"Christin sein und politisch sein gehören zusammen"
Frage: Frau Heil, nun hat mit Ihnen auch die kfd eine Abgeordnete an der Spitze – die Vorsitzenden von Kolping und dem Katholischen Deutschen Frauenbund sind Ihre Kollegen in der Unionsfraktion. Zeichen für einen starken politischen Katholizismus – oder wird man in der Politik gar nicht mehr gehört, wenn man nicht jemanden im Parlament hat?
Mechthild Heil: Zu unserem Selbstverständnis gehört, dass man als Katholikin auch politisch ist. Deshalb gibt es engagierte Christinnen und Christen in Parlamenten. Auch für mich gehört das zusammen: Christin sein und politisch zu sein. Und umgekehrt sage ich auch, dass ich nicht politisch sein kann, ohne Christin zu bleiben.
Frage: Zuletzt gab es gewisse Spannungen zwischen der Kirche und Teilen der Politik: Die Kirchen seien zu politisch, mischten sich etwa bei der Flüchtlingspolitik zu sehr in konkrete Fragen ein, lautet der Vorwurf. Teilen Sie diese Diagnose?
Heil: Einzelne Christinnen und Christen können sich genauso wie die Kirchen insgesamt gerne ins politische Geschäft einmischen, das ist überhaupt keine Frage. Die Kirchen sollten nur bedenken, dass auch Christinnen und Christen in tagespolitischen Fragen zu ganz unterschiedlichen Antworten kommen können. Es gibt meistens nicht die eine christliche Antwort. Und das kommt in der Debatte zu kurz, auch weil die Kirche manchmal zu apodiktisch ist und suggeriert, dass es nur eine einzige Lösung geben kann. Wir Christinnen und Christen sind aber in allen politischen Parteien organisiert, daran sieht man schon, dass es ganz unterschiedliche Antworten geben kann.
Frage: Auch in Ihrem Verband sind Katholikinnen aus verschiedenen politischen Richtungen vertreten. Als kfd-Vorsitzende sind Sie Ihren Mitgliedern verpflichtet, als Abgeordnete in die Fraktionsdisziplin eingebunden. Wie gehen Sie mit diesem Spannungsfeld um?
Heil: Die kfd hat meine volle Loyalität, sonst könnte ich nicht Vorsitzende sein. Ich stehe hinter den Positionen meines Verbandes. Als Bundestagsabgeordnete bin ich zwar frei und nur an mein Gewissen gebunden, aber auch Teil einer Fraktion. Es ist wichtig, dass die Truppe nicht auseinanderläuft. Wenn ich mich mit meinen Argumenten nicht durchsetzen konnte und es eine Mehrheitsmeinung in der Fraktion oder auch der kfd gibt, dann steht man dazu. So ist das in einer Demokratie.
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Die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands hat gewählt: Mechthild Heil übernimmt im größten katholischen Verband den Vorsitz von Maria Theresia Opladen.Frage: Welche Schwerpunkte setzen Sie in den nächsten vier Jahren an der Spitze des Verbandes?
Heil: Wir Frauen sind ein wichtiger Bestandteil der Kirche. Ich erlebe Gemeinden, die hauptsächlich von Frauen getragen werden: In der Liturgie, in der Katechese, in der Caritas, im Bildungswesen oder im Kindergarten. Kurz: in allen Bereichen des Gemeindelebens. Die kirchliche Hierarchie dagegen ist männerdominiert, während es einen Priestermangel gibt. Da müssen Frauen sich einbringen!
Frage: Und im politischen Bereich?
Heil: Auf unserer Agenda stehen die tagesaktuellen politischen Themen: Die Zukunft der Rente etwa, oder Fragen der Lohngerechtigkeit.
Frage: Mit der Mütterrente hat die große Koalition bereits eine Forderung der kfd aufgegriffen. Eltern, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, können zwei Erziehungsjahre für die Rente anerkennen lassen. Welche weiteren Ziele verfolgt die kfd?
Heil: Wir kämpfen dafür, dass auch ein drittes Erziehungsjahr für die Rente anerkannt wird. Außerdem braucht es den weiblichen Blick darauf, wie die Renten vom demographischen Wandel betroffen sind und wie wir die Situation von Menschen verbessern können, die jetzt schon eine zu geringe Rente haben. Das betrifft einerseits Langzeitarbeitslose, aber auch Frauen, die Lücken in ihrer Erwerbsbiographie haben. Da werden wir als Frauenverband unsere Stimme erheben.
Frage: Wird die Stimme der kfd auch gehört?
Heil: Als größter Frauenverband haben wir eine bedeutende Stimme. Wir sind unglaublich gut organisiert, auch das spielt in der Politik eine Rolle. Wir haben in der Vergangenheit schon bewiesen, dass wir sehr viele Frauen mobilisieren können und sehr viel erreichen können: Der zweite Rentenpunkt ist das beste Beispiel dafür.
Frage: Auch in der Kirche will die kfd etwas bewegen. Papst Franziskus lässt die Rolle der Diakoninnen in der frühen Kirche neu untersuchen, der Frauenanteil in den Ordinariaten und Generalvikariaten steigt, die Bischofskonferenz betreibt Frauenförderung. Da kann die kfd doch zufrieden sein, oder?
Heil: Wir könnten aber auch noch eine Schippe drauflegen! Den Diakonat der Frau könnten wir noch in den nächsten Jahren erreichen, der Papst macht mir da Hoffnung. Ich hoffe, dass die deutschen Bischöfe auch mitgehen. Der Diakonat der Frau ist nicht nur eine alte Forderung von uns, die Gemeinden brauchen es auch, ganz einfach.
Frage: Und wie wollen Sie das erreichen?
Heil: Wir bohren da natürlich dicke Bretter. Aber die Marschrichtung ist klar: Der Papst hat uns ja allen aufgegeben, genau hinzuschauen, was vor Ort gebraucht wird. Er will einen größeren Entscheidungsspielraum der Ortsbischöfe. Beim Thema der Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene war eine solche Öffnung möglich, und vielleicht auch beim Diakonat der Frau. Möglicherweise findet sich ja ein deutscher Bischof, der sagt: Ja, das verstehe ich, diesen Weg gehe ich mit.
Frage: Ein Einwand gegen den Diakonat der Frau ist, dass das nur als Zwischenschritt auf dem Weg zum Frauenpriestertum instrumentalisiert werden soll. Wie sehen Sie das?
Heil: Wir fangen mit einem Schritt an. Und wenn der getan ist, dann weiß man nie, was sich draus entwickeln kann. Aber das ist natürlich Zukunftsmusik und würde aktuell viele in der Hierarchie und in den Gemeinden überfordern. Das Frauenpriestertum steht im Moment in der kfd nicht auf der Tagesordnung. Wo die Entwicklung hingeht, das wissen wir alle nicht.
Frage: Viel konkreter ist die Frage nach Frauen in Leitungsverantwortung in der Kirche. Wie bewerten Sie die aktuelle Situation?
Heil: Es gibt noch viel zu wenige Frauen in Führungspositionen, da kann noch deutlich mehr passieren. Die Kirche besteht mindestens zur Hälfte aus Frauen, das sollte sich auch in den Führungspositionen widerspiegeln. Und vor allem: Die Frauen wollen es auch. Die sind da und wollen sich engagieren.