Angst vor neuer Antisemitismus-Welle
Der Zentralrat der Juden in Deutschland warnt vor einer Zunahme von "arabisch-stämmigem Antisemitismus". Unter den Flüchtlingen seien viele mit einer "Israelfeindlichkeit aufgewachsen und übertragen ihre Ressentiments häufig auf Juden generell", sagte der Zentralratspräsident Josef Schuster kürzlich der Zeitung "Die Welt". In den jüdischen Gemeinden gebe es die Befürchtung, dass der "arabisch-stämmige Antisemitismus" in Deutschland zunehmen könnte.
Laut Bundeskriminalamt (BKA) wurden von Januar bis August 2015 bislang 462 antisemitische Straftaten gemeldet. Davon sind jedoch rund 96 Prozent dem Rechtsextremismus zuzuordnen. Im vergangenen Jahr waren es 489 antisemitische Straftaten. Wie viele der Übergriffe von arabischstämmigen Tätern begangen wurden, geht aus den Daten nicht hervor.
Antisemitismusforscher Benz: Vorbehalte gegenüber Flüchtlingen "höchst bedenklich"
Der Historiker und Antisemitismusforscher Wolfgang Benz bewertet die Vorbehalte der in Deutschland lebenden Juden trotz der politischen Lage im Nahen Osten als "höchst bedenklich". Man dürfe den Flüchtlingen nicht mit Vorurteilen begegnen. "Sie verlassen ja nicht ihr Land, um in Deutschland Hass gegen Juden zu säen." Deshalb warnt er davor, in jedem irakischen und syrischen Flüchtling einen "verdeckten Untergrundkämpfer" zu vermuten. Aus seiner Sicht sind in Deutschland vor allem Muslime bedroht: "Hass gegenüber dem Islam kommt auch aus der bürgerlichen Mitte - Antisemitismus ist dagegen schon lange nicht mehr gesellschaftsfähig", meint Benz.
Dennoch sieht auch er eine Gefahr, der der Staat Israel und auch Juden in Deutschland ausgesetzt seien. "Durch die Übergriffe auf Juden und die Drohungen der israelitischen Anrainerstaaten ist eine allgemeine Angst berechtigt", so Benz. Und auch Schuster verweist auf die antiisraelische Stimmung in arabischen Ländern: "Wenn man zwanzig oder dreißig Jahre lang mit einem israel- und judenfeindlichen Bild aufgewachsen ist, dann wird man dieses Bild nicht einfach an der deutschen Grenze aufgeben."
Die meisten der muslimischen Syrer sind Sunniten. Zu dieser Glaubensrichtung gehören auch die aus den Golfstaaten stammenden radikalen Strömungen der Salafisten und Wahhabiten. Vor allem bei deren Anhängern findet sich antisemitisches Gedankengut wieder.
Wie der Islamexperte der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), Thomas Volk, erklärt, werde dieses Gedankengut bereits in Schulen in Syrien, dem Iran und Saudi Arabien grundgelegt: "Israel taucht als ständiger Feind in den Schulbüchern auf." So werde den Schülern beispielsweise anhand von Karikaturen erklärt, dass überall auf der Welt Muslime unterdrückt würden. "Es wird nicht mehr zwischen der israelischen Politik und jüdischen Menschen unterschieden", so Volk. Diese Unterscheidung müsse wieder gelehrt werden und sei eine maßgebliche Aufgabe von Integration, um dem Antisemitismus zu begegnen.
Zentralrat sieht deutschen Staat am Zug
Zentralratspräsident Schuster sieht gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" den deutschen Staat am Zug. Er solle jedem Flüchtling beibringen, "dass in Deutschland das Grundgesetz die Lebensgrundlage aller Menschen ist und zu unserem Wertekanon die Ablehnung jeglicher Form von Antisemitismus sowie das Bekenntnis zum Existenzrecht Israels dazugehören."
Dennoch warnt er davor, generelle Abneigungen gegen Menschen zu schüren, die aus Gebieten kommen, wo es israelfeindliche Bilder gibt. Den Flüchtlingen müsse geholfen werden, und grundsätzlich begrüße es der Zentralrat, viele Flüchtlinge aufzunehmen, betonte Schuster. "Ohne die Flüchtlinge pauschal zu verdächtigen, gibt es in der jüdischen Gemeinschaft allerdings jetzt auch Sorgen."