Kirchen gedenken mit einem ökumenischen Gottesdienst des Massemords an den Armeniern

Das Wort für den Mord

Veröffentlicht am 24.04.2015 um 00:00 Uhr – Von Von Gabriele Höfling – Lesedauer: 
Das Wort für den Mord
Bild: © dpa
Geschichte

Bonn ‐ Einhundert Jahre sind die Ereignisse nun her, doch noch immer sitzen die Wunden tief: Am 24. April 1915 begann der Massenmord an den Armeniern durch das Osmanische Reich. Je nach Schätzung fielen ihm bis zu 1,5 Millionen Menschen zum Opfer, ermordet in menschenunwürdigen Gefangenenlagern, zu Tausenden dahingerafft auf Todesmärschen oder bei Massakern.

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Noch heute sind die Ereignisse des Ersten Weltkriegs Streitpunkt der internationalen Politik: Während die Armenier für eine Anerkennung der Verbrechen als Genozid kämpfen, hat sich die Regierung der heutigen Türkei bisher geweigert, genau das zu leisten.

Gottesdienst mit sechs christlichen Kirchen

Mitten hinein in den politischen Streit setzen die Kirchen in Deutschland nun ein Zeichen des Gedenkens: Am Donnerstagabend feiern im Berliner Dom Angehörige von sechs christlichen Kirchen einen ökumenischen Gottesdienst, um an die Verbrechen an den Armeniern zu erinnern. Gegenüber katholisch.de zeigt sich Erzbischof Karekin Bekjian, der armenische Primas in Deutschland, dankbar für dieses Symbol: "Diesen ökumenischen Gottesdienst betrachte ich als den höchsten Ausdruck der ökumenischen Solidarität, die wir in Deutschland erfahren dürfen", erklärt er.

"Es ist ein Zeichen an die Öffentlichkeit, ein gemeinsamer Aufruf, dass Völkermorde niemals vergessen werden dürfen, ganz gleich, wie lange sie zurückliegen". Beim Gottesdienst mit dabei sind neben dem armenischen Erzbischof unter anderem der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx und Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland. Im Anschluss an den Gottesdienst spricht Bundespräsident Joachim Gauck.

Während die katholische Kirche im Aufruf zu dem Gottesdienst eindeutig von einem Genozid spricht, haben Bundestag und Bundesregierung aus Rücksichtnahme auf den politischen Partner Türkei diese Bezeichnung bisher vermieden. In der Frage der offiziellen Bezeichnung ist sich die internationale Gemeinschaft bisher nicht einig: Während 22 Staaten, darunter auch Frankreich und Russland, die Verbrechen als Völkermord anerkennen, tun sich etwa die Dänemark oder Großbritannien mit dieser Vokabel ähnlich schwer wie Deutschland.

Unrühmliche Rolle des Kaiserreichs

Hierzulande kam eine Kursänderung erst, nachdem in den vergangenen Tagen immer mehr Kritik an der zurückhaltenden Wortwahl laut geworden war: Im Antrag zu einer Bundestagsdebatte am kommenden Freitag wird nun doch einem "Völkermord" gesprochen – wenn auch in sehr zurückhaltender Form: Das Schicksal der Armenier stehe "beispielhaft für die Geschichte der Massenvernichtungen, der ethnischen Säuberungen, der Vertreibungen, ja der Völkermorde, von denen das 20. Jahrhundert auf so schreckliche Weise gezeichnet ist", heißt es da.

Erzbischof Karekin Bekjian begrüßt diese Wendung – vor allem vor dem Hintergrund, dass das deutsche Kaiserreich während der massenhaften Ermordung der Armenier eine unrühmliche Rolle gespielt hatte. Diplomatische Interventionen gegenüber dem damaligen Osmanischen Reich gab es nicht. Schließlich handelte es sich im Ersten Weltkrieg um einen wichtigen Verbündeten. Das Urteil des Düsseldorfer Historikers Michael Hesemann ist eindeutig: "Die deutsche Regierung tat damals alles, um das Bekanntwerden des Völkermords zu verhindern".

Viel engagierter war der Vatikan. Hesemann, der kürzlich ein Buch zum "Völkermord an den Armeniern" veröffentlicht hat , kommt zu dem Schluss, der damalige Papst Benedikt XV. habe "alles, was in seiner Macht stand, getan, um den Völkermord zu stoppen". Als der Vatikan 1915 von dem Vorgehen gegen die Armenier erfuhr, intervenierte das als Friedenspapst in die Geschichte eingegangene Kirchenoberhaupt persönlich bei Sultan Mehmet V. – jedoch ohne Erfolg. Als der Vatikan endlich die Antwort auf sein Protestschreiben erhielt, waren die Deportationen bereits zum großen Teil abgeschlossen.

Auch hundert Jahre später erhebt die katholische Kirche ihre Stimme. Am vorvergangenen Sonntag brandmarkte Papst Franziskus die Verbrechen während eines Gottesdienstes im Petersdom öffentlich als "Völkermord". Er löste so ein weltweites Echo aus, das die Debatte über die angemessene Betitelung der Massenmorde befeuert. "Die Stellungnahme des Papstes war eine sehr wichtige", analysiert Vatikankenner Ulrich Nersinger. Gerade die Kirche, die selber hohe moralische Anforderungen formuliere, stehe in der Pflicht, zu einem solchen Kriegsverbrechen nicht zu schweigen.

Wie wirkungsvoll und wichtig die Aussage des Papstes war, zeigt auch die Reaktion der Armenier. Die deutlichen und aufrichtigen Worte Franziskus‘ hätten "wie eine schmerzstillende Salbe auf unsere seit 100 Jahren klaffende und blutende Wunde" gewirkt, sagt Erzbischof Bekdjian. (mit Material von KNA)

Von Von Gabriele Höfling