Der Höchste, der Tiefste, der Weiteste
Pilgern ist in den letzten Jahren wieder in Mode gekommen – und das nicht erst seit Hape Kerkelings Bestseller "Ich bin dann mal weg" über seine Reise auf dem Jakobsweg. Sich zu Fuß, mit dem Fahrrad oder anderen Verkehrsmitteln auf eine Wallfahrt zu begeben, ist ein Erlebnis, das den Blickwinkel auf sein eigenes Leben verändern kann. Einige Pilgerstätten befinden sich ganz in der Nähe, andere können am Ende der Welt liegen. katholisch.de stellt die außergewöhnlichsten Pilgerorte vor.
Einen Wallfahrtsort zu besuchen ist eine Tradition, die fast alle Religionen kennen. Daher existieren Pilgerstätten, die von Gläubigen unterschiedlicher Religionen aufgesucht werden. Besonders im Heiligen Land befinden sich viele dieser Wallfahrtsorte, da die drei abrahamitischen Religionen Judentum, Christentum und Islam dort eine lange Geschichte haben. So werden in der Höhle Machpela in Hebron die Gräber der Patriarchen Abraham, Isaak und Jakob sowie von deren Frauen Sara, Rebekka und Lea von Gläubigen dieser drei Religionen verehrt – aus unterschiedlichen Gründen: Für die Juden sind die sechs Erzväter und -mütter die Gründer ihres Volkes und markieren den Beginn der Geschichte Israels mit Gott. Deshalb sind ihre Gräber nach Jerusalem der zweitwichtigste religiöse Ort des Judentums. Die Muslime erkennen im Patriarchen Abraham den ersten Muslim und einen Vorläufer Mohammeds. Und die Christen sehen sich nach neutestamentlichem Zeugnis in der Tradition Abrahams, der an den einen Gott glaubte. Deshalb gibt es in der Nähe der Höhle Machpela Gotteshäuser aller abrahamitischen Religionen. Doch das Zusammenleben ist auch an diesem heiligen Ort nicht immer friedlich: Regelmäßig kommt es wegen des Grabs zu Konflikten zwischen jüdischen Siedlern und arabischen Einwohnern. Zuletzt protestierte Israel Anfang Juli, als die Unesco Hebron zum Weltkulturerbe erklärte und damit dem Antrag der palästinensischen Autonomieregierung entsprach.
Eine weitere Stätte der Auseinandersetzung war lange der Berg der Kreuze in Litauen. Es ist der Pilgerort mit der wahrscheinlich höchsten Dichte an Kreuzen. Im Norden des baltischen Landes, nahe der Stadt Šiaulia, gibt es einen zehn Meter hohen Hügel, der mit Kreuzen übersäht ist. Ihren Ursprung hat die unübersichtliche Anhäufung der verschieden großen Kruzifixe im 19. Jahrhundert. Nach mehreren Aufständen gegen die russischen Herrscher begannen litauische Frauen damit, auf dem Hügel Kreuze zum Andenken an ihre getöteten Männer und Söhne aufzustellen. Andere Erzählungen berichten, dass die Rebellen selbst auf dem späteren Wallfahrtsort gekreuzigt wurden. Während der Zeit des Kommunismus wurde der Hügel für die traditionell katholischen Litauer ein Ort des Widerstands. Deshalb entfernte der Staat 1961 erstmals die sich dort befindlichen 2179 Kreuze. Doch die Litauer gaben sich nicht geschlagen: Sie stellten auf dem kleinen Berg weiterhin Kreuze auf, weshalb die Räumung in den 70er Jahren mehrmals wiederholt wurde. Immer wieder begannen die Litauer von neuem, ihren Protest durch das Aufstellen von Kreuzen zu zeigen, sodass die Kommunisten den Berg der Kreuze schließlich bestehen ließen. Wie viele Kreuze es auf dem Hügel gibt, ist nicht bekannt. Anfang der 90er Jahre versuchten litauische Studenten die Kreuze und Rosenkränze, die an die Kreuze gehängt wurden, zu zählen – und gaben bei 50.000 auf. 1993 besuchte Papst Johannes Paul II. den Berg der Kreuze und beauftragte Franziskaner mit der Betreuung des Wallfahrtsortes. Dem Ort wird eine mystische Stimmung nachgesagt, besonders wenn die Rosenkränze im Wind klappern.
