Alt-Bundespräsident Walter Scheel ist tot
Altbundespräsident Walter Scheel ist am Mittwoch im Alter von 97 in Bad Krozingen gestorben. Das teilte das Bundespräsidialamt in Berlin mit. Der am 8. Juli 1919 in Solingen geborene FDP-Politiker war von 1974 bis 1979 Bundespräsident. Anfang bis Mitte der 60er Jahre war er der erste Entwicklungsminister und von 1969 bis 1974 Außenminister und Vizekanzler.
Kirche würdigt Altbundespräsident Scheel
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, würdigte den verstorbenen Bundespräsidenten als lebensfrohen und visionären Politiker gewürdigt. "Sein liberaler Geist war ihm dabei Wegweisung. Ich denke vor allem an sein Amt als Bundesminister des Auswärtigen in der Ära von Bundeskanzler Willy Brandt", so der Münchner Erzbischof am Mittwoch in Bonn.
Die von Scheel eingeleitete Entspannungspolitik zum Osten sei entscheidend gewesen, um alte Gräben zu überwinden und ein dauerhaft friedvolles Europa aufzubauen. "In dieser Annäherung von Ost und West haben wir dem Verstorbenen viel zu verdanken. Das haben wir immer wieder in den Gesprächen mit unseren kirchlichen Schwestern und Brüdern im Osten erfahren." Marx erinnerte auch an die Reise Scheels als erster deutscher Außenminister nach Israel: "Hier wurden Brücken gebaut und Versöhnung ermöglicht." Als Bundespräsident sei es Scheel gelungen, über Parteigrenzen und ideologische Gräben hinweg zur Einheit des Landes beizutragen.
Bundespräsident Joachim Gauck würdigte seinen Amtsvorgänger als überzeugten Europäer. "Schon früh hat er die Bedeutung einer europäischen Integrationspolitik für unser Land erkannt. Mit seiner Ost- und Europapolitik hat er sich bleibende Verdienste für die Verständigung und Versöhnung auf unserem Kontinent erworben", erklärte Gauck. In der Zeit des RAF-Terrorismus habe sich Scheel zudem maßgeblich dafür eingesetzt, "dass Rechtsstaat und freiheitliche Demokratie nicht vor ihren Gegnern kapitulierten". Der Bundespräsident würdigte auch den Einsatz Scheels für die freiheitliche Bürgergesellschaft.
In seiner Amtszeit als Staatsoberhaupt setzte sich Scheel unter anderem für mehr soziale Mitwirkungsrechte der Bürger ein. Große Popularität erwarb er sich, als er 1973 das Volkslied "Hoch auf dem gelben Wagen" zugunsten von Aktion Sorgenkind aufnahm. Seine Zeit als Bundespräsident war auch durch das soziale Engagement seiner zweiten Frau Mildred geprägt, der Gründerin der Deutschen Krebshilfe. Für Schlagzeilen sorgte immer wieder die Frage einer NSDAP-Mitgliedschaft Scheels während der NS-Zeit.
Ein Vertreter des "sozialen Liberalismus"
Scheel war im vierten Kabinett von Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) erster Ressortchef des neu geschaffenen Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und behielt diese Amt auch unter Adenauers Nachfolger Ludwig Erhard. Nach der Bundestagswahl von 1969 war er maßgeblich an der Bildung der sozialliberalen Koalition beteiligt und wurde im Kabinett Brandt Außenminister. Mit Brandt leitete er die seinerzeit hart umstrittene Entspannungspolitik gegenüber dem Ostblock ein. Als erster Außenminister besuchte er 1970 Israel.
Als Landesvorsitzender der FDP in Nordrhein-Westfalen leitete er Mitte der 1950er Jahre mit den "Jungtürken" den Koalitionswechsel von den Christdemokraten zur Sozialdemokratie ein. 1968 wurde er Vorsitzender der FDP und gehört zu den Autoren der "Freiburger Thesen" von 1971, die eine Wende im Parteiprogramm hin zum "Sozialen Liberalismus" vollzogen. (luk/KNA)
24.08., 17:15 Uhr: Satz im vorletzten Absatz korrigiert
24.08., 17:50 Uhr: Würdigung durch Kardinal Marx hinzugefügt