Darum geht es beim Kommunionstreit der Bischöfe
Dass Bischöfe über die Eucharistie streiten ist im Blick auf die Kirchengeschichte weder neu noch ungewöhnlich. Der Streit um die Eucharistie und um die Kirche steht den Bischöfen gut an, denn ihre Aufgabe ist es, als Hirten die Kirche aufzubauen und in Einheit zusammenzuhalten.
Die von der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) diskutierte Handreichung für Seelsorgerinnen und Seelsorger ist Ausgangspunkt der aktuellen Auseinandersetzung. Sie scheint all den einfachen Grundsätzen zu widersprechen, die bis heute weithin das kirchliche Bewusstsein prägen: Evangelische Christen gehören nicht zur katholischen Kirche; sie sind generell von den Sakramenten, insbesondere vom Empfang der Eucharistie ausgeschlossen. Über die Möglichkeit des Eucharistieempfangs entscheiden nicht die Gläubigen selbst, sondern die Bischöfe, notfalls auch die Pfarrer vor Ort. Alle Fragen bezüglich des Sakramentenempfangs können nur auf Ebene der Weltkirche entschieden werden. Eine konfessionsverschiedene Ehe, die im Pressebericht der DBK auch als "konfessionsverbindende Ehe" bezeichnet wird, schafft weder eine neue Konfession noch kann man aus ihr irgendwelche Privilegien ableiten.
So kommen Fragen auf, denen im Folgenden nachgegangen werden soll.
Linktipp: Das sagen die Bischöfe zum Eucharistie-Brief
Die Debatte um die Kommunion für Protestanten geht weiter: Trotz eines Beschlusses der Bischofskonferenz haben sich sieben Bischöfe an den Vatikan gewandt. Einige Amtsbrüder befremdet dieses Vorgehen.Stehen evangelische Christen tatsächlich außerhalb der Kirche?
Evangelische Christen sind keine Katholiken. Sie gehören ihrer eigenen kirchlichen Gemeinschaft an. Aber man kann das Verhältnis zwischen Katholiken und Protestanten nicht mehr mit "drinnen" und "draußen" kennzeichnen. Das Zweite Vatikanische Konzil hat nämlich im Ökumenismusdekret "Unitatis redintegratio" über die evangelischen Christen festgestellt, dass sie "in einer gewissen, wenn auch nicht vollkommenen Gemeinschaft mit der katholischen Kirche" stehen (UR 3). Die evangelischen Christen stehen also nicht einfach "außerhalb" der katholischen Kirche, sondern sie stehen, weil sie gültig getauft sind, in der Gemeinschaft der katholischen Kirche, auch wenn sie diese nicht voll verwirklichen. Sie sind deshalb – wie die Katholiken auch – "Gläubige" im Sinn des Kirchenrechts (Codex Iuris Canonici, Canon 204 § 1). Gemessen an den weiter aufgestellten Kriterien des c. 205 CIC – Glaubensbekenntnis, Sakramente und kirchliche Leitung – verwirklichen evangelische Christen die kirchliche Gemeinschaft aber nicht voll. Die Unterschiede etwa bei der Zahl der Sakramente und beim Bischofsamt liegen auf der Hand.
Als Gläubige, die in einer zwar nicht voll verwirklichten, aber doch realen, in der Taufe begründeten Gemeinschaft mit der Kirche stehen, sind auch evangelische Christen Träger der Grundrechte und Grundpflichten der Getauften (cc. 208-223 CIC). Dazu gehört auch der Rechtsanspruch, aus den geistlichen Gütern der Kirche, insbesondere aus dem Wort Gottes und aus den Sakramenten, Hilfe von den geistlichen Hirten zu empfangen (c. 213 CIC). Die Annahme eines generellen Ausschlusses evangelischer Christen von den Sakramenten würde dieses Grundrecht negieren.
Können evangelische Christen Sakramente empfangen?
Im Normalfall üben die Gläubigen ihre in der Taufe gründenden Rechte und Pflichten in der eigenen Konfessionskirche aus. Dennoch sieht die Rechtsordnung der katholischen Kirche in c. 844 CIC Regelungen für den Fall vor, dass dies aus bestimmten Gründen im Einzelfall nicht möglich ist. Gemäß c. 844 § 4 CIC spenden katholische Spender die Sakramente der Buße, der Eucharistie und der Krankensalbung erlaubt auch evangelischen Christen, wenn entweder Todesgefahr besteht oder wenn eine andere schwerwiegende Notwendigkeit dazu drängt. Vorausgesetzt wird, dass die betreffenden Gläubigen in der konkreten Situation das Sakrament nicht in der eigenen Kirche empfangen können, dass sie von sich aus um den Sakramentenempfang bitten, bezüglich dieser Sakramente den katholischen Glauben bekunden und in der rechten Weise disponiert sind.