Dossier Pilgern: Auf dem Weg zu Gott
Ob nach Lourdes, Fatima, Santiago oder Kevelaer: Jährlich pilgern etwa 40 Millionen Christen. Katholisch.de stellt die Tradition der Wallfahrt, wichtige Bräuche und bekannte Pilgerziele vor.Der höchste Wallfahrtsort Europas befindet sich auf einem anderen Berg: Der italienische Gipfel Rocciamelone liegt in den südwestlichen Alpen und galt mit seinen 3538 Metern lange als höchster Berg des Gebirges. Bereits seine Erstbesteigung hatte den Charakter einer Wallfahrt, denn Bonifacio Rotario d’Asti bedankte sich damit 1358 dafür, der Sklaverei der Türken entkommen zu sein. Er stellte auf dem Gipfel ein einfaches Marienbild auf. Heute stehen dort eine hohe Marienstatue und eine Kapelle. Jedes Jahr findet am 5. August die Wallfahrt zur Madonna della Neve, der Patronin des Ortes, statt. Der Gipfel ist über einen ausgebauten Weg zu erreichen und damit einer der am leichtesten zu besteigenden "Dreieinhalbtausender". Ist man oben angelangt, bietet der Ausblick eine beeindruckende Rundsicht auf die umliegenden Berge der Alpen, etwa auf den höchsten Berg der Gebirgskette, den Mont Blanc.
Wer das genaue Gegenteil zum Rocciamelone sucht, muss in den Nahen Osten pilgern: Der am tiefsten gelegene Wallfahrtsort der Welt ist die Taufstelle Jesu im Jordan. Der Jordangraben, der heute die Grenze Israels und des Westjordanlands mit Jordanien markiert, gehört zu den tiefsten Senkungen der Erdoberfläche. Die Mündung des Jordan in das Tote Meer befindet sich 415 Meter unter Normalnull. Die Stelle, an der Johannes der Täufer Jesus getauft haben soll, befindet sich in der Nähe der Stadt Jericho und liegt damit ein paar Meter höher als die Jordanmündung. Jeweils westlich des Jordan in Israel und östlich in Jordanien gibt es Pilgerorte, an denen der Taufe Jesu gedacht wird. Nahe der jordanischen Stätte im Wadi Al-Kharrar gab es zur Zeit der ersten Christen Gebäude, die auf eine frühe Verehrung des Taufortes Jesu hindeuten. Papst Franziskus besuchte die Taufstelle, welche die Bibel "Bethanien jenseits des Jordans" nennt, bei seiner Reise ins Heilige Land im Jahr 2014. Es gehört seit 2015 zum Weltkulturerbe.
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Der Wallfahrtsort, der wahrscheinlich am weitesten von Deutschland entfernt ist, befindet sich auf der anderen Seite der Erde, in Neuseeland. Auch wenn der Katholizismus der vorherrschende christliche Glaube in dem Inselstaat ist, gibt es dort keine international bedeutenden Pilgerziele. Dennoch gehen auch die neuseeländischen Katholiken auf Pilgerfahrt. Ein beliebtes Ziel ist das Grab des ersten Bischofs von Neuseeland in Motuti auf der Nordinsel Neuseelands. Der französische Geistliche Jean Baptiste Pompallier kam 1838 als Apostolischer Vikar für Westozeanien nach Neuseeland. Zehn Jahre später wurde er der erste Bischof der Diözese Auckland. Dort baute er kirchliche Strukturen auf und wirkte als Missionar bei den Maori. 1871 starb Pompallier, der aufgrund gesundheitlicher Probleme nach Europa zurückgekehrt war, im Alter von 69 Jahren in der Nähe von Paris und wurde dort begraben. 2001 exhumierten neuseeländische Gläubige seine Überreste und brachten sie nach Neuseeland. Die Überführung ähnelte dem Hikoi, einem wallfahrtsähnlichen Marsch der Maori: Die Überreste Pompalliers wurden rund um die Uhr begleitet und letztlich unter dem Altar der Marienkirche in Motuti bestattet. Die neuseeländischen Katholiken veranstalten regelmäßig Wallfahrten, um bei den Reliquien ihres ersten Bischofs zu beten.