Der Weg des Leidens
Jedes Jahr am Karfreitag kommen Christen zusammen, um an das Leiden und den Tod Jesu zu erinnern. Dabei gehen sie oft den Kreuzweg nach, den Weg, den Jesus von seiner Verurteilung bis zu seinem Tod am Kreuz gegangen ist. Ihren Ursprung hat diese Tradition am Originalschauplatz in Jerusalem: Vom Amtssitz des römischen Statthalters Pontius Pilatus bis zum Ort der Kreuzigung, dem Hügel Golgotha. Heute ist die Via Dolorosa, der "Leidensweg", gesäumt von Kapellen, Kirchen und Klöstern.
Nicht nur in der Karwoche, sondern jeden Tag beten dort die Franziskaner in einer Prozession den Kreuzweg, immer um 15 Uhr, der Sterbestunde Jesu. Schon seit dem 14. Jahrhundert pflegt der Orden diese Form der Frömmigkeit, Jerusalempilger trugen sie in alle Welt.
Kreuzwege, wie wir sie heute kennen, sind seit etwa 1500 in Europa nachgewiesen. Eine feste Form gab es damals noch nicht: Manchmal wurde nur eine Strecke für einen Andachtsweg abgesteckt, die genau so lang sein sollte wie der echte Kreuzweg der Tradition nach gewesen sei. Oft aber wurden aufwendige Anlagen errichtet, um den Kalvarienberg, den Ort der Hinrichtung, möglichst wirklichkeitsnah nachzustellen. Auch die Anzahl der Stationen entwickelte sich erst mit der Zeit: Zu Beginn oft sieben, den sieben Horen des Stundengebets nachgebildet, später zwölf, die im 17. Jahrhundert durch den spanischen Franziskaner Antonius Daza auf die heute üblichen 14 ergänzt wurden.
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Nicht alle Stationen haben einen biblischen Ursprung: Dass Veronika Jesus ein Tuch reicht, um Schweiß und Blut abzuwischen steht nicht in der Bibel, ebenso wenig, dass der Gepeinigte dreimal fällt.
Die 14 Stationen von Antonius Daza sind heute immer noch üblich – gelegentlich werden sie aber um eine weitere ergänzt: Im 18. und 19. Jahrhundert wurde als 15. Station oft die "Kreuzauffindung" dargestellt in Erinnerung an Helena, die Mutter des römischen Kaisers Konstantin, die das Kreuz Christi im dritten Jahrhundert wiedergefunden haben soll. Zeitgenössische Kreuzwege setzen als Nummer 15 oft die Auferstehung ans Ende.
Heute findet sich in jeder katholischen Kirche ein Kreuzweg. Das ist das Vermächtnis eines weiteren Franziskaners: Fast 600 Kreuzwege soll der heilige Leonhard von Porto Maurizio errichtet haben. Der in Italien wirkende Volksmissionar überzeugte 1731 die vatikanische Ablasskongregation davon, Kreuzwegdarstellungen in allen Kirchen errichten zu lassen.
Einer dieser Kreuzwege des heiligen Leonhards gehört heute, neben der Via Dolorosa in Jerusalem, zu den wohl bekanntesten: Papst Benedikt XIV. gab zum Abschluss des heiligen Jahres 1750 einen Kreuzweg am Kolosseum in Rom in Auftrag. 200 Jahre später griff Paul VI. diese Tradition wieder auf: Seit 1964 wird dort eine Kreuzwegandacht mit dem Papst gebetet, jedes Jahr mit eigens dafür geschriebenen Andachtstexten.