Befreiungstheologe will Franziskus bei Enzyklika geholfen haben

Boff: Papst fragte nach Material für "Laudato si"

Veröffentlicht am 07.01.2017 um 16:30 Uhr – Lesedauer: 4 MINUTEN
Lateinamerika

Bonn ‐ Der Befreiungstheologe Leonardo Boff hat nach eigenen Worten Material für Franziskus' Enzyklika "Laudato si" geliefert. "Schicken Sie mir das nicht direkt, das kommt nicht an", habe der Papst ihn gebeten.

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Der brasilianische Befreiungstheologe Leonardo Boff hat nach eigenen Worten Material für die Umweltenzyklika "Laudato si" von Papst Franziskus geliefert. "Er hat meine ganze Literatur gelesen und immer geschätzt. Er hat mich gefragt, ob ich ihm Materialien schicken könne", sagte Boff im Interview der "taz am Wochenende" (Samstag). Davon sei viel übernommen worden.

"Schicken Sie mir das nicht direkt"

Das Material gelangte Boff zufolge auf etwas verschlungenen Wegen zum Papst. Dieser habe ihn gebeten: "Schicken Sie mir das nicht direkt, das kommt nicht an. Es gibt Leute, die verhindern das. Schicken Sie es dem argentinischen Botschafter, der jeden Tag Matetee mit mir trinkt, der übergibt mir das dann." Ein offizieller Papstberater sei er nicht, betonte Boff. "Es gibt nur eine Verbindung." Einen Tag vor der Veröffentlichung der Enzyklika habe der Papst bei ihm anrufen lassen. "Ich war nicht zu Hause. Er hat sich für das Material von mir bedankt", sagte der Theologe. Das sei "sehr fein" von Franziskus gewesen.

Der Papst sei ein "Befreiungstheologe in der argentinischen Version". In Argentinien seien wegen der damaligen Militärdiktatur "keinerlei marxistische Ausdrücke" erlaubt gewesen, sagte Boff weiter. "Man hat dort eine eigene Tendenz entwickelt, eine Theologie des unterdrückten Volkes und der zum Schweigen gebrachten Kultur. Man muss die Kultur befreien und das Volk. Nicht durch Mildtätigkeit."

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Video: © Lena Kretschmann

Befreiungstheologe Leonardo Boff erklärt, wie der neue Papst aus Lateinamerika die Kirche umkrempeln wird.

Jorge Mario Bergoglio, der spätere Papst, habe als Student dieser Art der Befreiungstheologie zu den begeistertsten gehört, sagte Boff. "Er hat schon damals dafür votiert: Einmal pro Woche sollte man einen Besuch in einem Elendsviertel organisieren. Und tatsächlich, das ganze Leben hindurch hat er das durchgehalten."

Boff hatte in der Folge der lateinamerikanischen Bischofsversammmlung von Medellin (1968), die die Option für die Armen betonte, die sogenannte Theologie der Befreiung mitentwickelt. In einer Instruktion distanzierte sich die von Kardinal Joseph Ratzinger, dem späteren Papst Benedikt XVI., geleitete Glaubenskongregation Anfang 1984 von Boffs Ausformung der Befreiungstheologie. Am Ende wurde Boff gemaßregelt und trat aus dem Franziskanerorden aus.

"Ich will die ungerechte Strafe kompensieren"

Boff sagte in dem "taz"-Interview, dass Franziskus ihm erklärt habe: "Ich will die ungerechte Strafe kompensieren, die über Sie verhängt wurde." Dies sei sehr mutig vom Papst gewesen. Das Problem seinerzeit sei nicht eine Person gewesen, sondern die Brasilianische Bischofskonferenz. "Man wollte sie nicht direkt attackieren. Die Deutschen haben ein sehr gutes Sprichwort dafür: Man schlägt den Sack und meint den Esel. Ich war der Sack, der Esel war die Bischofskonferenz. Die Bischöfe haben das sofort verstanden", erläuterte Boff. (jml/KNA)

Zur Person

Der Brasilianer Leonardo Boff (* 14. Dezember 1938 in Concordia, Santa Catarina) ist katholischer Theologe und ehemaliger Priester. Er ist einer der Hauptvertreter der Befreiungstheologie. Seit 1971 stand Boff wegen polemisierender Aussagen über die Kirche unter Beobachtung des Vatikans. Mit dem Erscheinen seines Buches "Kirche. Charisma und Macht - Eine militante Ekklesiologie" kam es zum offenen Konflikt. Der Vorwurf an Boff: Mangelndes Verständnis von Sakramentalität der Kirche, Offenbarung und Dogma. 1985 erteilte der Vatikan ein einjähriges Rede- und Lehrverbot. 1992 trat Boff aus dem Franziskanerorden aus und ließ sich in den Laienstand versetzen. (jml)