Kritik vom Deutschen Ethikrat sei "grob unwahr"

AfD weist Kritik an Schwerbehinderten-Anfrage zurück

Veröffentlicht am 19.04.2018 um 12:40 Uhr – Lesedauer: 
Politik

Berlin ‐ Ethikrat und Kirchen hatten eine AfD-Anfrage zu Schwerbehinderten in Deutschland in der vergangenen Woche scharf kritisiert. Jetzt reagierte der religionspolitische Sprecher der Partei auf die Kritik.

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Der religionspolitische Sprecher der AfD, Volker Münz, hat die Anfrage seiner Fraktion zum Thema Schwerbehinderte in Deutschland gegen Kritik verteidigt. Die vom Vorsitzenden des Deutschen Ethikrats, Peter Dabrock, aufgestellten Behauptungen, wonach die AfD Behinderte als "gesellschaftliches Übel" betrachte und sich mit ihrer Anfrage rechtsextremistischen Gedankenguts bediene, seien grob unwahr, sagte Münz am Donnerstag der in Würzburg erscheinenden katholischen Wochenzeitung "Die Tagespost". "Die Absicht und die Formulierung der Anfrage geben das in keiner Weise her", so Münz. Mit keinem Wort werde Behinderung als ein gesellschaftliches Übel bezeichnet.

In der Anfrage hatte die AfD unter anderem gefragt: "Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Zahl der Behinderten seit 2012 entwickelt, insbesondere die durch Heirat innerhalb der Familie entstandenen?" In einer weiteren Frage wollte die Fraktion wissen, wie viele der in Deutschland lebenden Schwerbehinderten keine deutsche  Staatsbürgerschaft besitzen. Im Vorwort der Anfrage hieß es außerdem, dass Behinderungen unter anderem durch "Heiraten innerhalb der Familie" entstünden.

Dabrock: Anfrage bewusst an der Grenze rechtsextremistischen Vokabulars

Der Ethikrat-Vorsitzende Dabrock hatte sich in der vergangenen Woche empört über die Fragen geäußert. "Es ist erschütternd und völlig inakzeptabel, dass in einer Anfrage im Deutschen Bundestag erkennbar im Subtext vermittelt wird: Die Zunahme von Behinderung ist ein gesellschaftliches Übel", so der Erlanger Theologe. Die Autoren der Anfrage bewegten sich damit wieder "bewusst an der Grenze rechtsextremistischen Vokabulars. Jeder, der es will oder kann, soll darin Lebenswerturteile erkennen", fügte Dabrock hinzu.

Linktipp: Ethikrat-Chef erschüttert wegen AfD-Anfrage

Wie hat sich die Zahl der Menschen mit Behinderungen in Deutschland entwickelt? Und welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang Inzest oder Migration? Mit Fragen wie diesen sorgt die AfD für Empörung.

Auch die beiden großen Kirchen in Deutschland hatten Kritik geäußert. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, bezeichnete es als unerträglich, wie in dem Papier der Fraktion ein Zusammenhang zwischen Migration, Behinderung und Inzest geschaffen werde. "Es wird hier eine Atmosphäre geschaffen, die doch außerordentlich bedenklich ist. Dagegen müssen wir uns verwahren. Man sollte die Behinderten nicht gegeneinander ausspielen", so Marx am Rande der bundesweiten Eröffnungsfeier der ökumenischen "Woche für das Leben". Auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, kritisierte das Vorgehen der AfD: "Hinter solchen Anfragen stecken Haltungen, die an eine Zeit erinnern, die wir überwunden zu haben glauben. Es sind letztlich menschenverachtende Haltungen."

Antwort der Bundesregierung

In ihrer in der vergangenen Woche veröffentlichten Antwort auf die AfD-Anfrage teilte die Bundesregierung mit, dass die Zahl der schwerbehinderten Bundesbürger von 6,71 Millionen im Jahr 2001 auf 7,61 Millionen im Jahr 2015 angestiegen sei. Danach ist vor allem die Anzahl von älteren Menschen mit einer Schwerbehinderung stark gewachsen. Waren es im Jahr 2001 noch 3,4 Millionen, so lebten 2015 rund 4,2 Millionen Menschen über 65 Jahre mit einer solchen Behinderung in der Bundesrepublik.

Die Zahl der schwerbehinderten Kinder und Jugendlichen lag 2015 bei rund 174.000. Der Anteil der "angeborenen Behinderungen" ging zwischen 2011 und 2015 von 4,1 auf 3,8 Prozent zurück. "Die relative Bedeutung der angeborenen Behinderungen als Behinderungs-Ursache ist bereits seit längerem rückläufig", hieß es in der Antwort. Bei mehr als 94 Prozent der schwerbehinderten Menschen handele es sich um Deutsche. Die übrigen schwerbehinderten Menschen hätten einen Migrationshintergrund. (stz/KNA)