Die klösterliche Läuterung der Partygirls
Fünf junge Frauen in Designerklamotten fluchen beim Versuch, ihre riesigen Koffer die Treppe hoch zu bekommen – in den Gästetrakt eines Konvents in Ostengland. Zwei von ihnen haben so kurze Röcke, dass Oberin Schwester Francis Ridler einschreiten muss, "weil ich so etwas nicht in dem Konvent sehen will". Unter dem Vorwand, sie würden auf eine zweiwöchige "spirituelle Reise" gehen, schickte der britische TV-Sender Channel 5 fünf "Party Girls" zu Ordensfrauen in das 7.000-Einwohner-Kaff Swaffham in der Grafschaft Norfolk. Einen Culture Clash hat der Sender für seine Mini-Doku-Soap dabei bewusst einkalkuliert: Auf der einen Seite stehen die 19- bis 23-jährigen "Party Girls", von denen zwei als Nachtclub-Tänzerinnen und die anderen als Club Hostess, Unterwäschemodel und Sekretärin arbeiten. Auf der anderen Seite ein Konvent mit acht Schwestern der seit 150 Jahren bestehenden Kongregation der Töchter der göttlichen Liebe.
Selbst der Name des TV-Formats ist doppeldeutig: "Bad Habits, Holy Orders" kann mit "Schlechte Angewohnheiten, heilige Weisungen", aber auch in Anlehnung an die Ordenstracht mit "Schlechte Habite, heilige Orden" übersetzt werden. Was das Projekt besonders macht, ist, dass die Ordensfrauen ihre Aufgabe und ihre Gäste ernst nehmen und es schaffen, die jungen Frauen durch Aufmerksamkeit und positives Vorleben zum Nachdenken über ihr bisheriges Leben und zu einer Neuausrichtung zu bringen. "Ich fühlte, dass es das ist, was Gott von mir will – es fühlte sich an wie Mission", sagte Schwester Linda im Anschluss an das Projekt der Lokalzeitung. "Das ist es, wozu ich Ordensfrau bin." Ausgestrahlt werden die vier Folgen zwar erst ab kommenden Donnerstag, aber da bereits im Frühjahr gedreht wurde, berichten britische Medien derzeit über die Veränderungen, die die fünf "Party Girls" während und nach der Zeit im Kloster durchgemacht haben.
Der Alltag und das Leben der jungen Frauen vor der Doku war nicht gerade gewöhnlich: Die 22-jährige Tänzerin Tyla Edwards gab jährlich 40.000 Pfund (ca. 45.000 Euro) für Designerklamotten und -Accessoires aus, Unterwäsche-Model Gabriella Ryan soll 20.000 Follower auf Instagram gehabt haben – inzwischen hat sie ihren Account auf dem Foto-Netzwerk gelöscht. Die Frauen geben zu, dass sie sich wegen des hohen Alkoholkonsums an die Hälfte ihrer bis zu sechs Partynächte pro Woche nicht erinnern können, und dass sie aufgehört haben, ihre One-Night-Stands zu zählen.
Im Konvent zeigen sich schnell die unterschiedlichen Lebensweisen: Während die 23-jährige Paige Wallace in hedonistischer Manier 15 Paar Schuhe dabei hat, trägt die 85-jährige Schwester Thomas More ihr Paar Schuhe seit 30 Jahren – länger als jede ihrer Gäste auf der Welt ist. Aber die Schwestern betonen immer wieder, dass es ihnen darum geht, jemanden nicht nach dem Aussehen zu beurteilen.
