Bischöfe rufen zu Solidarität auf
Um die Herausforderungen von Klimawandel, Globalisierung und Flüchtlingskrise zu meistern, braucht Europa nach den Worten des Mainzer Kardinals Karl Lehmann eine Rückbesinnung auf gemeinsame Werte und geistige Grundlagen. Die Europäische Union sei derzeit tief zerrissen, die Einzelstaaten verfolgten häufig nur ökonomische Eigeninteressen, kritisierte Lehmann im Jahresschlussgottesdienst im Mainzer Dom. "Jetzt zeigt sich, dass man weitgehend von solchen egoistischen Interessen ausgegangen ist, weniger von dem, was uns von der gemeinsamen Geschichte und dem geistigen Erbe sowie den ethisch-religiösen Werten trägt." Eindringlich erinnerte der Kardinal an die sich abzeichnenden Folgen des Klimawandels. Wie Papst Franziskus zuletzt in seiner Umweltenzyklika rief der Mainzer Bischof zu einem einfachen Lebensstil auf.
Auch Münsters Bischof Felix Genn forderte die Menschen zum Umdenken in Sachen Klima- und Umweltschutz auf. Für eine weltweite ökologische Umkehr genügten weder ein internationaler Klimagipfel noch politische Vereinbarungen, sagte er am Donnerstagmorgen in Sankt Lamberti in Münster. Vielmehr müsse die gesamte Bevölkerung sie mittragen. "Es bedarf einer Umkehr im Bewusstsein und in der Bereitschaft, diese Umkehr konkret zu leben", so Genn. Diese "ökologische Umkehr" fehle noch vielen Christen. Dabei gehöre die "Berufung, Beschützer des Werkes Gottes" zu sein, zu einem tugendhaften Leben. Die Politik fordert Genn auf, über einen Exportstopp von Waffen in Krisengebiete nachzudenken. Das möge schlicht klingen, gestand der Bischof. Jedoch fordere auch der Papst Genügsamkeit und Demut. Der Begriff Umkehr sei dann nicht bloß ein veraltetes Wort, sondern erhalte "Aktualität und Konkretion im einfachen Alltag unseres täglichen Miteinanders".
„Wer auf Jesus zugeht, kommt bei den Menschen an.“
Der Trierer Bischof Stephan Ackermann hat in seiner Silvesterpredigt zum Dialog der Kulturen und Religionen ermutigt. In der globalisierten Welt könne mehr Gemeinschaft nur im gegenseitigen Respekt der Völker "auch in ihrer Unterschiedlichkeit" erreicht werden, sagte Ackermann am Donnerstagabend im Trierer Dom. Die deutsche Gesellschaft - aber auch die katholische Kirche - müssten lernen, dass Einheit nicht Uniformität bedeute und Verschiedenheit nicht bedrohlich sei, sondern bereichernd wirke. Trotz Griechenlandkrise, Syrienkrieg und Flüchtlingsströmen habe es 2015 auch Zeichen der Hoffnung gegeben, betonte der Bischof. Er nannte beispielhaft die "großartige Hilfsbereitschaft" für Flüchtlinge. Auf globaler Ebene mache das Klimaabkommen der Vereinten Nationen Mut. Zugleich lud Ackermann dazu ein, das Leben neu am christlichen Glauben auszurichten: "Wer auf Jesus zugeht, kommt bei den Menschen an."
Barmherzigkeit muss gelebt werden
Mit Vertrauen, Mut und Entschlossenheit könne die Beheimatung der Flüchtlinge in Deutschland gelingen, sagte der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode in seiner Predigt. "Ich möchte dazu ermutigen, sich auf die neue Vielfalt, die uns begegnet, einzulassen", sagte Bode. Zugleich sei es nötig, wachsam zu sein, Vorurteile und Radikalismus zu überwinden und jeder Form von Hass und Gewalt entgegenzutreten. Mit Blick auf das Heilige Jahr rief der Bischof dazu auf, Barmherzigkeit als christliche Grundhaltung im Alltag zu leben: "Es wäre ein Ausdruck der Barmherzigkeit, diese Welt und alle Menschen mit dem Blick Gottes, des Schöpfers, anzuschauen."
