Die Kirche arbeitet weiter an einem besseren Kinder- und Jugendschutz

"Das Thema ist noch längst nicht durch"

Veröffentlicht am 02.12.2016 um 12:30 Uhr – Lesedauer: 4 MINUTEN
Kinderschutz

Köln ‐ Seit Jahren arbeitet die Kirche daran, im Bereich Kinder- und Jugendschutz besser zu werden. Manchem geht das zu weit. Auf solche Aussagen hat Bischof Stephan Ackermann eine klare Antwort.

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Sexueller Missbrauch, Gewalt, Mobbing, Hasskommentare - sicher gibt es schönere Themen, mit denen man sich tagein, tagaus beschäftigen kann. Und dann bekommen katholische Missbrauchs- und Kinderschutzexperten auch noch regelmäßig Sätze zu hören wie "Jetzt muss es aber bald mal gut sein mit dem Thema!" Doch "das Thema ist noch längst nicht durch", bringt der Trierer Bischof Stephan Ackermann die Antwort der Fachleute auf den Punkt. Und beschränkt das nicht auf Missbrauchsfragen, denn auch Themen wie Gewalt, Mobbing oder Chancen und Risiken moderner Medien gehören für ihn dazu.

Ackermann ist nicht nur Missbrauchsbeauftragter der Bischofskonferenz, sondern auch Leiter der bischöflichen Arbeitsgruppe zum Kinder- und Jugendschutz. Und die hat zur ersten bundesweiten Tagung rund um das Thema nach Köln eingeladen. Für Fachleute aus Jugend-, Sport- und Behindertenverbänden, aus Caritas, Orden, Pfarreien, Hilfswerken und Schulen.

Viel erreicht, noch viel zu tun

Dabei geht es aber nicht um neue Hirtenworte, Arbeitshilfen oder Leitlinien. Nein, hier reden Praktiker mit Praktikern über konkrete Beispiele, Erfahrungen und Tipps. Da geht es um erweiterte Führungszeugnisse für Begleiter von Sternsingergruppen, um Pornovideos auf dem Schulhof, um Hilfestellung beim Turnen, um Aufklärung für Flüchtlingskinder und Ähnliches mehr. An den vielen Beispielen wird nicht nur die ganze Bandbreite des Themas deutlich, sondern auch, dass in der Kirche "schon viel getan wird in Sachen Aufklärung, Aufarbeitung und Prävention", wie der Bischof feststellt: "Aber die Arbeit muss mit mindestens derselben Intensität weitergehen."

Linktipp: Stiftung soll Missbrauchs-Opfern helfen

Betroffene können sich bis Ende 2019 anmelden: Die Stiftung "Anerkennung und Hilfe" soll Kindern und Jugendlichen, die in Behindertenhilfe oder Psychiatrie Opfer von Missbrauch geworden sind, helfen.

Dabei sind auch neue Herausforderungen dazugekommen, berichten die Praktiker. Vor allem die zahlreichen Flüchtlinge in Schulen und Jugendgruppen. Nicht nur sie selbst, sondern auch deren Familien müssten für das Thema sensibilisiert werden. Das sei oft nicht leicht, gerade dort, wo es in den Herkunftskulturen andere Einstellungen zu Sexualität und Gewalt gibt.

Dass das Thema aber auch in anderen Bereichen weiter mit Tabus behaftet ist, berichtet Michael Leyendecker vom katholischen Sportverband DJK: "Wir pochen darauf, dass die Vereine offensiv damit umgehen, Trainer und Betreuer schulen und mit Eltern und Kindern offen über das Thema reden." Absolute Transparenz sei nötig, zumal im Sport körperliche Nähe oft unausweichlich sei, etwa durch Hilfestellungen beim Turnen.

Menschen mit Behinderung werden deutlich häufiger Opfer

Auch in Heimerziehung und Behindertenarbeit sei weiter erhöhte Aufmerksamkeit nötig, ergänzt Thorsten Hinz von der Caritas Behindertenhilfe: Man dürfe nicht die Augen davor verschließen, dass Einrichtungen in diesem Bereich besondere Anziehungspunkte für potenzielle Täter sein könnten. "Studien zeigen auch, dass Mädchen und Frauen mit Behinderung zwei- bis dreimal so oft Opfer werden."

Eine weitere wichtige Baustelle im Kinder- und Jugendschutz sind die Medien. Ob Internetsucht, Cybermobbing, Hassrede, Gewalt oder Pornovideos auf dem Smartphone - "entscheidend ist die Medienbildung", betont Andreas Büsch von der Clearingstelle Medienkompetenz der Bischofskonferenz: Kinder und Jugendliche selbst, aber auch Jugendleiter, Eltern und Lehrer müssten lernen, verantwortungsvoll mit Medien umzugehen, "ohne diese zu verteufeln oder zu verbieten". Denn, so fragt Büsch in die Runde: "Wenn Sie am Wasser leben - bauen sie Dämme? Oder bringen sie den Kindern Schwimmen bei?"

Bischof Oster: Geborgenheit in der Schule ist der beste Schutz

Jugendbischof Stefan Oster verweist darüber hinaus auf Familie und Erziehung: Nach seiner Überzeugung sind Kinder und Jugendliche am besten geschützt vor Gefahren, wenn sie in einer "Atmosphäre von Geborgenheit und Angenommensein" aufwachsen und dabei lernen, dass nicht alle Bedürfnisse sofort befriedigt werden müssen. Der Geschäftsführer der Caritaskommission der Bischofskonferenz, Johannes Stücker-Brüning, fasst abschließend zusammen, Kinder- und Jugendschutz müsse ein Markenzeichen der katholischen Kirche bleiben - mit der Folge, "dass es doppelt fatal ist, wenn wir hier versagen". Eine "ehrliche Fehlerkultur mit Blick auf eine vielfach unangemessene Praxis in der Vergangenheit" sei daher extrem wichtig.

Von Gottfried Bohl (KNA)

Themenseite: Missbrauch

Der Missbrauchsskandal erschütterte die katholische Kirche in ihren Grundfesten. Seit 2010 die ersten Fälle bekannt wurden, bemüht sich die Kirche um Aufarbeitung der Geschehnisse. Katholisch.de dokumentiert die wichtigsten Etappen.