Im Kloster Marienberg spielt Weinanbau eine besondere Rolle

Die höchstgelegene Benediktinerabtei Europas

Veröffentlicht am 02.09.2017 um 13:00 Uhr – Lesedauer: 
Klöster

Vinschgau ‐ Das Kloster Marienberg in Südtirol ist auf vielerlei Weise besonders. Es ist nicht nur die höchstgelegene, sondern auch eine der eindrucksvollsten Benediktinerabteien in Europa.

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Die Abtei Marienberg: Schon von weitem rückt sie in den Blick des Vinschgau-Reisenden. Die mächtigen weißen Mauern erinnern an eine Burg, aber die zahlreichen Türme der Gebäude mit dem Kirchturm im Mittelpunkt zeigen nach oben, in den Himmel, und weisen es als Kloster, als "Klosterburg" aus. Vor rund 900 Jahren von Benediktinermönchen in eine großartige Bergwelt hinein errichtet, leuchtet die Abtei bis heute weit in den Oberen Vinschgau in Südtirol hinein.

Das Kloster Marienberg liegt auf 1340 Metern Höhe und ist damit die höchstgelegene Benediktinerabtei in Europa – und auch eine der eindrucksvollsten und schönsten. Zunehmend wird sie zu einem Magnet für Wanderer und Pilger – und Menschen, die das Kloster als Ort der Ruhe und Selbstfindung entdecken. Beim Kloster kreuzen sich Wege, die bereits vor Jahrhunderten wichtige Verbindungen über und in den Alpen darstellten. Unterhalb, zu Füßen der Abtei, erhebt sich die Fürstenburg. Fast scheint es so, als sei sie nur gebaut, um das Kloster zu schützen wie einen ganz besonderen Schatz.

Klimatische Besonderheiten

Dass der Weinberg mit Rekordhöhe im Vinschgau liegt, hat mit den klimatischen Besonderheiten der Region zu tun. Hier scheint die Sonne so häufig wie kaum anderswo im Alpenraum, und auch die relative Trockenheit – rund 500 Millimeter Niederschlag im Jahr und die wie Entfeuchter wirkenden Fallwinde – fördern das Heranreifen eines außergewöhnlich guten Weines.

Dass jetzt am Fuß seines Klosters Weinreben wachsen und im Jahr 2017 erstmals eine nennenswerte Ernte zu erwarten ist, freut Abt Markus Spanier (56). Er stammt aus der Pfalz und beschreibt sich als "Fan" des Weines – auch und gerade wegen seiner Symbolhaftigkeit im Christentum. Hinzu kommt, dass Wein und Klöster in einer fast symbiotischen Beziehung zueinander stehen. Im Mittelalter waren viele Klöster, gerade auch die der Benediktiner, Zentren der Weinkultur sowie Pflege und Forschungsstätten des Weinbaus.

Bild: ©Vinschgau Marketing / Alex Filz

Ein Benediktinerpater bei der Arbeit im Klostergarten von Marienberg.

Auch heute stehen Klöster für die Produktion von Spitzenweinen. In Südtirol, in Nachbarschaft des Vinschgau, zum Beispiel die Abtei Muri Gries bei Bozen, wo nach Aussagen der dortigen Mönche der beste Südtiroler Lagrein wächst, ein samtiger, rubinroter Wein, der nach Veilchen und Brombeeren duftet. In den Weinbergen des Klosters Neustift bei Brixen reift der seltene Rosenmuskateller heran, ein üppiger Süßwein, der zum Dessert gereicht wird. Auch die Nachfolgerinnen der berühmten Heiligen Hildegard von Bingen bauen rund um ihr Kloster in Rüdesheim Wein an, der weit über die Region hinaus hoch geschätzt ist.

Diesen berühmten "Weinklöstern" will Abt Spanier mit seiner Abtei Marienberg keine Konkurrenz machen. Der Beginn seines Engagements in Sachen Wein hatte mit der Beobachtung zu tun, dass der steile Hang unterhalb des Klosters sich einer sinnvollen Nutzung geradezu zu widersetzen schien. Selbst Hochlandrinder wollten sich mit dem Areal nicht so recht anfreunden. "Warum kein Weinberg?", bringt dann ein Freund des Klosters den verwegenen Plan erstmals ins Gespräch. Wein in dieser Höhe? Geht das? Abt Markus sucht den Kontakt zur Familie Van den dries, die für ihre unorthodoxen und innovativen Methoden in Sachen Weinanbau in der Region bekannt ist.

