Das Kreuz gehört nicht der CSU
Das Kreuz ist ein Ärgernis. Das Kreuz ist nämlich nicht einfach nur Markierung, irgendein Symbol für einen Staat oder die Geschichte eines Volkes, oder gar ein Emblem einer Leitkultur. Das Kreuz steht für den Tod Jesu am Kreuz, seine Auferstehung, die Erlösung und das Heil der Welt. Das Kreuz ist für alle da: Denn Christus ist für alle gestorben, Christus ist der Weg, die Wahrheit und das Leben. Doch das können Juden, Muslime, Atheisten nicht glauben: Denn dann wären sie Christen. Das universelle Heilszeichen ist ein exklusiv christliches.
Wer, wie die bayerische Staatsregierung, diese Erlösungsgeschichte marginalisiert und das Kreuz zu einem bloßen "sichtbaren Bekenntnis zu den Grundwerten der Rechts- und Gesellschaftsordnung" degradiert, hat nichts von diesem Zeichen der Christen verstanden. Die "Grundwerte der Rechts- und Gesellschaftsordnung" sind zwar in einem christlichen Kontext, in einer christlich geprägten Gesellschaft entstanden. Aber sie sind gerade kein christliches Sondergut, sie sind universell, und das macht ihre Stärke aus: Dass Menschenwürde und Freiheit nicht kulturell und identitär eingehegt und selektiv nur denen zuerkannt werden, die sich unter einem religiösen Symbol versammeln können, ist die große Leistung der freiheitlichen Rechtsordnung, zu der wesentlich gehört, dass der Staat säkular und neutral ist.
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Das Kreuz als Bekenntnis zur Rechts- und Gesellschaftsordnung in Bayern? Nicht nur der Würzburger Hochschulpfarrer sieht das anders. Sein Offener Brief an Markus Söder findet weite Verbreitung.Religionsgemeinschaften haben ihren Platz im Gemeinwesen. Die Freiheit der Gläubigen wie ihrer Kirchen und Gemeinschaften wird vom Staat geschützt und verteidigt. Doch der Staat ist selbst kein religiöser, er stellt nur die Bedingungen der Möglichkeit freier Religionsausübung dar. Zur abendländischen Geschichte gehört, dass die Freiheit der Kirche vom Staat wie die Freiheit des Staats von der Kirche mühsam erstritten wurden.
Staat und Christentum verlieren
Sobald sich der Staat mit einer Religion identifiziert, verlieren beide Seiten: Die Religion wird verzweckt und profanisiert, der Staat verliert die Legitimation, sich freiheitlich zu nennen. Russland, Polen, Türkei, Ungarn, Pakistan: Das sind Beispiele für Staaten, in denen es eine unselige Verquickung von Religion und Staat gibt. "Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann", hat es der ehemalige Bundesverfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde ausgedrückt: ein Wagnis, das der Staat um der Freiheit willen eingegangen ist.
Nun wird die Verfassungsordnung Deutschlands in Bayern traditionell gering geachtet. Bereits der Kruzifix-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 1995 wurde so gut es ging ausgehebelt, und schon damals waren die Konfliktlinien ähnlich: Die Partei, die das Christliche für sich reklamiert, reduziert das Zeichen des Heils auf ein symbolisches Ornament für ihre Werte.
Das Bundesverfassungsgericht dagegen hat sich die Mühe gemacht, das Christentum zu verstehen. "Das Kreuz [...] ist geradezu sein Glaubenssymbol schlechthin. Es versinnbildlicht die im Opfertod Christi vollzogene Erlösung des Menschen von der Erbschuld, zugleich aber auch den Sieg Christi über Satan und Tod und seine Herrschaft über die Welt, Leiden und Triumph in einem", heißt es in dem Beschluss von 1995 – und damals schon stellt das Gericht fest: "Es wäre eine dem Selbstverständnis des Christentums und der christlichen Kirchen zuwiderlaufende Profanisierung des Kreuzes, wenn man es [...] als bloßen Ausdruck abendländischer Tradition oder als kultisches Zeichen ohne spezifischen Glaubensbezug ansehen wollte."
Blasphemische Profanierung
Genau diese blasphemische Profanierung betreibt die bayerische Staatsregierung. Ist es absurd oder folgerichtig, dass es genau dieser Ministerpräsident ist, der von der christlichen Botschaft entkernte Kreuze als Identitätsmarker in den Behörden seines Landes aufhängen lässt? Markus Söder wies es im Zuge der Debatte um Flüchtlinge lautstark zurück, wenn die Kirchen ihre Positionen in den politischen Diskurs einbrachten.
Christentum soll privat sein, außer wenn es der CSU nützt. "Christliche Werte" sind nur in den Grenzen des Parteiprogramms erwünscht. Sobald die bedingungslose Solidarität mit den Armen und Leidenden, die zum christlichen Kernbestand gehört, etwas kostet oder sich auf andere als die imaginierte Heimatgemeinschaft Söders erstrecken, hat er plötzlich ein scharfes Gespür für die Trennung von Religion und Politik. Gerade deshalb ist es für Söder so praktisch, das Kreuz den Christen zu nehmen und zu einem harmlosen, entkernten Wertemarker zu machen: Was christlich ist, das bestimmt in Bayern immer noch die CSU. Tod und Auferstehung, Erlösung und Heil stören da nur.