Standpunkt

Trotz Vandalismus – Kirche muss sichtbar bleiben

Veröffentlicht am 23.10.2025 um 00:01 Uhr – Von Schwester Gabriela Zinkl – Lesedauer: 

Bonn ‐ Die gehäuften Fälle von Vandalismus in Kirchen seien nicht bloß jugendliche Streiche, kommentiert Schwester Maria Gabriela Zinkl. Sie warnt davor, sich zurückzuziehen. Denn christlicher Glaube sei kein Museumsstück hinter Glas.

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Was läuft schief, wenn selbst das Heilige nicht mehr verschont bleibt? In den vergangenen Wochen häufen sich die Fälle von Vandalismus in Kirchen, auf dem Land wie in der Stadt. Gerade erst wurde ein Erntedankaltar in Haltern mutwillig zerstört, anderswo werden Tabernakel aufgebrochen, Hostien verstreut, Kreuze und Heiligenfiguren zerschlagen, Kirchenbänke umgeworfen. Selbst im Petersdom urinierte ein junger Mann während eines Gottesdienstes provokativ an einen Altar.

Das sind keine jugendlichen Streiche, sondern gezielte Akte der Missachtung. Sie treffen Orte, die für viele Menschen ein geistliches Zuhause sind. Wer Kirchen und andere religiöse Orte schändet, verletzt nicht nur Mauern, sondern das, was anderen heilig ist. Die Welle des Vandalismus ist Symptom einer tieferen Entfremdung: Das Christentum, einst tief in die kulturelle DNA Europas eingewoben, scheint für viele nur noch Kulisse. Dort, wo früher Kirchenglocken Orientierung gaben, hört man heute Spott, Gleichgültigkeit oder Protest wegen Lärmbelästigung.

Von den Glocken und dem zu laut krähenden Hahn auf dem Mist einmal abgesehen – es ist, als hätten wir das Gespür für das Sakrale verloren und mit ihm die Ehrfurcht vor dem Menschen selbst. Denn wer sogar das Heilige mit Füßen tritt, zerstört ganz bewusst Symbole von Trost, Hoffnung und Gemeinschaft.

Was also tun – zurückziehen, verurteilen, predigen, zusperren? Christlicher Glaube ist kein Museumsstück hinter Glas, sondern eine lebendige Kraft: Salz der Erde und Licht der Welt. Wir müssen sichtbar, hörbar und erfahrbar bleiben, vor allem aber glaub-würdig – auf dem Marktplatz, im Klassenzimmer, im digitalen Raum, in der Warteschlange im Supermarkt. Wir müssen miteinander nach Lösungen suchen, Kirche und Welt verantwortungsvoll gestalten, Werte bilden, Toleranz lehren, Mit-Menschlichkeit schützen. Wenn wir das vergessen, verlieren wir weitaus mehr als unsere steinernen Kirchen und Heiligenfiguren. Wir verlieren das Fundament unseres Miteinanders, denn wo das Gespür für das Heilige, Transzendente verloren geht, verlernt eine Gesellschaft, sich selbst zu achten.

Von Schwester Gabriela Zinkl

Die Autorin

Schwester Dr. Gabriela Zinkl SMCB ist Ordensschwester bei den Borromäerinnen, promovierte Theologin (Kirchenrecht) und in der Ordensleitung in Kloster Grafschaft.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.