Von der Reederei zum Weingut

Der passionierte Bergsteiger Frans Van den dries, ein Belgier, hat sich bei seinen Urlaubstouren "in Südtirol und vor allem in den Vinschgau verliebt", wie er den Gästen seines Weinguts Calvenschlössl bei einem abendlichen Glas Wein erzählt. Früher galt die Leidenschaft des 78-Jährigen Eiswänden sowie dem höchsten Berg Südtirols, dem nahegelegenen Ortler, und der italienischen Königsspitze. Heute ist der Wein seine Passion.

Im Jahr 2002 verkaufte der Flame seine Anteile an einer Reederei und erstand mit seiner Frau Frieda das Anwesen am Rande des Dorfes Laatsch: an einem fast magischen Ort mit weitem Blick über die fruchtbare Malser Heide mit ihren Dörfern und deren Kirchtürmen. Bald schon begann die "Aussteiger-Familie" – als Quereinsteiger, jedoch mit qualifizierter Beratung – mit dem Weinanbau. Aus den Urlaubern wurden Vinschger Weinbauern. "Nach strengen biologischen Kriterien", was der Familie Van den dries wichtig ist. So wird die Kirchessigfliege mit einem Gemisch aus Apfelessig, Rotwein, Wasser und Spülmittel in Köderfallen bekämpft. Die Familie setzt vor allem auf Solaris-Reben, die einen harmonischduftigen Weißwein ergeben. Die Sorte gilt als robust, mit einer späten Blüte und einer frühen Reifung, für den Anbau in einer Höhe von mehr als 1000 Metern Voraussetzung.

Bild: ©Van den dries

Frans und Hilde Van den dries im Weinberg.

Inzwischen gehört auch Tochter Hilde zum Familienbetrieb, um vor allem den Vater in den Weinbergen zu unterstützen. Sie hat ihren gut bezahlten Job in Antwerpen an den Nagel gehängt, nochmals eine Ausbildung gemacht und ist jetzt Vollzeit-Winzerin. Sie bereut ihre Entscheidung nicht. "Ich liebe die Arbeit in der Natur, mit den Pflanzen und den Tieren, und das alles in dieser grandiosen Landschaft", bekennt sie, und sie kann sich nichts anderes mehr vorstellen. Die harte Arbeit nimmt sie als Herausforderung, desto mehr genießt sie die nicht sehr häufigen Stunden der Muße und Entspannung.

Seit 2011 bewirtschaftet die Familie Van den dries jetzt die Flächen unterhalb des Klosters Marienberg. Zwischen den Rebzeilen wachsen verschiedene Kleesorten, Wildkräuter und Wildbeeren. Der Anbau geschieht grundsätzlich sehr schonend. So kommen beim Transport der geernteten Trauben auch Cornelius, Gina und Leila als Erntehelfer zum Einsatz – die drei freundlichen Esel der Winzerfamilie, die helfen, Material und Körbe mit geernteten Reben den Berg hochzutragen.

Abt Markus freut es: "Das alles verleiht dem Weinberg einen ganz besonderen Charakter und ist ganz in unserem Sinne. Qualität ist auch uns sehr wichtig, geht uns vor Quantität", unterstreicht er und lässt anklingen, dass er sich im Herbst 2017 dennoch einen guten Ertrag erhofft. "Wir denken daran, den Wein aus dem Klosterweinberg in unserem Klosterladen zu verkaufen", erläutert er und lächelt. Der Abt hat in den zurückliegenden Sommern selbst ab und an mit Hand angelegt, etwa beim Jäten von Unkraut, und an heißen Tagen ist er manchmal auch besonders früh aufgestanden, im Morgengrauen, vor der ersten Gebetszeit, um die Rebstöcke zu bewässern. Der drahtige, fast asketisch wirkende Ordensmann verweist auf das Ora und Labora – bete und arbeite – in der Ordensregel, nach der die Mönche im Kloster Marienberg leben. Der Ordensgründer, der heilige Benedikt von Nursia, hält dort fest: "Erst dann sind sie wahre Mönche, wenn sie von ihrer Hände Arbeit leben."

