sekretärinnen Mühe haben, alles gut zu koordinieren." Neben eigenen Veranstaltungen der Gemeinde wie dem beliebten "Leipziger Abendlob" sowie regelmäßigen Treffen von Kirchenchören und geistlichen Gruppen werden die Räumlichkeiten des direkt an die Kirche angeschlossenen Gemeindezentrums auch von nichtkirchlichen Einrichtungen wie Behörden oder zivilgesellschaftlichen Organisationen genutzt. "Das Zentrum hat sich wirklich etabliert. Hier ist eigentlich immer was los", erläutert der Propst.
„Die Entscheidung für den Neubau der Propsteikirche St. Trinitatis in Leipzig ist aus heutiger Sicht nach wie vor richtig.“
Das gilt auch für das religiöse Leben in der Kirche. Die Propsteikirche sei mehr denn je das zentrale Gotteshaus für die Leipziger Katholiken, sagt Kochinka. "Ich merke das immer wieder nach Gottesdiensten, wenn mir Gläubige erzählen, dass sie eigentlich zu einer anderen Leipziger Pfarrei gehören, und trotzdem gerne auch mal zu uns in die Messe kommen." Die Propsteigemeinde selbst ist in den vergangenen Jahren gegen den bundesweiten Trend bei den Katholikenzahlen gewachsen. Zurückzuführen ist das allerdings vor allem auf den seit Jahren starken Zuzug nach Leipzig. Dadurch, so Kochinka, sei die Gemeinde in den vergangenen Jahren auch deutlich jünger und internationaler geworden.
Eine weitere Gruppe, die Kochinka zufolge auch zehn Jahre nach der Weihe häufiger in der Kirche anzutreffen ist, sind Menschen, die einst für den knapp 30 Millionen Euro teuren Neubau gespendet haben. "In der relativ kurzen Zeit, die ich erst hier bin, haben mich nach Gottesdiensten schon mehrere Leute angesprochen und sich als Spender geoutet." Darunter seien viele Katholiken aus westdeutschen Großstädten gewesen, die sich teilweise zum ersten Mal überhaupt das fertige Gotteshaus angeguckt hätten. "Die waren fast alle überrascht, wie gut besucht unsere Gottesdienste sind. Die meisten dachten, dass der Gottesdienstbesuch hier wegen der Diasporasituation eher überschaubar sein müsste", sagt Kochinka. Seinen Angaben zufolge besuchen an normalen Sonntagen bis zu 500 Menschen die Gottesdienste, in der Osternacht seien es zuletzt sogar mehr als 700 gewesen. "Da stößt das Gebäude schon an seine Grenzen", freut sich der Propst.
Probleme mit störanfälliger Technik
Ist nach zehn Jahren also alles bestens in der Leipziger Propstei? Nicht ganz, gibt Kochinka am Ende des Gesprächs zu. Wie wohl jeder normale Hausbesitzer hat auch seine Gemeinde mitunter mit kleineren Mängeln am Gebäude zu kämpfen. Vor allem die verbaute Technik sei sehr störanfällig, sagt der Geistliche. "Wir haben sehr hohe Kosten, weil ständig irgendwelche elektrischen Bauteile defekt sind. Seit ein paar Tagen steht zum Beispiel unsere Tiefgaragentür offen, weil irgendetwas kaputt ist. Da muss ein spezialisierter Handwerker kommen und den Schaden beheben – und das kostet." Gemessen am gesamten Gebäudekomplex seien das letztlich aber nur Kleinigkeiten, die die Begeisterung und Dankbarkeit für den Neubau keineswegs trübten.
Ganz ähnlich sieht das auch Dresdens Bischof Heinrich Timmerevers. "Die Entscheidung für den Neubau der Propsteikirche St. Trinitatis in Leipzig ist aus heutiger Sicht nach wie vor richtig", so Timmerevers zu katholisch.de. Die neue Kirche habe die Präsenz der katholischen Christen in Leipzig deutlich sichtbarer gemacht und enorm dazu beigetragen, den Austausch und die Vernetzung der Christen mit der Stadtgesellschaft voranzubringen. "Unsere Propsteikirche ist inzwischen weit über Sachsen hinaus bekannt. Im modernen Gemeindezentrum kommen Menschen aus ganz Deutschland zu Workshops, Vorträgen und Ausstellungen zusammen." Auch die positive Entwicklung der Stadt Leipzig besitze für das Bistum eine zentrale Rolle. "Ich bin dankbar, dass wir in dieser pulsierenden Metropole seit zehn Jahren mit einem so attraktiven und lebendigen Standort vertreten sind", erklärt der Bischof.