Pro und Contra zur Schwangerenkonfliktberatung

Abtreibung: Keine Beratungsscheine von der Kirche?

Veröffentlicht am 13.01.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Kirche

Bonn ‐ Seit 20 Jahren stellen kirchliche Schwangerenberatungsstellen keine entsprechenden Papiere mehr aus. Redakteur Kilian Martin findet das richtig. Thomas Jansen plädiert dafür, die Entscheidung zu überdenken.

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Pro: Keine Abtreibung auf kirchlichen Beratungsschein!

Jährlich sterben in Deutschland rund 900.000 Menschen. Die Meisten erliegen einer Herz- oder Kreislauferkrankung oder dem Krebs. Die dritthäufigste Todesursache taucht in der Übersicht des Statistischen Bundesamtes jedoch nicht auf: 100.000 Kinder wurden abgetrieben.

Das ist eine katastrophale Zahl! Unersetzlich ist daher die Stimme der Kirche, die für den unbedingten Schutz des menschlichen Lebens von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod eintritt. Gerade Menschen, die sich (noch) nicht selbst verteidigen können, brauchen diese Unterstützung. Doch authentisch ist dieser Einsatz für das Leben nur, wenn die Kirche selbst nicht an der Relativierung des Lebens mitwirkt. Deshalb spricht sie sich vehement gegen eine Legalisierung der Sterbehilfe aus. Und deshalb kann sie auch nicht am deutschen System der straffreien Tötung von Kindern im Mutterleib mitwirken.

Der vor fast zwanzig Jahren auf päpstlichen Wunsch geschehene Ausstieg der Kirche aus der Schwangerenkonfliktberatung war logisch und unumgänglich. Und er war richtig, wie die heutige Situation zeigt. Der private Verein "donum vitae", der nach eigener Darstellung die entstandene Lücke füllen wollte, hat im zurückliegenden Jahr 16.000 Beratungsscheine ausgestellt, die eine straffreie Abtreibung ermöglichten. Niemand weiß, wie viele der Frauen ihr Kind vielleicht doch zur Welt kommen ließen. Klar ist nur: Diese "katholische" Beratung ist kein Randphänomen.

Unterstützer von "donum vitae" bringen vor, der Verein arbeite darauf hin, dass die Frauen sich für das Leben entscheiden. Doch sicher ist nur, dass am Ende der Beratungen der berüchtigte Erlaubnisschein ausgestellt wird. Und dieses Problem ist auch zwei Jahrzehnte nach dem Ende der kirchlichen Konfliktberatung nicht aufzulösen: Das Risiko, dass die Kirche durch die Beratung das Falsche tut, ist ungleich größer als die Chance, das Richtige zu tun. Das ist zu wenig.

Und das wäre auch gewiss nicht im Sinne von Papst Franziskus, der immerhin ein großer Verfechter kirchlicher Risikobereitschaft ist. Er fordert zwar eine Kirche, die sich verbeulen lässt, aber kompromisslos bei ihren Werten bleibt. Zum Thema Abtreibungen ist die Haltung des Papstes besonders eindeutig. Just zum Ende des Heiligen Jahres der Barmherzigkeit sprach Franziskus von einem "grauenhaften Verbrechen". Und daran darf die Kirche nicht mitwirken – nicht einmal möglicherweise.

Von Kilian Martin
Bild: ©KNA

Nicht alle Eltern freuen sich auf ihr Kind.

Contra: Wer Leben retten will, muss sich die Hände schmutzig machen!

Zwanzig Jahre nach dem Ausstieg der katholischen Kirche aus dem staatlichen System der Schwangerenkonfliktberatung zeigt sich genau das, was die Befürworter eines Verbleibs befürchtet hatten: Schwangere, die mit sich ringen, ob sie ihr Kind behalten oder abtreiben sollen, kommen kaum noch in die kirchlichen Beratungsstellen. Junge Frauen fällen die Entscheidung über Leben und Tod ohne sie.

Das ist besorgniserregend. Die Kirche vertut damit ihre letzte Chance, ungeborene Kinder zu retten. 

Wäre es nicht an der Zeit, nochmals zu hinterfragen, ob die moralisch weiße Weste wirklich diese verlorenen Chancen für das Leben aufwiegt?

Gewiss, der Kirche kann heute niemand mehr vorwerfen, sie wirke durch die Ausstellung des Beratungsscheins an der Tötung von ungeborenen Kindern mit. Auch, dass sie nicht in allen Ländern dieselbe Position vertrete, wenn es um Abtreibung gehe, kann niemand mehr behaupten. Aber kann man damit wirklich zufrieden sein?

"Wer Menschen hilft, macht sich die Hände dreckig“, sagte der Limburger Bischof Franz Kamphaus, der sich der vatikanischen Anweisung jahrelang widersetzte. Das erinnert an Papst Franziskus, dem eine "verbeulte Kirche", die "verletzt und schmutzig" ist, lieber ist, als eine Kirche, "die wegen ihrer Verschlossenheit und Bequemlichkeit krankt und sich an eigenen Sicherheiten verklammert". Ob man daraus schließen darf, dass Franziskus in der Frage der Schwangerenkonfliktberatung eine andere Position vertreten würde als seine Vorgänger Johannes Paul II. und Benedikt XVI., ist nicht gesagt. Aber zumindest einer selbstkritischen Bilanz des Ausstiegs aus der Schwangerenkonfliktberatung sollte die Kirche nicht ausweichen. Das sind wir all jenen Kindern schuldig, die wir in den vergangenen Jahren nicht mehr retten konnten!

Von Thomas Jansen

Linktipp: Schwangerschaftskonfliktberatung: Als Rom Stopp sagte

Die Spendenaktionen der Kirchen rund um Silvester kommen nicht immer gut an. Insbesondere "Brot statt Böller" – also zu spenden statt Feuerwerkskörper zu verpulvern – steht in der Kritik: Ist die Aktion zu moralinsauer? Katholisch.de hat bei verschiedenen Hilfswerken nachgefragt.