Franziskus äußert sich zu künstlicher Empfängnisverhütung und Aids

Der Papst und die Kondome

Veröffentlicht am 02.12.2015 um 00:01 Uhr – Von Thomas Jansen (KNA) – Lesedauer: 
Gesundheit

Vatikanstadt ‐ Um diese Frage kommt kein Papst herum, der nach Afrika reist. Auch Franziskus wurde auf seiner am Montag zu Ende gegangenen Reise gefragt: Sollte die Kirche ihr Kondom-Verbot angesichts von Aids lockern? Seine Antwort war typisch Franziskus.

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Die Frage stelle die Kirche vor ein Dilemma, sagte der Papst während seiner Pressekonferenz im Flugzeug. Es gelte abzuwägen zwischen der Verteidigung des Lebens und der Offenheit für neues Leben - "entweder das fünfte Gebot oder das sechste". Doch das sei nicht das eigentliche Problem Afrikas, erklärte Franziskus. Das seien vielmehr Unterernährung, Sklavenarbeit, soziale Ungerechtigkeit und Ausbeutung von Menschen. Solange "Menschen an Hunger und Trinkwassermangel oder an ihrer Umwelt sterben"», wolle er sich "nicht mit derart kasuistischen Überlegungen" beschäftigen, erklärte Franziskus laut dem am Dienstag vom Vatikan veröffentlichten Transkript.

Zum Kondomverbot direkt äußerte sich der Papst auch diesmal nicht. Er verwies stattdessen auf die Frage der Pharisäer an Jesus, ob heilen auch am Sabbat erlaubt sei. Franziskus kommentierte dies mit den Worten "Es gibt die Pflicht zu heilen". Doch er sage der Menschheit: "Macht Gerechtigkeit, und wenn alle geheilt sein werden und es keine Ungerechtigkeiten mehr in dieser Welt geben wird, dann können wir über den Sabbat reden."

Weder "Ja" oder "Ja, aber" noch "Nein"

Die Unschärfe von Franziskus' Antwort ist bezeichnend. Sie liegt auf einer Linie mit seinen Äußerungen zum gemeinsamen Abendmahl von gemischtkonfessionellen Paaren sowie seinen Aussagen zum Kommunionempfang von wiederverheirateten Geschiedenen. In all diesen Fällen sagt er nie ausdrücklich "Ja" oder "Ja, aber nur in bestimmten Einzelfällen", wie es sich manche Progressiven wünschen, noch sagt er ausdrücklich "Nein" und bekräftigt damit einfach die traditionelle Lehre, wie es sich die Konservativen wünschen.

Franziskus denkt in anderen Kategorien. Entscheidend ist für ihn stets die seelsorgerische Perspektive und der Entscheidungsspielraum des Seelsorgers im konkreten Einzelfall. Der Papst benennt die Kriterien, die für dessen Entscheidung maßgeblich sind.

Papst Benedikt XVI. winkt vom Balkon auf den Petersplatz.
Bild: ©KNA

Benedikt XVI. hatte mit Blick auf die Aids-Problematik in Afrika einen verantwortlichen Umgang der Afrikaner mit Sexualität angemahnt.

Franziskus hat wiederholt die Enzyklika "Humanae vitae" gewürdigt, in der Paul VI. 1968 künstliche Empfängnisverhütung verbot. Er ging hierbei jedoch nie ausdrücklich auf das Verbot künstlicher Empfängnisverhütung ein. Während des Rückflugs von den Philippinen, als er auf das Thema angesprochen wurde, antwortete er im Januar mit dem berühmten Satz, auch Katholiken müssten sich nicht wie Karnickel vermehren, und forderte eine verantwortungsbewusste Elternschaft. Viele deuteten seine Äußerungen als Bestätigung der geltenden Lehre, andere interpretierten es als ein bewusstes Offenlassen der Frage.

Bereits Benedikt XVI. hatte während seiner ersten Afrika-Reise nach Angola und Kamerun 2009 gesagt, dass sich das Aids-Problem mit der Verteilung von Kondomen nicht lösen lasse. Entscheidend sei, dass die Afrikaner selbst durch einen verantwortlichen Umgang mit Sexualität dazu beitrügen, so Franziskus' Vorgänger. Solange dies nicht geschehe, vergrößerten Kondome das Problem noch. Sein Vorgänger Johannes Paul II. hatte 1993 bei einer Afrika-Reise die eheliche Treue als einziges Mittel bezeichnet, um "die tragische Wunde Aids" zu heilen.

Kondome im "begründeten Einzelfall" möglich?

Konkreter wurde Benedikt XVI. in einem 2010 veröffentlichten Interview-Buch. Wenn es darum gehe die Ansteckungsgefahr zu verringern, könne die Benutzung von Kondomen im "begründeten Einzelfall" ein "erster Schritt sein auf dem Weg hin zu einer anders gelebten, menschlicheren Sexualität", sagte er. Das sorgte für Aufsehen und Kritik in konservativen kirchlichen Kreisen.

Die Bischofssynode über Ehe und Familie äußerte sich Ende Oktober in ihrem Abschlusspapier zur Frage der künstlichen Empfängnisverhütung auffallend zurückhaltend. Ob sich Franziskus in seinem verbindlichen Dokument zur Synode, das in den kommenden Monaten erwartet wird, klarer positionieren wird als im Flugzeug, wird sich zeigen.

Linktipp: Natürlich oder künstlich?

"Familie und Kirche. Eine unauflösliche Verbindung", heißt ein neues Buch, das für Aufsehen in Italien sorgt. Der rund 550 Seiten starke Band enthält Beiträge namhafter Theologen und befasst sich mit verschiedenen Formen der Empfängnisverhütung.
Von Thomas Jansen (KNA)