Caritas beklagt Zuspitzung der humanitären Situation in Syrien

"Ausweglose Lage"

Veröffentlicht am 01.07.2015 um 14:50 Uhr – Von Anna Mertens (KNA) – Lesedauer: 
Bild: © KNA
Syrien

Berlin ‐ Das Hilfswerk Caritas international hat seinen Jahresbericht vorgestellt. Was nach einem bürokratischen Akt klingt, wurde stattdessen zu einer deutlichen Mahnung: Die vom Krieg geplagten Menschen in Syrien und Umgebung brauchen mehr Hilfe.

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"Wir haben uns gefragt, ob diese ungewöhnliche Fokussierung auf ein und dieselbe humanitäre Krise in so kurzer Zeit gerechtfertigt ist", erzählte Neher. Die dramatische Lage in Syrien und in den Nachbarländern habe den Ausschlag gegeben: 2014 sei das blutigste Jahr seit Ausbruch des Konflikts gewesen. Nie zuvor habe das Hilfswerk in der Region "ein solches Ausmaß an Gewalt und Not erlebt wie in diesen Monaten", sagte Neher. Von den mehr als 12 Millionen hilfebedürftigen Syrern könnten 4,8 Millionen kaum von Hilfswerken erreicht werden.

Trotz dieser Verschlechterung habe die Aufmerksamkeit für den Konflikt deutlich nachgelassen. Es fehlten "politisch-diplomatische Initiativen zur Befriedung", beklagte Neher. Auch Journalisten seien kaum mehr im Land. Es sei ihnen kaum zumutbar, sich der Gefahr auszusetzen, doch zugleich fehle es in den Nachrichten an neuen Bildern aus der Region. Dadurch entstehe der Eindruck "es gebe nichts Neues zum Konflikt zu sagen". "Dieser Eindruck ist völlig falsch", mahnte der Caritas-Präsident.

Ausweglose Lage der Flüchtlinge

Eine weitere dramatische Entwicklung ist aus Sicht des Hilfswerks die sinkende Aufnahmebereitschaft der syrischen Nachbarländer. Der Libanon habe in diesem Jahr die Einreisebestimmungen drastisch verschärft. Syrer würden nur noch ins Land gelassen, wenn sie vermögend seien oder es medizinisch zwingend notwendig sei. Auch in Jordanien und der Türkei gebe es striktere Einreisebestimmungen, viele Flüchtlinge würden an der Grenze abgewiesen. "Die Lage der syrischen Flüchtlinge ist somit wörtlich ausweglos", beklagte Neher. Zugleich würdigte der Caritas-Präsident die hohe Aufnahmebereitschaft der Anrainerstaaten in den vergangenen Jahren. Es falle ihm daher schwer, die Nachbarländer zu kritisieren.

Prälat Peter Neher gestikuliert mit seiner Hand.
Bild: ©KNA

2014 sei das blutigste Jahr seit Ausbruch des Syrienkonflikts gewesen, berichtet Prälat Peter Neher auf der Pressekonferenz zur Vorstellung des Jahresberichts von Caritas international. Neher ist Präsident des Deutschen Caritasverbands.

Umso mehr brauche es eine europäische Initiative und ein erweitertes Aufnahmeprogramm für syrische Flüchtlinge in Europa. "Es macht mich sehr traurig und auch fast wütend, dass es nicht möglich ist, im europäischen Kontext eine geeignete Lösung zu finden", sagte Neher. Deutschland habe viele Flüchtlinge aufgenommen und könne nicht allein verantwortlich sein. "Hätten die anderen europäischen Ländern analog gehandelt, würde die Situation anders aussehen", betonte er.

30,4 Millionen Euro private Spenden

Zugleich forderte er auch die Bundesrepublik auf, sich weiter für die Flüchtlinge der Syrien-Krise zu engagieren - auch finanziell. Ende 2014 seien von der internationalen Gemeinschaft nur 54 Prozent der benötigten Hilfsmittel für die Versorgung von Flüchtlingen außerhalb Syriens bereitgestellt worden. Das Welternährungsprogramm meldete am Mittwoch am Folge eine weitere Einschränkung seiner Hilfe. Zugleich forderte Neher die deutsche Regierung auf, den Familiennachzug zu erleichtern. Die Verwandten in Deutschland bräuchten finanzielle Hilfe bei der Aufnahme ihrer syrischen Angehörigen.

Erfreulich sei die hohe Spendenbereitschaft für die syrischen und irakischen Flüchtlinge. Von den privaten Spenden in Höhe von 30,4 Millionen Euro seien allein 10,9 Millionen Euro für die Unterstützung der syrischen und irakischen Flüchtlinge eingegangen. Kirchliche Institutionen hätten rund 3,6 Millionen Euro für die Konflikte in Syrien und dem Irak gespendet. Der Leiter von Caritas international, Oliver Müller, berichtete, dass sich seit dem Einmarsch der Terrorgruppe "Islamischer Staat" (IS) die Spendenbereitschaft verstärkt habe. Die Dramatik der Lage sei durch die Gräueltaten der Terroristen mehr Menschen bewusst geworden.

Von Anna Mertens (KNA)