"Das Böse in uns selbst"
Allzu oft hätten die Bischöfe pädophile Verbrechen aus den Reihen der Kirche verneint, hätten beschwichtigt und bagatellisiert. Allzu lange hätten die polnischen Kirchenführer so getan, als seien Missbrauchsfälle in den klerikalen Reihen ein Problem anderer Länder.
Nun soll das Schweigen ein Ende haben. Mit ihrem Bußgebet am Freitagabend machte die katholische Kirche in Polen einen Schritt auf die Opfer zu, bat um Vergebung: "Voller Scham sehen wir, dass das Böse in uns selbst ist." Das Gebet war Höhepunkt einer zweitägigen Konferenz, auf der es um das Erkennen und die Verhinderung von Missbrauch ging.
Die Herz-Jesu-Kirche in Krakau, die zu einem Kloster des Jesuitenordens gehört, war voll: Junge Ordensleute, Priester - viele mit ernsten, nachdenklichen Gesichtern. Einige der Laien schlugen während des Reuegebetes die Hände vors Gesicht. Eine Frau wischte sich Tränen aus den Augen - auch Missbrauchsopfer waren zu dem Gebet eingeladen worden.
Opferanwalt: Kirche hat "echten Schritt gemacht"
Libera wollte in seiner Predigt den Opfern eine Stimme geben. Er las aus dem Brief eines Mädchens vor, das von einem Priester missbraucht worden war: "Ich betete, dass es aufhörte. Aber es hörte nicht auf." Sie habe die Schuld für das Schreckliche, was ihr zugefügt wurde, bei sich selbst gesucht, ihren Lebensmut verloren, sich selbst verletzt.
"Es ist gut, dass die Kirche die traumatisierten und über Jahre leidenden Opfer einlädt", sagte Opferanwalt Michal Kelm nach der Gebetsfeier. Die Kirche habe einen "echten Schritt gemacht". Libera, der sich in seiner Diözese seit Jahren um Aufklärung von Missbrauchsfällen einsetze, sei ein glaubwürdiger Bischof. Was Kelm nicht extra betonte: Diese Haltung ist bislang nicht unbedingt die Regel im polnischen Episkopat.
In Krakau saßen auch Erzbischof Wojciech Polak, der neue Primas der katholischen Kirche Polens, und der päpstliche Nuntius unter den Männern in Violett. Doch nur gerade mal ein halbes Dutzend Bischöfe nahm an dem Gebet teil. "Wie können sich Bischöfe zum Thema Missbrauch weiterbilden, wenn sie zu dem Gebet und der Konferenz Vertreter schicken?", fragte am Samstag ein Kommentator der Zeitung "Gazeta Wyborcza".
Entschädigungsklage gegen die Kirche
Eine ältere Krakauerin kam in die Jesuitenkirche, "um selbst zu hören, was gesagt wird". Sie sei nicht persönlich betroffen, "aber ich weiß natürlich von solchen Fällen", meinte die 60-Jährige. "Meiner Meinung nach hat die Kirche bisher nicht angemessen und zu spät reagiert."
Nicht eingeladen waren Mitglieder der Stiftung "Fürchtet Euch nicht", in der sich polnische Missbrauchsopfer zusammengeschlossen haben. Die Beziehungen zwischen Kirche und Stiftung seien nicht so, dass man "offen und vertrauensvoll miteinander diskutieren kann", hieß es im Vorfeld. Denn die Stiftung unterstützt einen ersten Zivilprozess, in dem ein Missbrauchsoper ein Bistum und damit die Amtskirche auf Entschädigung verklagt.
Hier aber mauert der Episkopat bisher: Die strafrechtliche Verantwortung liege beim Täter, also könne die Kirche auch nicht zur Entschädigung herangezogen werden - der öffentlich bekundeten Reue zum Trotz.
Von Eva Krafczyk (dpa)