500 Jahre nach reformatorischem Bildersturm

Geköpfte Maria in Kathedrale durch KI vervollständigt

Veröffentlicht am 06.11.2025 um 14:00 Uhr – Lesedauer: 

Lausanne ‐ Zerstört, aber nicht vergessen: Mit Hilfe von KI und gotischer Kunst hat ein katholischer Rentner einer enthaupteten Madonna in Lausanne ein neues Gesicht geschenkt. Doch das Ergebnis bleibt rein virtuell.

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Fünf Jahrhunderte nach dem reformatorischen Bildersturm hat die kopflose Madonna im Vorraum der Kathedrale von Lausanne ihren Kopf zurück – zumindest digital. Das berichtet das schweizerische kirchliche Portal "cath.ch" am Mittwoch. Der Katholik René Bugnion rekonstruierte das Gesicht der Figur mit Hilfe Künstlicher Intelligenz (KI) und gotischer Vorbilder. Die Initiative ist Teil der Feiern zum 750-jährigen Bestehen der Kathedrale.

Marienverehrer Bugnion, früher Verwaltungsleiter an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne, entdeckte die enthauptete Marienstatue zufällig und wollte den Verlust nicht hinnehmen. Er machte sich die Rekonstruktion der Statue zur Aufgabe – doch eine physische Restaurierung kam für die reformierte Kirche nicht infrage. Stattdessen einigte er sich mit den Verantwortlichen auf eine virtuelle Rekonstruktion. Darin sah Bugnion auch technische und pädagogische Chancen. Gemeinsam mit dem Informatikstudenten Alexis Allemand, der sich auf bildgenerierende KI spezialisiert hat, machte er sich an die Arbeit.

Alte Kunst, neue Technik

Die zunächst halluzinierende KI musste anhand vieler gotischer Beispiele lange trainiert werden, bis sie rekonstruieren konnte, wie die Marienfigur ursprünglich ausgesehen haben könnte. Bugnion lieferte kunsthistorische Expertise, Allemand die technische Umsetzung. Der Rentner erklärte, sie hätten der Maschine erst einen "Sinn für Schönheit" beibringen müssen. Das Ergebnis: eine "relativ sichere" 2D- und 3D-Rekonstruktion der Jungfrau.

Marienverehrung ist für Bugnion heute notwendiger denn je. Sie bilde einen Berührungspunkt zwischen den Religionen. So gebe es an mehreren Orten der Welt gemeinsame Marienwallfahrten von Muslimen und Christen. Maria habe eine immense Fürsprachekraft und sei eine wichtige Trostspenderin. Das sei in unruhigen Zeiten eine besonders wichtige Dimension. (KNA)