Beten und Arbeiten unaufgebbar

Das Gebot nehmen die Benediktinermönche im Kloster Marienberg ernst. Insgesamt leben sie hier zu elft: fünf Deutsche, fünf Südtiroler und ein Schweizer. Sie arbeiten in der Seelsorge der umliegenden Gemeinden, in der Jugendarbeit und Erwachsenenbildung sowie in den verschiedenen Bereichen der Abtei, im Klosterladen, in der neuen Bibliothek, in der Gästebetreuung.

"Der Zusammenhang zwischen Beten und Arbeiten ist für uns unaufgebbar", sagt Abt Markus. "Kopflastigkeit tut auf Dauer nicht gut." Daher erledigen die Mönche einen Großteil der Alltagsarbeiten selbst, betreuen die Gärten rund um das Kloster. Sie haben auch die alte Tradition des Brotbackens im historischen Backhaus und die Imkerei wieder aufleben lassen. Und so trifft man den Abt öfters in der Küche oder in der Bäckerei. "Letztlich ist es unser authentisches Leben als Benediktiner nach den Regeln unseres Ordensvaters Benedikt, das ein Kloster anziehend macht und ihm Zukunft geben wird", ist sich Abt Markus Spanier sicher.

Bild: ©Vinschgau Marketing / Frieder Blickle

Einzigartige Lage: die Abtei Marienberg samt Weingut am Hang.

Die Mönche von Kloster Marienberg knüpfen mit dem Anbau von Wein an alte Traditionen an: Besonders stolz ist Abt Markus in diesem Zusammenhang auf einen Weinkeller aus romanischer Zeit – nachweislich belegt im Jahr 1170. Verwinkelte Gänge führen zu dem Raum unter den Klostergebäuden. Der große alte Schlüssel, den der Abt aus einer Steinnische zieht, öffnet die Tür zu einem Raum mit Steinfußboden, moderner Einrichtung, Weinregalen an der Seite, angenehmem Licht. Wein als Kulturgut, Gemeinschaft stiftend, mit vielen Bezügen zum christlichen Glauben – das ist die Botschaft, die der Raum ausstrahlt. Wein spielt im christlichen Glauben eine große Rolle. In der Bibel wird er an 600 Stellen erwähnt. Nach biblischer Überlieferung gilt Noah gar als der erste Weinbauer (Gen 9,20). Bevor der Islam sein Weinverbot einführte, war Palästina ein reich gesegnetes Weinland. Getreide, Öl und Wein gehörten zur normalen täglichen Nahrung.

Der Wein erfreut das Herz des Menschen, sagt der Psalmist. Die Heilige Schrift zeichnet uns das Bild vom Weinstock und den Reben, und Jesus hat den Wein deshalb als Symbol für sein Leben eingesetzt. Nicht umsonst spielt der Wein auch in der christlichen Liturgie eine zentrale Rolle.

Ein viertel Liter Wein ist gesund

Für den ganz alltäglichen Weingenuss gibt der heilige Benedikt in seiner Ordensregel seinen Mitbrüdern eine weise Maßgabe an die Hand. Benedikt schreibt, "dass für jeden täglich eine Hemina Wein genügt. Wem aber Gott die Kraft zur Enthaltsamkeit gibt, der wisse, dass er einen besonderen Lohn empfangen wird". Das alte römische Bechermaß Hemina entspricht etwa einem viertel Liter – was heutige Ernährungswissenschaftler ebenfalls für einen gesunden Menschen als verträglich einschätzen.

Im Kloster Marienberg finden Gäste und Besucher neben Angeboten wie Ausstellungen, Theater und Konzerten jetzt auch Weinführungen, zu denen die Familie Van den dries einlädt. Sie erfahren dabei Interessantes und Wissenswertes über die Böden und das Klima des Obervinschgau, über die hier angebauten Rebsorten und ihre Pflege – und über die Verbindung zwischen Wein und Klöstern.

Mit den Mönchen von Kloster Marienberg und der Familie Van den dries treffen zwei Lebensweisen aufeinander, die sich gegenseitig inspirieren. Da ist einerseits die flämische Reeder-Familie aus Belgien, die nun im Schatten der Berge als Weinbauern so ganz anders lebt als vorher – und damit das Interesse vieler Menschen weckt. Und da sind die Benediktiner, die auf ihre Weise noch radikaler "anders leben". Was auch immer die Besucher nun besonders anzieht: Im Kloster Marienberg finden sie Ruhe – und können eine Zeit lang das Leben der Mönche teilen.

Von Norbert Rönn

Das Magazin "der pilger"

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