Auch der Würzburger Bischof Friedhelm Hofmann rief in seiner Silvester-Predigt zu gelebter Barmherzigkeit auf: "Nicht nur in diesem außerordentlichen Heiligen Jahr, sondern ein Leben lang soll Gottes Erbarmen in unserem Leben erfahrbar werden." Barmerzig zu sein, sei für uns Christen eine bleibende Aufgabe". Eine wachsende Herausforderung stelle die Integration von Flüchtlingen dar. Der Bischof nehme eine große Hilfsbereitschaft unter den Menschen wahr: "Deshalb soll auch hier und jetzt ein herzliches Danke all denen gesagt werden, die sich in der Asylarbeit, in den Flüchtlingsinitiativen und in Freundeskreisen um die hier angekommenen Menschen kümmern."
Der Diözesanadministrator des Bistums Aachen, Weihbischof Karl Borsch, lobte in seiner Predigt die Hilfsbereitschaft der Menschen angesichts der Flüchtlingskrise. "Es ist großartig zu beobachten und es macht froh zu sehen, wie groß die Hilfsbereitschaft der Deutschen ist, wie viele Menschen sich engagieren". Weiter sagte Bosch: "Wir können stolz sein auf unser Land!" Diese Hilfsbereitschaft habe seine Wurzel im christlichen Glauben und sei "eine christliche Erfindung". Dabei erinnerte er an die Aufforderung Jesu, wie der barmherzige Samariter zu handeln und nicht am Elend der Menschen vorüber zu gehen: "Christen fragen nicht nach Herkunft und Sprache, nach Kultur und Religion, nach Hautfarbe und Geschlecht. Christen helfen, wo Menschen in Not sind".
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Ob Naturkatastrophen, Armut oder Terror: Täglich verlassen Menschen ihre Heimat, um anderswo ein neues, ein besseres Leben zu beginnen. Die Flüchtlinge kommen auch nach Deutschland. Das bedeutet eine große Herausforderung für Politik, Gesellschaft und Kirche.Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki verurteilte Gewalt im Namen von Religionen als "perfide Strategie". Terroristen verkehrten den Inhalt ihres Glaubens ins Gegenteil, sagte er. Kritik übte Woelki auch an Fremdenfeindlichkeit. Nach dem 25. Jahrestag der Wiedervereinigung müssten wieder Mauern überwunden werden - "in den Herzen und Köpfen so vieler Menschen in unserem Land". Diese Mauern hießen heute "Obergrenze", "sichere Herkunftsstaaten" oder "Abschottung".
Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße rief dazu auf, die Integration der Flüchtlinge "mit der Kraft des Verstandes, aber noch mehr mit der Kraft des Herzens" zu unterstützen. Notwendig sei ein Austausch auf Augenhöhe, betonte Heße, der seit September Sonderbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für Flüchtlingsfragen ist.
Der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker erinnerte an das Bibelwort "Lasst uns hinübergehen nach Bethlehem", das aktuell eine klare Aufforderung sei. Es stehe den Glaubenden gut an, stärker auf die ankommenden Flüchtlinge zuzugehen, erklärte er.
In Limburg predigte Weihbischof Thomas Löhr an Silvester über die Bedeutung der Geschichte. "Die Geschichte ist der Ort der Auseinandersetzung zwischen Gut und Böse, zwischen Missbrauch der Macht und Leiden der Ohnmächtigen, zwischen Freiheit der Liebe und Sklaverei der Sünde", sagte er im Frankfurter Dom. Besonders bewege ihn das Leid der Christen im Nahen und Mittleren Osten. Die 2.000-jährige Geschichte des Christentums an den Orten, an denen Jesus selbst lebte, dürfe nicht einfach durch Gewalt und Vertreibung beendet werden. Zugleich warnte Löhr davor, dem Islam pauschal die Schuld an dieser modernen Christenverfolgung zu geben: "Nicht alle Muslime sind radikal, aber an allzu vielen Orten haben Christen erleben müssen, dass nach Jahrhunderten des Miteinanders Nachbarn über Nacht zu Feinden wurden".
