Chile: Mapuche, Meereskonflikt, Machtübergabe
Einmal noch darf Chiles Präsidentin Michelle Bachelet während des Papstbesuchs auf die große Bühne. Die Amtszeit der Linkspolitikerin endet in einigen Wochen, dann wird ihr rechtskonservativer Nachfolger Sebastian Pinera das Präsidentenamt übernehmen. Chile erlebt diesen personellen Wechsel zum zweiten Mal. Bachelet hatte das Land bereits von 2006 bis 2010 regiert, Pinera war ihr von 2010 bis 2014 gefolgt.
Ungewöhnlicher Zeitpunkt für Besuch
Der Milliardär und Unternehmer gewann im Dezember die Stichwahl gegen den Linkskandidaten Alejandro Guillier mit deutlichem Vorsprung. Chile wird also wieder nach rechts rücken. Ein Papstbesuch inmitten einer Phase der Übergabe der Macht und der Regierungsgeschäfte ist eher ungewöhnlich. Deswegen ist es eine spannende Frage, wie Franziskus dem bereits gewählten Präsidenten gegenübertritt, der um die Ehre und das Medienspektakel eines Papstbesuches gebracht wird.
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Der Besuch von Franziskus in Chile steht kurz bevor. Nun ist der Papst mit dem Leben bedroht worden. Zudem wurden drei Kirchen in Santiago de Chile attackiert. Ein Anschlag scheiterte jedoch.Pinera steht vor einer Vielzahl von Herausforderungen. Einerseits erwarten seine Landesleute, dass der gewiefte, aber bisweilen farblose Unternehmer das Land wieder zu einem solchen Wirtschaftswachstum führt wie schon in seiner ersten Amtszeit. Damals boomte die chilenische Volkswirtschaft.
Zudem bestimmt das Thema Migration die politische Debatte: Weil Chile das ökonomische Vorzeigeland Südamerikas ist, wirkt das Land wie ein Magnet auf Migranten aus ganz Lateinamerika. Zuletzt kamen immer mehr Venezolaner und Haitianer auf der Flucht vor Armut und politischer Verfolgung nach Chile. Pinera will ein härteres Vorgehen gegen illegale Einwanderung, Bachelet warb dagegen für Verständnis.
Und noch ein Thema wird die Präsidentschaft Pineras prägen: Der ewige Konflikt mit Bolivien um einen Meereszugang. Erst vor einigen Monaten war Franziskus in den Streit der beiden Nachbarn hineingezogen worden. Boliviens Präsident Evo Morales hatte Chile vorgeworfen, dem Papst bei dessen Besuch einen Maulkorb zum Thema Meereszugang verpassen zu wollen. Die chilenische Oligarchie wolle den Papst angesichts einer wachsenden Unterstützung (für Bolivien) zum Schweigen bringen, schrieb der sozialistische Präsident auf Twitter. Die Wahrheit sei aber ebenso wenig aufzuhalten wie das Meer.
Morales bezog sich bolivianischen Medienberichten zufolge auf die Äußerungen des chilenischen Botschafters am Heiligen Stuhl, Mariano Fernandez, der Zurückhaltung im Vorfeld der Entscheidung des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag gefordert hatte. Etwaige Äußerungen des Papstes zu dieser Angelegenheit könnten "entstellt" und instrumentalisiert werden, zitierte Radio Vatikan Fernandez. Chiles Präsidentin wies den Maulkorb-Vorwurf zurück. Der Papst habe wie bei solchen Anlässen üblich die Freiheit, all das anzusprechen, was er für wichtig erachte, betonte sie.
Bei einem Besuch in Bolivien 2015 hatte Franziskus den Streit mit Chile zwar erwähnt, aber für keine Seite Partei ergriffen. Bislang ruft Franziskus beide Seiten stets zum Dialog auf. Bolivien fordert von seinem Nachbarland Chile einen Zugang zum Meer, nachdem es die Anbindung an den Pazifischen Ozean im Salpeterkrieg (1879-1884) verloren hatte. Präsident Morales versucht den Zugang nun vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag zu erstreiten.
Die spannendste innenpolitische Frage ist aber, ob und wie sich Franziskus dem schwelenden Konflikt mit den Mapuche-Ureinwohnern stellt. Seit Jahren hat sich die Situation sowohl unter Präsidentin Bachelet als auch in der ersten Amtszeit von Pinera weiter verschärft. Es kam zu Brandanschlägen auf kirchliche Einrichtungen und Unternehmen.
Befeuert der Besuch den Konflikt?
Radikalisierte Mapuche werfen der Kirche und der Wirtschaft vor, für eine Unterdrückung der Ureinwohner mitverantwortlich zu sein. In einer Umfrage vor dem Papstbesuch befürchtete eine Mehrheit, dass die Visite von Franziskus den Konflikt sogar noch verschärfen könnte. Chile erwartet eine Geste und vielleicht auch einen Ratschlag des Papstes, um aus der verfahrenen Situation herauszukommen.