Bibel-Verkauf verboten, staatliche Bibel-Übersetzung geplant

China will Theologie und Bibel "nach chinesischem Stil"

Veröffentlicht am 05.04.2018 um 15:01 Uhr – Lesedauer: 
Religionsfreiheit

Bonn/Peking ‐ Vatikan und China nähern sich, doch die Repressionen gegenüber Christen gehen weiter: Der Staat will nicht nur den Verkauf von Bibeln unterbinden, sondern die Heilige Schrift politisch genehm neu übersetzen.

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Die Volksrepublik China setzt Medienberichten zufolge ein Verkaufsverbot von Bibeln durch und plant eigene Bibelübersetzungen. Bereits bisher durften Bibeln und andere religiöse Schriften nur von staatstreuen Religionsgemeinschaften, nicht aber im regulären Buchhandel verkauft werden, berichtet ucanews.

Kurz vor Durchsetzung des Verkaufsverbots hatte die chinesische Religionsbehörde ein Dokument mit dem Titel "Prinzipien zur Förderung des chinesischen Christentums in China für die kommenden fünf Jahre" veröffentlicht. Darin wird als eine der größten Aufgaben der Behörde die Förderung eines "Christentums und einer Theologie nach chinesischem Stil" genannt. Dies solle durch Neuinterpretationen und neue Übersetzungen der Bibel erreicht werden.

Suchbegriff "Bibel" wird anscheinend zensiert

Chinesische Online-Buchhändler haben seit Ende März die Bibel nicht mehr in ihren Katalogen gelistet. "Das Verbot wurde zuvor nicht durchgesetzt", sagte der Direktor der Theologischen Fakultät der Chinesischen Universität Hongkong, Ying Fuk Tsang, gegenüber der "South China Morning Post". Die in Peking erscheinende "Global Times" berichtet von Druck, der auf das große Online-Handelshaus Jingdong ausgeübt worden sei; insgesamt fünf Regulierungsbehörden, darunter die Behörde für Cyberspace und öffentliche Sicherheit, hätten sich an Jingdong gewandt, um den Verkauf illegaler Güter zu stoppen, darunter Bibelausgaben.

Kirche in China
Bild: ©KNA/Katharina Ebel

Ein Kruzifix mit chinesischem Schriftzeichen in der katholischen Nantang Kirche in Peking.

Um den Monatswechsel sei die Anzahl der Suchanfragen nach "Bibel" in die Höhe geschnellt, um am 1. April auf 0 zu fallen. Das deutet auf Online-Zensurmaßnahmen hin, berichtet ucanews. Schon seit einiger Zeit zensiert die Regierung auf chinesischen Social-Media-Plattformen wie Weibo und WeChat religiöse Inhalte in großem Stil. Gegenüber CNN nannte die Ostasien-Referentin der NGO "Freedom House", Sarah Cook, das Handelsverbot als deutliches Beispiel dafür, "wie Internet-Zensur und Einschränkungen der Religionsfreiheit Hand in Hand gehen". Die chinesische Regierung nutze immer mehr elektronische Überwachungsmethoden, um Religionsgemeinschaften zu kontrollieren und Gläubige zu sanktionieren, die online religiöse Informationen teilen.

Regierung veröffentlicht Weißbuch zur Religionsfreiheit

Unmittelbar nach den Sanktionen gegen Verkäufer von Bibeln veröffentlichte die chinesische Regierung am Mittwoch ein Weißbuch über Chinas Politik zur Religionsfreiheit und wie die Behörden sie umsetzen. Darin wird neben Religionsfreiheit auch die Herstellung "religiöser und gesellschaftlicher Harmonie" als Ziel genannt. Der Staat leite Religionen an, "sich der sozialistischen Gesellschaft anzupassen". Religiöse Schriften würden "wie es das Gesetz vorschreibt" veröffentlicht werden. Das Weißbuch betont, dass über 160 Millionen Exemplare der Bibel in China gedruckt worden seien, darunter 80 Millionen auf Chinesisch.