„Wer mit Jesus geht, der wächst in das Vertrauen hinein: Mir kann nichts mehr passieren.“
Die Sorge für Flüchtlinge wird nach Überzeugung des Rottenburger Bischofs Gebhard Fürst auch im kommenden Jahr das Handeln der Kirche prägen. In seiner Predigt erinnerte er daran, dass gerade die unbegleiteten Jugendlichen unter den Flüchtlingen besonders intensiv betreut werden müssten. Sie würden vielfach unter seelischen Verletzungen leiden und hätten keinen Schutz durch ihre Familien. Fürst kündigte an, die Arbeit der Diözese in diesem Bereich noch ausbauen zu wollen. Es sei den Christen aufgetragen, Frieden zu stiften und Barmherzigkeit zu üben. Mit der Hilfe für junge Geflüchtete würden sie somit dem Vorbild Christi folgen, erklärte Fürst: "Diese jungen Menschen sollen erfahren dürfen, wie im Engagement von Christen Gottes Liebe und Barmherzigkeit spürbar wird."
Bischöfe: Christen dürfen hoffen
Der Passauer Bischof Stefan Oster erinnerte in seiner Silvesterpredigt daran, dass trotz einer von Flüchtlingskrisen, Terror und Krieg, Krankheiten und Naturkatastrophen geprägten Gegenwart Grund zur Hoffnung bestehe: "Viele Hoffnungszeiten für mich und viele andere: Wir erleben die Sehnsucht vieler Menschen nach Glauben, nach Halt, nach Sinn." Zudem begegneten ihm immer wieder Menschen, die zum Glauben zurückfänden. Das sei auch eine Herausforderung für die Kirche. Zugleich gab Oster den Gläubigen die Worte mit auf den Weg: "Wer mit Jesus geht, der wächst in das Vertrauen hinein: Mir kann nichts mehr passieren." Diese innere Sicherheit, das innere Getragensein relativiere das Streben nach äußerer Sicherheit.
Nicht Angst, sondern Hoffnung ist nach den Worten des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, die Botschaft des Jahreswechsels. Viele Sorgen seien zwar berechtigt, sagte der Erzbischof von München und Freising in seiner Silvesterpredigt im überfüllten Münchner Liebfrauendom; "aber unsere Hoffnung ist größer". Gerade die Christen hätten in dieser "turbulenten Zeit" besondere Verantwortung, weil sie neue Hoffnung in die Gesellschaft tragen könnten. Marx lud dazu ein, "in diesen unruhigen Zeiten den Blick neu auf das Zentrum des Glaubens zu richten, uns neu zu vergewissern, was wir einzubringen haben in diese Gesellschaft und Kultur".
Auch der Freiburger Erzbischof Stephan Burger ermunterte trotz Krisen zu Gottvertrauen. Zwar seien auch für 2016 wieder "dunkle Stunden, Enttäuschungen und Sorgen" zu erwarten. Christlicher Glaube sei es jedoch, dass Gott helfe, alle Ängste zu überwinden. "Mit dieser Aussage dürfen wir ins neue Jahr gehen", so Burger.
Linktipp: Blüte des Christentums
Am ersten Tag des Jahres feiert die Kirche das Hochfest der Gottesmutter Maria. Die allerseligste Jungfrau, wie sie auch genannt wird, nimmt in der Bibel und in der gesamten Heilsgeschichte eine besondere Stellung ein und wird daher besonders verehrt.Der Bischof von Speyer, Karl-Heinz Wiesemann, rief in seiner Silvester-Predigt zum Vertrauen auf die Gottesmutter Maria auf. Mit Blick auf wichtige Ereignisse des vergangenen Jahres wolle er "all das, was uns am Ende dieses Jahres bewegt, der Gottesmutter Maria anvertrauen". Die Patronin des Speyerer Doms sei selbst keine Frau der großen Worte gewesen, sondern habe Gottes Wort Raum gegeben. "Maria führt uns zum ewigen Schoß des Vaters", führte Wiesemann aus. Die Predigt schloss mit einer Anrufung der Gottesmutter.
