Koptischer Bischof Damian über fünf Jahre "Arabischer Frühling" in Ägypten

"Der Psychoterror ist vorbei"

Veröffentlicht am 25.01.2016 um 11:39 Uhr – Von Andreas Otto (KNA) – Lesedauer: 
Bischof Anba Damian ist als Generalbischof der höchste Vertreter der koptisch-orthodoxen Kirche in Deutschland.
Bild: © KNA
Ägypten

Höxter ‐ Vor fünf Jahren begann mit dem "Tag des Zorns" der "Arabische Frühling" in Ägypten. Nach der Herrschaft der Muslimbrüder sei das Land inzwischen auf dem Weg, ein säkularer und liberaler Staat zu werden, sagt der koptische Bischof Anba Damian im Interview.

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Frage: Bischof Damian, der "Tag des Zorns" jährt sich an diesem Montag zum fünften Mal. Was geht Ihnen durch den Kopf?

Damian: Ich denke an die vielen jungen Menschen in meiner Heimat. Sie wollen in Freiheit, Demokratie und Frieden leben. Dafür haben sie auf dem Tahrir-Platz demonstriert. Ägypten muss seine ursprüngliche Würde wiedererlangen - seine freiheitliche Kultur, in welcher der Heiligen Familie Asyl gewährt wurde.

Frage: Immer wieder gibt es Terroranschläge von Muslimen auf Christen...

Damian: ...aber auf dem Tahrir-Platz haben Christen und Muslime gemeinsam für Freiheit und Toleranz demonstriert und nebeneinander Kreuz und Koran hochgehalten. Diese Bilder verlassen uns nicht mehr. Ich habe die große Hoffnung dass es mit Ägypten unter der neuen Regierung aufwärts geht.

Frage: Ägypten hat mit der "Arabellion" ein ziemliches Auf und Ab erlebt: den Sturz des Regimes von Hosni Mubarak mit Hilfe des Militärs, die Wahl des Muslimbruders Mohammed Mursi zum Staatspräsidenten, wieder Proteste gegen dessen Scharia-orientierte Politik, ein erneuter Militärputsch und im Mai 2014 wieder Wahlen. Wie beurteilen Sie die neue Regierung?

Damian: Der Psychoterror des Muslimbruders Mursi ist vorbei. Unter ihm und den Salafisten drohte die zarte Pflanze der Demokratie zu ersticken. Sie ist nun reanimiert worden. Mit der neuen Regierung von Abd al-Fattah as-Sisi ist Ägypten auf dem Weg eines säkularen und liberalen Staates.

Frage: Woran machen Sie das fest?

Damian: Sisi fordert die Muslime auf, Christen nicht gewaltsam Allah zu unterwerfen. Diese ganz neuen Töne stimmen mich hoffnungsfroh, dass die Vision von Freiheit in Ägypten verwirklicht werden kann. Allerdings könnte die Regierung mehr für die Gleichberechtigung der Christen etwa auf dem Arbeitsmarkt und deren Schutz vor Gewalt tun. Hier klaffen Worte und Taten noch auseinander.

Linktipp: Chaos statt Freiheit

Vor fünf Jahren stürzte in Tunesien der erste arabische Diktator. Doch die Hoffnungen auf Freiheit und bessere Zeiten in Nordafrika und dem arabischen Raum haben sich nicht erfüllt. Stattdessen herrschen in vielen Ländern Chaos und Krieg.

Frage: Ihre Erwartungen sind also noch lange nicht erfüllt.

Damian: Natürlich haben wir unter den Aggressionen der islamistischen Kräfte zu leiden, die enorm zugenommen haben. Es ist schrecklich, wenn kleine Mädchen auf dem Weg zur Schule entführt, vergewaltigt oder zwangsverheiratet werden. Mein Heimatland benötigt Unterstützung beim Kampf gegen den Terrorismus. Eine verbohrte Ideologie lässt sich aber nicht allein mit Waffen bekämpfen. Es kommt sehr auf Bildung an, die den Horizont erweitert und in die wir deshalb viel investieren müssen. Vorbildlich ist etwa die "German University of Cairo". Institutionen dieser Art sollte Deutschland in Ägypten fördern.

Frage: Wie schätzen Sie die Rolle des sogenannten "Islamische Staats" (IS) ein?

Damian: Wir erleben in der Terrormiliz eine besondere Form konzentrierter Bösartigkeit. Dennoch schätze ich sie als nicht sehr stark ein. Auch hier gilt: Deren Ideologie kann nicht allein mit Waffen bekämpft werden. Und Europa muss darauf achten, dass es sich im Kampf gegen den IS auf loyale arabische Partner in der Region stützt und nicht selbst militärisch eingreift.

Frage: Große Kritik richtet sich auch gegen die Rolle von Saudi-Arabien im Nahen Osten.

Damian: Das ist voll berechtigt. Saudi-Arabien und Katar fördern in der Region Terrorismus und Zwangs-Islamisierung. Dabei sollten beide Länder mit den Petro-Dollars lieber Hungersnöte bekämpfen und Leiden lindern.

Frage: Wegen des IS-Terrors kommen viele Flüchtlinge nach Deutschland. Geht das Land richtig mit ihnen um?

Damian: Ich freue mich über das Engagement Deutschlands für notleidende Flüchtlinge. Ich mahne aber auch zur Vorsicht: Viele muslimische Flüchtlinge kommen über die Türkei nach Deutschland. Das ist alles andere als Zufall, sondern wohl kalkulierte Strategie des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan. Er fördert den Zuzug der Muslime, um damit Deutschland zu islamisieren.

Von Andreas Otto (KNA)