Ein Plakat mit dem Staatspräsident von China, Xi Jinping, hängt an einer Wand.
Bild: ©picture alliance / AP Photo

2016 forderte Staatspräsident Xi Jinping bei einer Konferenz zu religiösen Themen Beamte auf, "energisch die Positionen der Partei zu Religionen und zu Verhaltensnormen im Internet zu vertreten". Theologen und Religionswissenschaftler fürchten eine "religiöse Sinisierung" und fühlen sich an die Kulturrevolution erinnert.

Die Zahl der Gläubigen in China habe sich seit dem letzten Weißbuch zur Religionsfreiheit, das 1997 veröffentlicht wurde, auf 200 Millionen verdoppelt. Darunter seien sechs Millionen Katholiken und 38 Millionen Protestanten. Nach Informationen von ucanews geben diese Zahlen jedoch nur die registrierten Mitglieder der offiziellen staatsnahen Religionsgemeinschaften wieder, die Mitglieder der Untergrund- und Hauskirchen seien in diesen Zahlen nicht erfasst. Im Weißbuch betont die chinesische Regierung die Prinzipien der "Unabhängigkeit" und "Selbstverwaltung" der religiösen Gruppen, versteht darunter aber, dass die Gemeinschaften nicht "der Kontrolle fremder Länder" unterliegen. Diese Regulierung bestehe aufgrund der "historischen Entscheidung chinesischer Gläubiger" während des "nationalen Unabhängigkeitskampfs", da katholische und protestantische Kirchen lange von "Kolonialisten und Imperialisten kontrolliert und benutzt" worden seien.

Weiterhin Repressionen gegenüber Gläubigen

Der Hongkonger Theologe Ying sieht in dem Weißbuch keine Änderung der Regierungspolitik der Regierung Xi Jinpings. Ein Mitarbeiter der Hongkonger Kommission Justitia et Pax, Or Yan Yan, berichtet gegenüber ucanews entgegen den Darstellungen im Weißbuch von staatlichen Repressionen gegenüber Christen und äußert die Hoffnung, dass die internationale Gemeinschaft der "Doppelzüngigkeit" der Regierung keinen Glauben schenken wird. Das Weißbuch nutze "schöne Worte", um die Religionspolitik zu beschreiben. Unter den Schlagworten "Unabhängigkeit, Autonomie und Selbstverwaltung" verstehe die Regierung aber nicht Respekt vor der Inkulturation des Evangeliums und der Gestalt der Kirche, stattdessen führten diese Prinzipien dazu, "die Grundfesten der Kirche und die Prinzipien des Glaubens zu zerstören".

Zwischen China und dem Vatikan war es in den vergangenen Wochen zu einer Entspannung gekommen. Eine Vereinbarung zwischen der Volksrepublik und dem Heiligen Stuhl, mit der unter anderem die offizielle Staatskirche anerkannt werden könnte und die Regierung auch Einfluss auf die Ernennung von durch den Papst anerkannten Bischöfen nehmen könnte, schien bis vor kurzem vor einem Durchbruch zu stehen. Im Februar hatten italienische Zeitungen berichtet, die Verhandlungen stünden kurz vor einem Erfolg. Auch der emeritierte Hongkonger Bischof John Tong Hon rechnet mit einer baldigen Einigung. Scharfe Kritik an den Lockerungen hatte Tong Hons Vorgänger, Kardinal Joseph Zen Ze-kiun, geäußert, der darin einen "Ausverkauf" der Kirche sieht.

Von Felix Neumann

Linktipp: Wenn Chinas Regierung Kirchen abreißen lässt

Wenn die Kirche zu viel Aufmerksamkeit erregt, dann schreitet China ein - mit allen erdenklichen Mitteln. Was bisher schon als Faustregel galt, könnte sich nun durch ein neues Gesetz noch verschärfen. (Artikel vom 1. Februar 2018)