Katholische Jugendliche in Nigeria zwischen Angst und Hoffnung

Beten für Einsicht

Veröffentlicht am 24.06.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Nach Kämpfen mit Boko Haram läuft ein nigerianischer Junge an einem ausgebrannten Auto in Maiduguri vorbei.
Bild: © dpa/Str
Nigeria

Bonn ‐ Im Nordosten Nigerias herrscht der Ausnahmezustand. Seit über zwei Monaten sind mehr als 200 christliche Schülerinnen in der Gewalt der islamistischen Terrorgruppe "Boko Haram", die ihren Ursprung in Maiduguri hat. Die Christen dort leben in Angst, haben aber die Hoffnung nicht aufgegeben, sagt der Diözesanvorsitzende des örtlichen katholischen Jugendverbandes "Christian Youth Organization Nigeria" (CYON), John Michael Essien.

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Essien lebt in Maiduguri, der Hauptstadt des Bundesstaates Borno und Sitz der katholischen Diözese, keine 200 Kilometer von der Schule entfernt, aus der die Mädchen entführt wurden. Die Situation beschreibt er mit deutlichen Worten: "So viele Menschen wurden getötet. Kirchen, Schulen, Straßen, Häuser: Alles zerstört und verbrannt. Wir alle leben in ständiger Angst." Immer mehr Menschen flüchten aus dem Unruhegebiet, die wirtschaftliche Lage ist schlecht, auch viele der Kleinunternehmer der Stadt sind geflohen.

Denen, die geblieben sind, bleiben die Kunden aus. Und nur selten einmal kämen Warenlieferungen aus dem Rest des Landes bei den Händlern an, berichtet Essien. Im Mai 2013 hat die Regierung den Ausnahmezustand ausgerufen, seither ist viel Militär in der Stadt. Die aufständischen Islamisten konnten aus der Hauptstadt zurückgedrängt werden, aber sie sammeln sich in den Wäldern der umliegenden Provinz.

Jugendliche haben sich gegenseitig getröstet und ermutigt

Auch an der Kirche gehen die Konflikte nicht vorbei. Gläubige bleiben aus Angst den Gottesdiensten fern. "Besonders die Jugendarbeit ist betroffen", sagt Essien. Er ist Vorsitzender der christlichen Jugendorganisation in Maiduguri, der flächenmäßig größten Diözese Nigerias. Die Aktivitäten sind hier zum Erliegen gekommen. Früher habe es viermal im Jahr zu große bistumsweite Jugendtreffen gegeben, dazwischen viele kleinere Aktionen und Feste, so der 29-Jährige. Seit Beginn der Aufstände kommen die Jugendlichen fast nicht mehr zusammen. Eine Konferenz habe es gegeben und ein Gebetstreffen, bei dem sich die Jugendlichen gegenseitig ermutigt und getröstet hätten, erzählt Essien von den Aktivitäten der CYON.

Bild: ©Privat

John Michael Essien ist Diözesanvorsitzender des örtlichen katholischen Jugendverbandes "Christian Youth Organization Nigeria" (CYON).

Viele Straßen sind mittlerweile gesperrt, einige Gebiete zu gefährlich, um durchzureisen. Die ohnehin weiten Wege werden für die Jugendlichen dadurch unüberbrückbar. Jugendarbeit findet nur noch auf lokaler Ebene, in den Pfarreien und Dekanaten statt. Dabei ist es den Jugendlichen wichtig, nicht selbst gewalttätig zu werden: "Wir sind eine friedliche Gruppe", sagt Essien, "wir sind gläubig und achten die Würde des menschlichen Lebens." Deswegen wollen sich die christlichen Jugendliche nicht an den Kämpfen beteiligen und greifen nicht zu den Waffen: "Wir denken nicht an Rache, auch wenn Boko Haram viele unserer Mitglieder und Freunde getötet hat."

Stattdessen helfen die Mitglieder des Jugendverbandes mit, die Zerstörungen zu beseitigen und setzen sich für den Frieden ein. Besonders wichtig ist für sie, um Frieden und Einsicht bei den Terroristen zu beten. Mit der gesamten Ortskirche sprechen sie regelmäßig ein Friedensgebet, das Bischof Oliver Dashe Doeme für alle Gottesdienste angeordnet hat.

Gebet zeugt von Gottvertrauen der Christen in Nigerria

Das Gebet ist ein beeindruckendes Zeugnis von Gottvertrauen und Hoffnung auf Frieden zwischen den Religionen. "Wir preisen Dich und danken Dir für das Geschenk unserer Diözese Maiduguri, die in einer weltoffenen Gesellschaft war und ist, in der viele Kulturen, Völker und Religionen zusammenkommen. Dein Geschenk der Toleranz, der Mäßigung, der Annäherung und Liebe füreinander waren die Eigenschaften, die uns als Volk und Gesellschaft groß machten", heißt es in dem Gebet.

Bild: ©Privat

Die Mitglieder des nigerianischen Jugendverbandes helfen mit, die Zerstörungen im Land zu beseitigen und setzen sich für den Frieden ein.

Essien arbeitet für die Justitita-et-Pax -Kommission der Diözese, die sich seit langem für einen Dialog mit den Muslimen einsetzt. "Unsere Arbeit trägt gute Früchte. Gemeinsam mit Muslimen und anderen Menschen guten Willens bauen wir in ländlichen Gemeinden Brunnen, wir treffen uns in interreligiösen Friedensgruppen, und wir reden mit den lokalen Stammesführern, um sie für den Frieden zu gewinnen." Auch der Jugendverband CYON baut gerade eine Kooperation mit dem muslimischen Jugendverband auf.

Noch ist ein Ende der Gewalt in Nigeria nicht in Sicht. Immer noch sind die entführten Schülerinnen nicht bei ihren Eltern zurück, weiterhin herrscht Angst in der Diözese Maiduguri, wo John Michael Essien mit den Jugendlichen der CYON betet und kleine Schritte hin zum Frieden tut. Mit der ganzen nigerianischen Kirche beten sie: "Schütze die Mädchen vor allen Gefahren, mache ihre Eltern stark, die zu Dir schauen voll Hoffnung auf ein gutes Ende."

Von Felix Neumann

Boko Haram

Die Terrorgruppe Boko Haram führt im Norden Nigerias seit Jahren einen Krieg für einen islamischen Staat. Boko Haram heißt so viel wie: "Westliche Bildung ist verboten". Bei Angriffen und Anschlägen auf Schulen, Kirchen, Geschäfte und Polizeistationen wurden mehrere tausend Menschen getötet. Für weltweites Entsetzen sorgte vor zwei Monaten die Entführung von über 200 Schülerinnen. Die Boko Haram kündigte an, die Mädchen versklaven zu wollen. Bis heute konnten sie nicht befreit werden. Die nigerianischen Sicherheitsbehörden haben das Terrorismus-Problem bislang nicht in den Griff bekommen. Für drei nordöstliche Bundesstaaten gilt seit mehr als einem Jahr der Ausnahmezustand. (dpa)