Die Ordensgelübde Armut, Keuschheit und Gehorsam gehören auch in den zwei Wochen des TV-Experiments zu den Regeln. Außerdem werden die Smartphones abgegeben, Alkohol ist verboten, ab 22 Uhr – wenn das Licht ausgeht – ist Zimmerlautstärke angesagt und bei den Gebetszeiten, die um 7:15 Uhr am Morgen beginnen, sollen die jungen Frauen auch dabei sein. Als die Mädels dennoch einmal harten Alkohol in den Konvent schmuggeln und erwischt werden, können sie die Reaktion der Ordensfrauen nicht glauben: Statt verärgert zu sein, sagen diese, dass sie enttäuscht sind und den Frauen das Gefühl geben wollen, von ihnen und Gott geliebt zu sein. "Die Idee der Vergebung schien neu in ihren Leben zu sein", sagte Oberin Schwester Francis der Daily Mail.
HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
Im Zusammenleben schenken die Ordensfrauen den "Party Girls" Aufmerksamkeit, bieten ihnen aber auch klar Paroli: "Es ist nicht schlimm, auf einen Drink auszugehen, aber sich am nächsten Tag nicht erinnern zu können, was man in der Nacht getan hat, zeugt von einem Mangel an Würde und Selbstachtung", sagt die jüngste Ordenschwester Michaela (23). Die Zeit ohne Handy und die Social-Media-Kanäle fängt bald an zu wirken: Die Sekretärin Paige Wallace stellt sich bald einen Wecker, um alleine vor allen anderen in die Kapelle zu gehen und alleine nachzudenken. Nach dem TV-Projekt kündigt sie ihren Job, heuert als Verkäuferin auf einem Kreuzfahrtschiff an und reist um die Welt, anstatt nur übers Reisen zu reden.
Inzwischen lebt auch die konsumfreudige Tyla Edwards schlichter und kauft Klamotten auch in Second-Hand-Charity-Shops, Model Gabriella Ryan zeigt ihre Fotos nur noch bei Agenturen und hat sich auf der Schauspielschule eingeschrieben. "Ich habe mein Leben lang gedacht, ich müsste Männern gefallen, aber die Nonnen haben mir eine andere Ansicht vermittelt: Sie wollen, dass wir glücklich sind und uns selbst respektieren", berichtet sie.
Die 19-jährige Tänzerin Rebecca Cheng, die zu Beginn des Klosteraufenthalts von ihren One-Night-Stands und Alkohol-Ausfällen erzählt, berichtet Monate später, dass sie nun "100 Prozent glücklicher" sei. Sie habe wieder eine bessere Beziehung zu ihren Freunden, die sie schon wegen ihrer ständigen Trunkenheit meiden wollten, und zu der Familie sowie einen festen Freund seit März, den sie gerne immer besser kennenlerne, statt die Beziehungen ständig zu wechseln. Auch die gleichaltrige Sarah Lawrence trank früher auf Partys mehr als nur über den Durst. Nach der Doku sei sie drei Monate in keinen Nachtclub mehr gegangen und gehe inzwischen nur noch einmal im Monat groß aus. Statt als Hostess arbeitet sie nun als Chefsekretärin.
Auch die Ordensfrauen haben bei dem Projekt gelernt: "Die Mädchen haben mir gezeigt, wie intelligente, selbstsichere Menschen im Leben den falschen Weg einschlagen können", sagt Schwester Francis und fügt hinzu: "Sie sind wunderbare, schöne Menschen, an die wir in unseren Gebeten denken." Laut der katholischen Zeitschrift The Tablet wurden für "Bad Habits, Holy Orders" erstmals seit einem Jahrzehnt TV-Leute zum Filmen in einen Konvent gelassen. Der Orden habe mitgemacht, weil die Frauen es leid waren, dass Ordensschwestern in der Populärkultur stets wie in "Sister Act" und "Nonnen auf der Flucht" dargestellt werden. Die TV-Doku zeichne nun ein ehrliches Porträt des religiösen Lebens und sei gut für die Kirche, so Schwester Francis. Mit den Mädels sind die Ordensfrauen weiterhin in Kontakt – sie chatten in einer Whats-App-Gruppe namens "WWSS – What Would Sister Say?".