Premierminister Turnbull fordert Entfernung von Philip Wilson

Australien verlangt: Papst soll Erzbischof entlassen

Veröffentlicht am 19.07.2018 um 11:50 Uhr – Lesedauer: 
Missbrauch

Canberra  ‐ Australiens Premierminister Malcolm Turnbull hat sich mit einer ungewöhnlichen Aufforderung an den Papst gewandt: Franziskus soll Erzbischof Philip Wilson aus seinem Amt entfernen. Denn der weigert sich zurückzutreten - trotz einer Verurteilung zu zwölf Monaten Haft.

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Australiens Premierminister Malcolm Turnbull hat Papst Franziskus aufgefordert, den Erzbischof der Millionen-Metropole Adelaide aus seinem Amt zu entfernen. Erzbischof Philip Wilson war Anfang Juli wegen der Vertuschung von Missbrauchsvorwürfen gegen einen anderen Geistlichen zu zwölf Monaten Haft verurteilt worden. Trotzdem lehnt der 67-Jährige einen Rücktritt ab. Turnbull sagte dazu am Donnerstag: "Er hätte von sich aus zurücktreten müssen. Jetzt ist es an der Zeit, dass der Papst ihn entlässt."

Eine solche Aufforderung an den Papst durch einen Politiker ist äußerst ungewöhnlich. Turnbull, der Vorsitzende von Australiens Liberaler Partei, gehört selbst der römisch-katholischen Kirche an. Der Fall Wilson macht in Australien und darüber hinaus schon länger Schlagzeilen. Der Bischof wurde für schuldig befunden, den Missbrauch von zwei Messdienern durch einen Priester in den 1970er Jahren vertuscht zu haben.

Der Erzbischof hatte damals unter Eid ausgesagt, dass er niemals von den ehemaligen Messdienern über sexuellen Missbrauch durch einen Priester informiert worden sei. Die fragliche Aussagen seien in ihren Einzelheiten so "grausam" gewesen, dass er sie sicher nicht vergessen hätte. Er bezweifle daher, dass ein Gespräch jemals stattgefunden habe. Das Gericht schenkte ihm aber keinen Glauben. Darüber hinaus soll Wilson einen der missbrauchten Messdiener angewiesen haben, als Sühne für seine "Lügen" zehn Ave Maria zu beten.

So verlief der Fall Philip Wilson

Wilson hatte nach dem Schuldspruch im Mai verkündet, sein Amt vorerst ruhen zu lassen. Zu einem Rücktritt wollte er sich dagegen nur bereit zeigen, wenn dies zu einem späteren Zeitpunkt "notwendig" werde oder ihm "angemessen" erscheine. Im Juni setzte der Papst daher einen Apostolischen Administrator ein, um "für Stabilität für die Menschen der Erzdiözese in dieser schwierigen Zeit zu sorgen". Nominell blieb Wilson allerdings im Amt. Im Juli wurde schließlich das Strafmaß verkündet: zwölf Monate haft. Aktuell ist der Erzbischof aber weiterhin auf freiem Fuß. Möglicherweise wird die Strafe in Hausarrest umgewandelt. Darüber will das Gericht Mitte August entscheiden. grund dafür ist der schlechte Gesundheitszustand von Wilson, der an Alzheimer im Frühstadium leidet. Gegen das Urteil hat er Berufung eingelegt.

Wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern steht Australiens katholische Kirche seit Jahren in der Kritik. Dem Bericht einer offiziellen Untersuchungskommission zufolge wurden zwischen 1960 und 2015 Zehntausende Kinder in kirchlichen und anderen Institutionen missbraucht. Inzwischen hat sich die Kirche bereit erklärt, sich an Finanzhilfen für Opfer zu beteiligen. Auch der Papstvertraute und Kurienkardinal George Pell muss sich aktuell in Australien vor Gericht verantworten. Ihm wird vorgeworfen, sich selbst in seiner Zeit als Priester an Jugendlichen vergangen zu haben. (bod/dpa)