Mit "Todesgefahr" ist die unmittelbare Gefahr für das Leben des betreffenden Gläubigen gemeint. Die "andere schwerwiegende Notwendigkeit" bleibt gesetzlich unbestimmt und somit auf viele Situationen hin offen. Aus dem Gesetzestext wird aber deutlich: Diese Notwendigkeit muss schwerwiegend sein, aber sie muss nicht in derselben Weise zwingend und ausweglos sein wie die Todesgefahr. Und sie muss anders sein, nämlich nicht von außen verursacht, sondern von einem wirklichen geistlichen Bedürfnis. Weil der Gesetzestext diesbezüglich nicht differenziert, können die Notwendigkeit und ihre Schwere subjektiv, das heißt von den einzelnen Gläubigen so empfunden werden. Es kann aber auch Situationen geben, die objektiv für eine schwerwiegende Notwendigkeit sprechen. Solche Situationen sind aber bislang für die deutschen Diözesen nicht definiert worden.
Canon 844 §4 CIC im Wortlaut
Wenn Todesgefahr besteht oder wenn nach dem Urteil des Diözesanbischofs bzw. der Bischofskonferenz eine andere schwere Notlage dazu drängt, spenden katholische Spender diese Sakramente erlaubt auch den übrigen nicht in der vollen Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehenden Christen, die einen Spender der eigenen Gemeinschaft nicht aufsuchen können und von sich aus darum bitten, sofern sie bezüglich dieser Sakramente den katholischen Glauben bekunden und in rechter Weise disponiert sind.Wer entscheidet darüber, ob ein Gläubiger die Eucharistie empfangen darf oder nicht?
Tatsächlich muss jeder einzelne Gläubige selbst darüber entscheiden, ob er die Eucharistie empfangen will und darf. Die Prüfung der rechten Disposition ist immer und ausschließlich Sache des einzelnen Gläubigen, nicht aber einer anderen Person wie etwa des Kommunionspenders. Dazu gehört die Prüfung der für den Sakramentenempfang notwendigen inneren Einstellung, aber auch die Frage, ob möglicherweise eine schwere Sünde am Sakramentenempfang hindert (c. 916 CIC).
Grundsätzlich haben die Gläubigen nach c. 213 CIC ein Recht auf Sakramentenempfang. Dies wird auch in weiteren Normen bekräftigt: Gemäß c. 912 CIC kann und muss jeder Getaufte – alle Getauften, nicht nur Katholiken – zur heiligen Kommunion zugelassen werden, sofern er rechtlich nicht daran gehindert ist. Dem entspricht c. 843 § 1 CIC mit der Weisung, dass die Sakramente denen nicht verweigert werden dürfen, "die gelegen darum bitten, in rechter Weise disponiert und rechtlich nicht an ihrem Empfang gehindert sind".
Rechtlich gehindert sind etwa "Exkommunizierte und Interdizierte (…) sowie andere, die hartnäckig in einer offenkundigen schweren Sünde verharren" (c. 915 CIC). Weil es vor dem Konzil anders geregelt war, muss darauf hingewiesen werden, dass diese Verweigerung der Eucharistie nicht auf die evangelischen Christen angewendet werden darf. Gemäß "Unitatis redintegratio" dürfen evangelische Christen aufgrund ihres Bekenntnisses nämlich nicht als Exkommunizierte, Interdizierte oder hartnäckige schwere Sünder behandelt werden (UR 3).
Wie ist es mit dem katholischen Glauben bezüglich der Eucharistie, der in c. 844 § 4 CIC ausdrücklich gefordert wird?
