Die schlimmste Papstreise von allen?
"Ich danke Gott, denn alles ist gut gegangen." Mit diesen Worten fasst Papst Franziskus seinen Besuch in Chile und Peru zusammen. Das Kirchenoberhaupt war Anfang der Woche nach Rom zurückgekehrt und zog in der Generalaudienz am Mittwoch ein positives Fazit seiner Visite an die Ränder Lateinamerikas. Er habe sich "mit dem Volk Gottes auf dem Weg in diesen Ländern treffen" können, so Franziskus. In Chile und Peru bewerten viele Kommentatoren den Papstbesuch jedoch etwas anders: So schrieb etwa der chilenische Journalist Juan Pablo Iglesias, dass Franziskus' Besuch einen "bitteren Nachgeschmack" hinterlasse. Und Patricia Luna, die Chile-Korrespondentin von France24, fragt sogar, ob der Besuch des Papstes in Chile "der schlimmste seines Pontifikats" gewesen sei.
Bereits im Vorfeld der Reise war klar, dass die Mission von Franziskus nicht einfach werden würde. "Der Papst trifft eine Kirche in der Krise", sagte Kardinal Ricardo Ezzati am Tag vor der Ankunft von Franziskus in Chile. Santiagos Erzbischof spielte damit auf den massiven Verlust an Glaubwürdigkeit an, den die chilenische Kirche in den letzten Jahren erlebt hat: Bezeichneten sich noch vor drei Jahrzehnten 70 Prozent der Chilenen als katholisch, sind es heute nur 59 Prozent. Die Kirche des Andenstaates erhoffte sich vom Papst eine Stärkung, um eine Kehrtwende zu schaffen.
Der Papst tat sein Bestes und ging in Chile auf die großen Probleme von Kirche und Gesellschaft ein: Er entschuldigte sich für den Missbrauch an Kindern durch Kleriker, mahnte zu mehr Engagement angesichts der wachsenden Migration und setzte sich für die Rechte der Mapuche, der chilenischen Ureinwohner, ein. Seine Botschaft fand nur wenig Widerhall, denn trotz seines Aufrufs an die Mapuche zur Gewaltlosigkeit brannten auch während des Papstbesuches Kirchen in Chile. Auch jetzt, nach der Abreise von Franziskus, gehen die Anschläge weiter – in den vergangenen 13 Tagen waren ebenso viele Kirchen das Ziel von Attacken.
Beim Thema des sexuellen Missbrauchs leistete sich Franziskus einen Fehltritt, der dazu führte, dass sein Besuch in Chile, aber auch in Peru mit dem schon erwähnten "bitteren Nachgeschmack" zurückblieb. In Chile ist der Fall des vormals sehr populären Priesters Fernando Karadima ein großer Schandfleck für die Kirche: Karadima hatte jahrzehntelang Jugendliche missbraucht, in seinem Einflussbereich sektenähnliche Strukturen aufgebaut und sich an kirchlichen Finanzen bereichert. Er wurde vom Vatikan zu einem zurückgezogenen Leben in Buße verurteilt, doch viele Chilenen vermuten, dass sein Einfluss auf den Episkopat des Landes immer noch beträchtlich ist. Sein Zögling Juan Barros wurde von Franziskus als Bischof von Osorno im Süden Chiles eingesetzt – gegen den Willen der Gläubigen. Während seiner Reise verteidigte Franziskus Bischof Barros öffentlich und stieß damit die Missbrauchsopfer und das ganze Land vor den Kopf. Der päpstliche Fauxpas war so groß, dass sich sogar Kardinal Sean O'Malley, der Vorsitzende der päpstlichen Kinderschutzkommission, genötigt sah, Franziskus öffentlich zu kritisieren. Bei der Pressekonferenz während des Rückflugs nach Rom entschuldigte sich der Papst schließlich für seine Wortwahl, blieb jedoch bei seiner Unterstützung für den umstrittenen Bischof.
Auch in Peru spielte das Thema Missbrauch eine verheerende Rolle: In Lima hängten Missbrauchsopfer ein Plakat an einem Hochhaus auf, das auf Franziskus' Worte zum umstrittenen Bischof Barros anspielte. Es zeigte neben dem Papst auch Luis Figari, den Gründer der Gemeinschaft "Sodalicio de Vida Cristiana". Figari hat in mehreren Fällen sexuellen Missbrauch begangen. Der Gründer der 1971 in Peru gegründeten Gemeinschaft von Laien und Priestern wurde 2016, wie Karadima in Chile, zu einem Leben in Buße und Gebet verurteilt. Erst kurz vor Beginn der Reise setzte der Vatikan einen Übergangsverwalter für die 20.000 Mitglieder zählende Vereinigung ein.
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Trotz dieser Kontroverse kamen die Peruaner sehr zahlreich, um den Papst zu sehen. Allein bei der Abschlussmesse auf dem Militärflughafen Las Palmas bei Lima nahmen 1,3 Millionen Gläubige teil. Fast so viele wie bei allen öffentlichen Auftritten des Papstes in Chile zusammen. Dort waren es insgesamt nur 1,5 Millionen. Die Luftbilder von den Messen des Papstes beim Nationalheiligtum in Maipú und Iquique zeigen eindrücklich das Desinteresse der Chilenen am Papst: Weite Teile der Areale blieben einfach leer.
Deshalb überrascht es nicht, dass der Papstbesuch das religiöse Klima in Chile kaum verändert hat: Im vergangenen Monat erhielt die Kirche 31 Prozent Zustimmung innerhalb der Gesellschaft. Unmittelbar nach dem Besuch von Franziskus sind es nun drei Prozentpunkte mehr – eine unwesentliche Verbesserung, aber immerhin besser als zuvor. Die Ablehnung der Kirche gegenüber verringerte sich im gleichen Zeitraum von 58 auf 56 Prozent. Der Papst selbst büßte jedoch an Beliebtheit ein. Bewerteten ihn im Juni noch 71 Prozent als positiv, sind es nach dem Papstbesuch nur noch 60 Prozent.
Welche Spuren der Papstbesuch in Chile und Peru auf lange Sicht hinterlassen wird, ist jetzt noch nicht abzusehen. Gegen die Auffassung einer Journalistin, dass die Lateinamerikareise ein Misserfolg gewesen sei, wehrte sich Franziskus auf dem Rückflug nach Rom vehement. "Das ist bloß eine Behauptung", so der Papst. "Die Straßen von Santiago sprechen für sich." Seiner Ansicht nach hätten viele Menschen seine Wege gesäumt – auch wenn Fotos ein anderes Bild zeichnen.