Der zweifelhaft-verzweifelte Plan der Regensburger Dombesetzer

Bloß kein Präzedenzfall

Veröffentlicht am 06.07.2016 um 16:55 Uhr – Von Christian Wölfel (KNA) – Lesedauer: 
Bistum Regensburg

Regensburg ‐ Seit Dienstag ist der Regensburger Dom Flüchtlingsunterkunft auf Zeit. Abgelehnte Balkan-Asylbewerber wollen über die Besetzung ein Bleiberecht erzwingen - und bringen die Kirche damit in ein Dilemma.

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Die Flüchtlinge stammen vom Balkan, aus Kosovo und Albanien. Deren Sprecher Isen Asanovski keilt zurück, erinnert an die Verfolgung von Sinti und Roma in der NS-Zeit. Außerdem habe Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Willkommenskultur ausgerufen.

Die rund 40 Besetzer des Doms wollen sich an diesem Mittwochmorgen erklären und begründen, weshalb sie ein pauschales Bleiberecht in Deutschland beanspruchen. Menschen berichten von Schicksalen, erzählen von ihren an Epilepsie erkrankten Kindern. Eine junge Frau, Albona aus Kosovo, sagt, sie habe Krebs. 13 Jahre lang sei sie in Deutschland zur Schule gegangen. Nach einer Abschiebung ist sie nun wieder da. Asanovski spricht über die Lage in den Rückführungszentren in Bayern, vergleicht sie mit Konzentrationslagern.

Zwischen zwei Monaten und zwei Jahren in Deutschland

Die meisten Dombesetzer seien zwischen zwei Monaten und zwei Jahren in Deutschland. Ihnen allen drohe die Abschiebung. Sie kämen aus dem Rückführungszentrum in Ingolstadt. Ein Teil habe auch in Regensburg gewohnt, sagt Asanovski. Darunter sollen auch Roma sein. Der Sprecher ist von der Initiative "Romano Jekipe Ano" aus Hamburg. Sie hat schon Erfahrung in solchen Aktionen. Im Mai besetzten Flüchtlinge das Denkmal für die ermordeten Sinti und Roma in Berlin, im September 2015 den Hamburger Michel. Erst im Juni dieses Jahres war dort die Situation endgültig geklärt.

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In Regensburg berufen sich die Flüchtlinge nun auf die Praxis des Kirchenasyls - eine Form der Inobhutnahme, die in der Regel nur in Einzelfällen praktiziert wird. Im Moment sind es mehrheitlich Bürgerkriegsflüchtlinge wie Afghanen oder Jesiden, die in einem anderen europäischen Land registriert wurden und nach der sogenannten Dublin-Verordnung dorthin abgeschoben werden müssten.

Es geht dabei meist um einzelne Flüchtlinge, die in Ländern wie etwa Bulgarien oder Ungarn Menschenrechtsorganisationen zufolge kein faires Verfahren bekämen oder auf der Straße leben müssten wie teils in Italien. Die Kirchen reichen solche Härtefälle ans Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) weiter. Dort wird dann entschieden. So haben es beide als Kompromiss zum Kirchenasyl vereinbart, denn diese Praxis ist juristisch nicht unumstritten.

Kirchenasyl kein politisches Kampfinstrument

Der damit verbundene spezielle Schutz soll nicht als politisches Kampfinstrument missbraucht werden. Im Fall von Regensburg wäre das aber so, schätzen Kirchenasyl-Experten die Lage ein. Denn es geht nicht um die Chance auf ein Asylverfahren in Deutschland, sondern um ein pauschales Bleiberecht für Menschen aus sogenannten sicheren Herkunftsländern, deren Schutzgesuche fast immer abgelehnt werden.

Linktipp: Balkan-Flüchtlinge besetzen Regensburger Dom

Mit einer Besetzung des Regensburger Doms wollen etwa 30 bis 40 Flüchtlinge aus Ländern des Balkan ihre Abschiebung verhindern. Das Bistum Regensburg sorgt unterdessen für humanitäre Hilfe.

Deshalb ist die Dombesetzung heikel. Letztlich ist die Forderung der Flüchtlinge nicht erfüllbar. Schon in der ersten Stellungnahme hatte das Bistum Regensburg das indirekt betont, indem es auf die politischen Entscheidungen verwies. Und sie stellte weiter klar: Auch wenn es derzeit keinen Polizeieinsatz im Dom geben soll, das Instrument des Kirchenasyls greift im konkreten Fall nicht.

Außerdem besteht bei Kirchenvertretern die Sorge, die Aktion könne in anderen Gotteshäusern Schule machen, sollten die Flüchtlinge Erfolg damit haben. Man wäre erpressbar. Wohl deshalb werden nun Asylsozialberater der Caritas sich der Menschen in Regensburg annehmen und gegebenenfalls auch Einzelfälle prüfen. Denn dass darunter einzelne Härtefälle sind, mag niemand ausschließen. In Hamburg konnten vier Familien zunächst in Deutschland bleiben. Aber eine generelle Lösung für alle kann sich im Moment keiner vorstellen.

Von Christian Wölfel (KNA)