Papst in Georgien mit Protesten empfangen

Demonstranten nennen Franziskus "Erzhäretiker"

Veröffentlicht am 30.09.2016 um 14:10 Uhr – Lesedauer: 
Papstreisen

Tiflis ‐ Dass sich in Georgien nicht alle auf den Papstbesuch freuen, war schon im Vorhinein klar. Der Empfang, den Franziskus am Freitagmittag einige Demonstranten bereiteten, war dennoch heftig.

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Papst Franziskus ist unter Protesten zu einer Visite im georgischen Tiflis gelandet. Am Rande des Hauptstadtflughafens empfingen ihn mehrere Dutzend Demonstranten mit Transparenten, die ihn als "Erzhäretiker" und "nicht willkommen" bezeichneten.

Bereits in den vergangenen Tagen hatten ultrakonservative Anhänger der georgisch-orthodoxen Kirche vor der diplomatischen Vertretung des Heiligen Stuhls in Tiflis gegen den Papstbesuch protestiert. Patriarch Ilia II. verurteilte diese Kundgebungen. Franziskus will im Kaukasus nach eigenen Worten den Dialog zwischen Kulturen und Religionen voranbringen. Als weitere Ziele seiner dreitägigen Mission in Georgien und Aserbaidschan nannte er in einem Grußtelegramm am Freitag die Stärkung der ökumenischen Bemühungen und der Katholiken in der Region.

Papst mahnt in Georgien zu Frieden

Am Freitagnachmittag traf der 83-jährige Ilia II. Franziskus (siehe Kasten). Das Verhältnis der georgisch-orthodoxen Kirche, der schätzungsweise 84 Prozent der Bevölkerung Georgiens angehören, zu den orthodoxen Schwesterkirchen und anderen christlichen Konfessionen gilt als schwierig.

Aktuell: Papst bei Patriarch: Neues ökumenisches "Feuer" nötig

Papst Franziskus hat bei einem Treffen mit dem georgisch-orthodoxen Patriarchen Ilia II. für eine vertiefte Ökumene geworben. Eine Welt, die "nach Barmherzigkeit, Einheit und Frieden dürstet!, verlange von den Kirchen !frischen Schwung und neues Feuer" in ihren Beziehungen, sagte der Papst beim Empfang im Patriarchatssitz in Tiflis. Er erinnerte an die beiden Apostel, auf die sich die Kirchen Roms und Georgiens zurückführen: "Petrus und Andreas waren Brüder." Beide Kirchen sollten zurückzulassen, was sie davon abhalte, gemeinsam Verkünder Christi zu sein. Mehrfach sprach er den 83-jährigen Ilia II. als "geliebten Bruder" an. Dieser, seit 1977 an der Spitze der georgisch-orthodoxen Kirche, sprach seinerseits von einer brüderlichen Verbundenheit der Kirchen von Tiflis und Rom. Es handele sich um einen "historischen Besuch" von Franziskus und eine Stärkung für ganz Georgien. (luk/KNA)

Nach seiner Ankunft mahnte Franziskus zur Beilegung der Konflikte im Kaukasus. Für die politisch Verantwortlichen müsse das Schicksal der Menschen an erster Stelle stehen, sagte er beim Empfang durch Georgiens Staatspräsident Giorgi Margwelaschwili in Tiflis. Kein Unterschied ethnischer, sprachlicher, politischer oder religiöser Art dürfe "als Vorwand gebraucht werden, um Divergenzen in Konflikte und Konflikte in endlose Tragödien zu verwandeln", so der Papst.

Mit Blick auf die Region des Kaukasus verlangte Franziskus die "Achtung der souveränen Sonderrechte jedes Landes im Rahmen des internationalen Rechtes". Dessen Grundsätze dienten einem geordneten und friedlichen Zusammenleben. Die "legitimen Unterschiede und Gegensätze" dürften nicht den Rahmen des Dialogs verlassen.

Staatspräsident: Georgien sucht nicht die Konfrontation

Namen nannte Franziskus nicht. Die Äußerungen schienen jedoch auf die Separation Südossetiens und Abchasiens von Georgien wie auch auf den Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien um Berg-Karabach zu zielen. Südossetien und Abchasien hatten sich 1992 unter anderem mit Verweis auf ethnische Interessen von Tiflis losgesagt. Beide Republiken werden international lediglich von Russland und wenigen anderen Staaten anerkannt.

„Lass die von Bomben ausgebrannten Völker die Freude deiner Auferstehung kosten, hebe den Irak und Syrien aus der Verwüstung.“

—  Zitat: Gebet des Papstes am Sitz der chaldäischen Kirche in Tiflis

Staatspräsident Margwelaschwili dankte dem Papst für dessen "Unterstützung der territorialen Integrität und Souveränität Georgiens". Zudem erinnerte er an den Kaukasuskrieg 2008; Margwelaschwili sprach von einer "russischen militärischen Aggression". 20 Prozent des georgischen Territoriums seien besetzt; 15 Prozent der Georgier müssten wegen ihrer Volkszugehörigkeit auf der Flucht leben, viele seien Gewalt, Entführungen, Mord und Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt, so der Präsident.

Georgien suche nicht die Konfrontation, sondern "lediglich einen Weg, der unser Land zur Befreiung von fremder Besatzung und zum Frieden führt", so Margwelaschwili. Dabei erinnerte er an den "Tag der Deutschen Einheit", der in wenigen Tagen begangen werde. Die friedliche Wiedervereinigung Deutschlands sei dank des geschlossenen Einsatzes der Staatengemeinschaft möglich geworden, sagte der Präsident.

Der Papst rief Georgien weiter auf, die Bedingungen von Stabilität, Gerechtigkeit und Achtung der Gesetzlichkeit zu schaffen. Es gelte, "das Wachstum zu fördern und die Chancen für alle zu mehren". Der Regierung bot er die "aktive Zusammenarbeit" der katholischen Kirche an. Zugleich bekundete er den Wunsch nach einem "vermehrten Dialog mit der angestammten orthodoxen georgischen Kirche". (luk/KNA)

30.09.2016, 15:47 Uhr: ergänzt um Aussagen des Papstes und des Präsidenten; 16:55 Uhr: ergänzt um den Aktuell-Kasten mit dem Besuch beim Patriarchen

Linktipp: Kaum Vorfreude auf den Papst

Ab Freitag besucht Franziskus das orthodox geprägte Georgien, wo nur 112.000 Katholiken leben. Obwohl der Papst sonst ein gutes Verhältnis zu den Ostkirchen pflegt, ist die Stimmung im Vorfeld unterkühlt.