"Der Alltag wird wiederkommen"
Das Gespräch mit dem katholischen Priester findet in einem Auto statt, vor dem Eingang des Flughafens. Der ist nach wie vor geschlossen. Eigentlich sollte der Airport am Mittwoch wieder öffnen, doch die Sicherheitsbehörden entschieden sich für einen Aufschub.
Gaillard spricht langsam, bedacht und mit tragender Stimme. Zwischendurch wischt er immer wieder etwas Staub von den Armaturen. Die Stimmung ist gedrückt. Es liegt etwas in der Luft, das noch nicht überwunden ist.
Gaillard war in der Stadt, als er von den Anschlägen erfuhr. Sofort machte er sich auf den Weg nach Zaventem - der Gemeinde außerhalb von Brüssel, in der der Flughafen liegt. In seinem hellblauen VW Polo fuhr er an Krankenwagen, Polizeiautos und Feuerwehrwagen vorbei. Dann sei er den Überlebenden begegnet. Es seien Inder, Italiener, Amerikaner und Menschen aus vielen anderen Nationen gewesen.
Sicherheitskräfte brachten die Betroffenen in eine Sporthalle in der Nähe. Gaillard war für sie da. Manche hatten ihr Gepäck bei den Explosionen fallen lassen, andere alle ihre Reisedokumente verloren. Selbst starke Persönlichkeiten seien in diesen Momenten des Terrors zerbrochen. "Sie haben alles gesehen und gehört; sie waren Zeugen", sagt Gaillard ergriffen. Er berichtet von einer Mutter und einem Vater, die mit ihrem Kind um ihr Leben gerannt seien. "Sie standen unter Schock", sagt er.
"Gott war auch in all diesem Unglück präsent"
Manche Menschen hätten ihm erzählt, dass sie gespürt hätten, dass sie jemand in diesem Moment beschützt habe. "Gott war auch in all diesem Unglück präsent", sagt der Geistliche. Zwei Männer seien zu ihm gekommen und hätten gesagt, dass sie nun zum Wallfahrtsort Lourdes fahren wollten. Sie hätten gespürt, dass es etwas Größeres gebe.
Es war Zufall, dass Gaillard im Moment der Explosion nicht am Flughafen war. Der Seelsorger hat dort ein Büro, trifft die Angestellten, Polizisten, Zollbeamten und Obdachlosen jeden Tag. Manchmal nur, um Hallo zu sagen, manchmal um länger zu reden. "Wir sind eine große Familie hier", sagt er. Gleichzeitig bereue er, nicht da gewesen zu sein, als die Bomben explodierten. "Als Priester möchte ich bei den Menschen sein, wenn ihnen etwas zustößt." Für manche Angestellte sei es der schwierigste Moment in ihrem Leben gewesen.
Um Gaillards Nacken hängt das graue Schlüsselband des Flughafens. Es ist etwas abgenutzt, aber das rot-weiße Logo ist noch gut zu erkennen. Man hat das Gefühl, das Band gehört zu ihm. Seit zehn Jahren arbeitet der Priester als Flughafen-Seelsorger in Brüssel-Zaventem. "Es ist ein Ort der Hoffnung auf eine bessere Welt, Sonne und ein Ort der Ankunft, aber auch des Lebens", findet er.
Die Bilder der Verletzten lassen viele nicht mehr los
20.000 Menschen arbeiten am Flughafen. "Sie wurden mitten ins Herz getroffen", sagt Gaillard. Viele ließen die Bilder der Verletzten nicht mehr los. Hinzu komme, dass sie derzeit keinen Alltag hätten. Weil der Flughafen geschlossen sei, könnten sie ihrer Lebensaufgabe im Moment nicht nachgehen. Darum organisiert der Seelsorger Gottesdienste für die Angestellten, besucht die Verletzten im Krankenhaus und bereitet sie auf die Wiedereröffnung vor. Er und die Flughafenmitarbeiter müssten ihren Alltag wiederfinden und versuchen, mit den Erfahrungen zu leben. Aber Gaillard sagt auch: "Wir werden dieses Ereignis nicht vergessen."
Nach dem Gespräch steigt der Geistliche aus dem Auto aus und betrachtet den verschlossenen Flughafeneingang, wo sich sonst Tausende Menschen mit ihren Koffern tummeln. "Ein bisschen habe ich einen Anschlag erwartet, aber nicht so extrem", sagt er. Was bleibe, sei das Warum. Es ist ruhig an diesem Tag vor dem Flughafen. Kein Lärm von ankommenden Maschinen, nur das Zwitschern der Vögel. Doch der Alltag werde wiederkommen, meint Gaillard. "Vielleicht ein bisschen anders als vorher", fügt er nachdenklich hinzu.