Standpunkt

Kirche muss im Denken präsent bleiben und mitmischen

Veröffentlicht am 13.10.2025 um 00:01 Uhr – Von Pater Stefan Kiechle SJ – Lesedauer: 

Bonn ‐ Philosophie ist mehr als ein Hilfsmittel der Theologie. Sie bildet die Grundlage für den Dialog der Kirche mit der Welt, schreibt Stefan Kiechle. Für ihn ist sie Teil ihres zentralen Auftrags – und verdient Zeit, geistige Energie und Ressourcen.

  • Teilen:

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.

Am vergangenen Freitag, 10. Oktober, wurde in München das 100-jährige Jubiläum der Hochschule für Philosophie der Jesuiten gefeiert. In den Predigten und Reden wurde thematisiert, dass die Kirche im Denken präsent bleiben und mitmischen müsse. Eine Hochschule für Philosophie leistet dafür unverzichtbare Dienste. 

Der Generalobere der Jesuiten, P. Arturo Sosa SJ, erwähnte in seiner knappen Zeitdiagnose die drei "P" von Moisés Naim: Post-truth – neue "Fakten" werden gebildet, vorbei an dem, was bisher als Wahrheit galt; Populism – man passt Politik an das an das an, was eine breite Mehrheit (vermeintlich) erwartet; Polarization – man verbreitet mehr Meinungen als Tatsachen, kreiert Gegner, verharrt im Lagerdenken. Arturo Sosa – ein Venezolaner, beeinflusst von der Befreiungstheologie – ergänzte ein viertes "P": Protectionism – man schützt das eigene Volk, die eigene Wirtschaft, das eigene Einkommen auf Kosten anderer Völker und Menschen.  

Diese vier "P" fördern Spaltungen und nützen Autokraten. Sie schädigen unendlich das Zusammenleben der Menschen und verhindern Frieden und Gerechtigkeit. Alle vier P "bannen die Fremdheit des Anderen" – so in der anschließenden Diskussion Barbara Schellhammer, Professorin der Hochschule: In einer globalen Welt muss man neu lernen, Fremdheiten auszuhalten und mit ihnen kreativ umzugehen: die Fremdheit in einem selbst und die Fremdheit Anderer… 

Zentrale Prinzipen des Reiches Gottes sind Menschenwürde, Friede und Gerechtigkeit, Wahrheit und Liebe. Für diese einzutreten, ist Sendung der Kirche. Dafür nur theologisch zu argumentieren, aus der Offenbarung heraus, wäre zu wenig, sondern Christen sollen ihre Werte auch mit der Vernunft begründen und damit allen Menschen zu vermitteln suchen. Philosophisches Denken ist nicht nur Hilfsmittel der Theologie, sondern Grundlage für den Dialog mit der Welt. Es gehört zur zentralen Sendung der Kirche. Die Kirche muss dafür Zeit, geistige Energie und die nötigen Ressourcen einsetzen. 

Von Pater Stefan Kiechle SJ

Der Autor

Pater Stefan Kiechle SJ ist seit 2018 Chefredakteur der Zeitschrift "Stimmen der Zeit". Zuvor leitete er sieben Jahre die Deutsche Provinz des Jesuitenordens.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.