Schick kritisiert Gender-Theorie
Bambergs Erzbischof Ludwig Schick kritisierte einen zu geringen Stellenwert der Familie in der deutschen Gesellschaft. In seiner Silvesterpredigt rief er die Politik auf, Familien gesetzlich besser zu berücksichtigen. Gemäß dem Grundgesetz stehe die Familie unter dem besonderen Schutz des Staates, dem müsse die Politik auch heute entsprechen. "Denn ohne Familie ist kein Staat zu machen", so der Erzbischof. Respekt, Achtung, Solidarität, Einsatz im Beruf und Ehrenamt würden dort gelernt, genauso wie die Fundamente des Glaubens: "Die Eltern sind die ersten Seelsorger ihrer Kinder." Zudem warnte der Erzbischof vor sogenannten Gender-Theorien, die die Unterschiede zwischen Mann und Frau aufheben wollten: "Wir wollen die Gleichberechtigung der Geschlechter, aber nicht die Gleichheit der Geschlechter." Wer letzteres propagiere, leugne den Schöpfungsplan Gottes.
Der Augsburger Bischof Konrad Zdarsa nahm in seiner Predigt den Stellenwert von Glaube und Kirche in der Gesellschaft in den Blick. Er halte nichts davon, sich "mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln krampfhaft" gegen Trends wie sinkende Gottesdienstbesuche oder Kirchenaustritte zu wehren. "Es muss vielmehr für uns gelten, unseren Glauben noch überzeugender und treuer zu leben", sagte Zdarsa. Dazu könne das Heilige Jahr der Barmherzigkeit beitragen. Zudem wies der Bischof den Vorwurf zurück, die Kirche könne heute nicht mehr begeistern. Als positive Beispiele nannte er die Weltjugendtage, die Taizetreffen sowie Aktionen wie Nightfever oder das Prayerfestival.
Auch der Fuldaer Bischof Heinz Josef Algermissen kritisierte, dass die Religion in Deutschland immer mehr aus der Öffentlichkeit verdrängt werde. Offenkundig sei dies bei der Friedenspreis-Rede Navid Kermanis im Oktober in der Frankfurter Paulskirche geworden: Als dieser am Ende seiner "scharfsinnigen Analyse über die kulturprägende Kraft der Religion" statt um Applaus um Gebete für von islamistischen Terroristen verfolgte Christen in Syrien gebeten habe, habe sich "die versammelte ehrenwerte Gesellschaft" höchst irritiert gezeigt und nur zögerlich von den Plätzen erhoben, so Algermissen. "Wo selbst Christen es nicht mehr wagen, öffentlich und offensiv ihre Solidarität mit den bedrängten Glaubensgeschwistern im Orient zu bekunden, hat Kermani als Muslim genau das gewagt." Algermissen mahnte, eine Gesellschaft ohne Gott gleiche einer hohlen Fassade ohne Kern. Der Schritt von einer geistlich entkernten Gesellschaft hin zum "gewissenlosen Menschen" ohne innere Verpflichtung sei dann nicht mehr weit.
Auch der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck sieht die Gesellschaft in grundlegenden Veränderungsprozessen. "Die Welt gerät aus den Fugen", sagte er am Freitagabend in seiner Neujahrspredigt im Essener Dom. "Die Ordnungen der Gesellschaft vor Ort wie auch in Deutschland, Europa und der Welt finden sich neu", stellte er angesichts der Flüchtlingssituation fest. Auch in der Kirche lösten sich feste Gefüge auf. Die Kirche in Deutschland sei zwar ziemlich wohlhabend, "aber weitgehend spirituell trocken". Gleichzeitig entstehe "in allen Zusammenhängen von Welt und Kirche Neues"; die soziale Seite gewinne an Bedeutung. "Globalisierung müssen wir heute neu sozial zu denken und zu gestalten lernen", forderte der Ruhrbischof. (kim/gho/KNA)
01.01.2016, 10 Uhr: Ergänzt um die Predigt von Kardinal Marx; 01.01.2016, 12:30 Uhr: Ergänzt um die Predigten von Bischof Zdarsa, Bischof Wiesemann und Weihbischof Löhr; 01.01.2016, 15 Uhr: Ergänzt um die Predigt von Bischof Algermissen: 02.01.2016, 14 Uhr: Ergänzt um die Predigt von Bischof Overbeck