Die in c. 844 §4 CIC gefasste Regelung für den Eucharistieempfang fordert, dass die Empfänger "den katholischen Glauben bekunden" Diese Voraussetzung gilt nicht nur für evangelische Christen, sondern auch für Katholiken, wie etwa c. 913 CIC zeigt. Er fordert, dass Kinder vor der Erstkommunion eine "hinreichende Kenntnis und eine sorgfältige Vorbereitung erfahren", wodurch sie "das Geheimnis Christi gemäß ihrer Fassungskraft begreifen" können. Dabei zeigt die pastorale Erfahrung, dass diesbezüglich die Messlatte nicht allzu hoch gelegt werden sollte. Wahrscheinlich wird man auch unter Katholiken lange suchen müssen, bis jemand bezüglich der Eucharistie die vollständige und korrekte Antwort des Katechismus aufsagen kann. Und es steht nirgendwo, dass bei evangelischen Christen strengere Maßstäbe anzulegen sind als bei Katholiken. Insofern bleiben im Blick auf alle potentiellen Empfänger der Eucharistie nur die Möglichkeiten der Predigt, der Katechese, des Religionsunterrichts und der Erwachsenenbildung. Bei konfessionsverschiedenen Paaren sollte dieses Thema sowohl in der Ehevorbereitung als auch in der Ehebegleitung entsprechenden Raum einnehmen.
Welchen Entscheidungsspielraum haben die Bischofskonferenz und die einzelnen Bischöfe, wenn es um die Zulassung von evangelischen Christen zur Eucharistie geht?
Für den generellen Fall haben sie gar keinen Entscheidungsspielraum: Die DBK etwa kann nicht einfach eine "Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft" mit den evangelischen Kirchen ausrufen. Dem steht die anhaltende Trennung der Kirchen noch im Wege. Aber die Bischöfe können – als Verständnishilfen und zur Klarstellung für die Kommunionspender – typische Situationen benennen, in denen eine entsprechende "schwerwiegende Notwendigkeit" angenommen werden kann, wie zum Beispiel eine konfessionsverschiedene Ehe. (Vgl. Ökumenisches Direktorium Nr. 130).
Bei einer solchen Klarstellung geht es nicht darum, grundsätzlich jede konfessionsverschiedene Ehe zur "schweren Notlage" zu erklären. Papst Johannes Paul II. schreibt in "Familiaris Consortio" Nr. 78 dazu: "Die Ehen zwischen Katholiken und anderen Getauften weisen … zahlreiche Elemente auf, die es zu schätzen und zu entfalten gilt, sei es wegen ihres inneren Wertes, sei es wegen des Beitrags, den sie in die ökumenische Bewegung einbringen können. Dies trifft insbesondere zu, wenn beide Ehepartner ihren religiösen Verpflichtungen nachkommen."
Bezüglich der Teilnahme des nichtkatholischen Gatten an der Eucharistie verweist der Papst auf das Ökumenische Direktorium. Dieses bezeichnet in Nr. 129 die Eucharistie für die Getauften – auch für die nichtkatholischen – als geistliche Nahrung. Zweifellos gehört die konfessionsverschiedene Ehe zu den Situationen, bei denen im Einzelfall "der Zutritt zu diesen Sakramenten Christen anderer Kirchen und kirchlicher Gemeinschaften gewährt oder sogar empfohlen werden kann." Dabei ist die Gewissensentscheidung jedes Partners besonders zu achten. (Ökumenisches Direktorium Nr. 146).
Gibt es auch einen objektiven Grund für die Teilnahme konfessionsverschiedener Gatten an der Eucharistie?
Wie eingangs erwähnt, wird mit c. 205 CIC ein dynamisches Verständnis ökumenischer Beziehungen eröffnet. Das dort benannte "Band der Sakramente" ist für beide Gatten in einer konfessionsverschiedenen Ehe stärker verwirklicht als für andere evangelische Christen, weil jede gültige konfessionsverschiedene Ehe objektiv ein Sakrament ist (vgl. c. 1055 § 2 CIC). Der evangelische Partner in einer solchen Ehe ist also stärker mit der katholischen Kirche verbunden als andere evangelische Christen; trotzdem lebt er nicht in voller Gemeinschaft mit der katholischen Kirche. Zur christlichen Ehe, die als umfassende Gemeinschaft des ganzen Lebens begriffen wird (vgl. c. 1055 §1 CIC), gehört – auch in einer konfessionsverschiedenen Ehe – das gemeinsame Leben und Praktizieren des Glaubens. Diese umfassende Gemeinschaft im Leben und im Glauben kann und muss im Einzelfall auch die Gemeinschaft am Tisch des Herrn einschließen.