Bundestag will Antisemitismus-Beauftragten einsetzen
Der Bundestag will mehr gegen Antisemitismus tun und deshalb einen eigenen Beauftragten einsetzen. Einen entsprechenden Antrag verabschiedeten die Parlamentarier am Donnerstag. Darin fordern sie die Bundesregierung auch, das zivilgesellschaftliche Engagement weiter zu stärken. Offen ist laut Antrag, ob die Stelle des Beauftragten im Bundeskanzleramt oder in einem Ministerium angesiedelt sein soll. Union, SPD, Grüne und die FDP hatten den Antrag eingebracht und stimmten dafür. Auch die AfD votierte dafür, die Linke enthielt sich.
In dem Antrag heißt es, der Bundestag verurteile und wende sich gegen jede Form von Antisemitismus. Deutschland trage vor dem Hintergrund der Schoah, der Entrechtung und der Ermordung von sechs Millionen europäischen Juden, eine besondere Verantwortung im Kampf gegen Antisemitismus. Zu den weiteren geplanten Maßnahmen zählen etwa die bessere statistische Erfassung antisemitischer Vorfälle, mehr Ansprechpartner für Belange jüdischer Gruppen, die Koordinierung einer ständigen Bund-Länder-Kommission, Überprüfungen des Straf- und Versammlungsrechts, die Strafbarkeit bei Leugnung oder Verharmlosung des Holocaust über das Internet sowie aufenthaltsrechtliche Konsequenzen gegenüber Ausländern, die zu antisemitischem Hass aufrufen. Damit folgen sie entsprechenden Empfehlungen einer Antisemitismus-Kommission.
SPD-Politikerin Griese: "Jude" eines der häufigsten Schimpfwörter auf Schulhöfen
Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte in der Debatte, die Gesellschaft trage eine große Verantwortung dafür, dass jüdisches Leben auch in Zukunft weitgehend ohne Sorgen möglich sei. Der Großteil antisemitischer Verbrechen werde von Rechtsextremen verübt, es gebe aber auch eine wachsende Zahl antisemitischer Handlungen die von Menschen begangenen würden, "die aus einer Region kommen, wo der Hass auf Israel und Antisemitismus" tief verankert sei. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Kerstin Griese erklärte, es sei bedrückend, dass das Wort "Jude" eines der häufigsten Schimpfwörter auf deutschen Schulhöfen sei. Es gelte, allen Erscheinungsformen des Antisemitismus entgegenzutreten. Deutschland trage dafür eine besondere Verantwortung.
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hatte die Gesetzesinitiative im Vorfeld begrüßt. Er bezeichnete sie als ersten wichtigen Schritt im Kampf gegen Antisemitismus. Der Potsdamer Historiker Julius H. Schoeps sprach auf Anfrage von einem längst überfälligen Schritt. Dagegen kam Kritik vom deutsch-israelischen Historiker Michael Wolffsohn. Dies sei eine "gut gemeinte, jedoch völlig naive Bürokratenidee". Die Fraktionen erklären in dem Antrag, dass viele antisemitische Delikte "weiterhin rechtsextrem motiviert" seien. Neu sei ein durch "Zuwanderung verstärkter Antisemitismus aus den Ländern Nordafrikas, dem Nahen und Mittleren Osten". Antisemitismus finde sich aber in allen politischen Lagern, und er nehme mit dem Antizionismus und der Israelfeindlichkeit auch neue Formen an. (stz/KNA)