Jesuiten wollen mit "Mercy in Motion" Flüchtlingskindern helfen

Diese Schulhefte helfen

Veröffentlicht am 10.09.2016 um 13:01 Uhr – Von Gudrun Lux – Lesedauer: 
Flüchtlinge

München ‐ Die Jesuiten haben einen Plan: Bis zum Jahr 2020 wollen sie weltweit 100.000 Schul- und Ausbildungsplätze für junge Geflüchtete schaffen. Wie das klappen soll? Mit ihrem Projekt "Mercy in Motion".

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Akrams Bild ist eine Erinnerung an glückliche Tage. Ein Haus ist dort zu seinen, gelb, freundlich und freudig, davor arbeiten zwei Menschen im Garten, Blumen blühen, ein Baum wird gegossen. Akram ist zehn Jahre alt und kommt aus dem Nordirak. "Bevor das mit dem Krieg angefangen hat, war alles viel besser. Ich hatte viele Freunde und wir haben zusammen gespielt. Mein bester Freund hieß Saif", erzählt der Junge. Aufgeschrieben ist es als Klappentext in einem karierten Din-A4-Heft. Terroristen des sogenannten Islamischen Staates töteten Akrams Großvater, die Familie begab sich auf die Flucht. "Mir fehlen meine Freunde", sagt Akram und in der Einfachheit dieses Satzes fasst sich sein Heimweh und seine Erschütterung zusammen.

Wenn Einzelschicksale verschwinden

Mehr als 30 Millionen Kinder und Jugendliche sind weltweit auf der Flucht, eine unvorstellbar große Zahl – Einzelschicksale verschwinden darin. Die Jesuitenmission will sie sichtbar machen und gleichzeitig helfen, dass sie eine Chance auf Bildung haben. Deshalb starten sie eine Verkaufsaktion, die sich insbesondere an die fast achteinhalb Millionen Schülerinnen und Schüler in Deutschland und deren Eltern richtet. Sie wählen dafür ein Medium, das trotz iPad und Laptop aus den Schulen nach wie vor nicht wegzudenken ist: Schulhefte und Schulblöcke. Mehr als 200 Pfarreien in Bayern werden diese Woche Post bekommen, denn dort beginnt die Schule erst Mitte September wieder. Die Jesuiten bitten die Pfarreien um Mithilfe beim Bewerben der Aktion und beim Verkauf der Schulhefte.

Bild: ©katholisch.de

Akram ist zehn Jahre alt und kommt aus dem Nordirak. Auf seinem Bild hat er festgehalten, wie sein Leben aussah, bevor er und seine Familie vom IS vertrieben wurden.

Die Schulhefte und Collegeblöcke der Aktion "Mercy in Motion" sind liniert oder kariert, groß oder klein. Und ihnen allen ist gemein, dass sie eine Geschichte erzählen, in Wort und Bild. "Wir schaffen so eine Verbindung", erklärt Pater Klaus Väthröder SJ die Intention, warum die die internationale Kampagne hier in Deutschland mit dem Schulheftverkauf beworben und unterstützt wird. Der Missionsprokurator der Jesuiten möchte mit den Geschichten der Kinder eine Brücke schlagen zu den Schülerinnen und Schülern in Deutschland, eine Brücke, die Verständnis und Mitgefühl weckt. Gerade mit einem so alltäglichen Gegenstand wie einem Schulheft kann das gut gelingen, ist er überzeugt. "Das ist etwas ganz Normales – so wie der Alltag, von dem die Bilder und kurzen Texte der geflüchteten Kinder von deren Normalität, von deren Alltag erzählen."

Schulen wetten mit dem Oberbürgermeister

Besonders ambitioniert gehen die Straubinger Gymnasien den Verkauf der Hefte an: 7.777 Schulhefte und -blöcke wollen sie bis Ende September in ihrer Stadt verkaufen. Dafür haben sie eine Schulwette abgeschlossen, mit niemand Geringerem als dem Oberbürgermeister. Stadtoberhaupt Markus Pannermayr, 45, war einst selbst Schülersprecher des Straubinger Ludwigsgymnasiums, schätzt das Engagement der jungen Leute für andere – und freut sich darüber, dass alle vier Straubinger Gymnasien hier ein Gemeinschaftsprojekt auf die Beine stellen. Der Einsatz der Schüler, falls es nicht klappt: ein Benefiz-Abend für die Aktion.

Sollte der Oberbürgermeister hingegen verlieren, wird er die Chöre der vier Schulen persönlich am Klavier begleiten – auch auf einem Benefiz-Abend. Seine einzige Bitte: Die Chöre mögen laut singen, damit er möglichst leise spielen kann. Und selbstverständlich stellt die Stadt einen städtischen Saal für den Benefizabend zu Verfügung – der ja in jedem Fall über die Bühne geht.

Informationen zu "Mercy in Motion"

Informationen und Hintergründe zur Aktion "Mercy in Motion" finden Sie auf der entsprechenden Homepage. Dort gibt es auch einen Shop, in dem die Schulhefte und Collegeblöcke online bestellt werden können. 20 bis 50 Cent je Heft oder Block fließen direkt in die Bildungsprojekte.

Kindgerecht wird in den Heften erklärt, was das für Menschen sind, um die es geht: "Flüchtlinge sind Menschen ohne Heimat, ohne festen Boden unter den Füßen. Sie leben in einer Wartezone. Sie warten auf ein neues Zuhause oder auf die Möglichkeit, in ihre alte Heimat zurückzukehren", steht da. Dass die Jesuiten sich für die Bildung junger Geflüchteter engagieren, ist keine Überraschung. Seit der Ordensgründung 1540 nehmen sich die Jesuiten besonders dieser Aufgabe an. Der Flüchtlingsdienst der Jesuiten unterhält in 45 Ländern Hilfs- und Bildungsprojekte für Flüchtlinge aller Religionen und Nationalitäten. Die Zeichnungen für die Schulheft-Reihe stammen von Kindern und Jugendlichen aus diesen Projekten.

Für junge Menschen in Flüchtlingslagern hat es eine besondere Bedeutung zur Schule zu gehen. "Kinder und Jugendliche, die Schreckliches hinter sich haben und unter schlimmen Bedingungen leben, bekommen so einen strukturierten Alltag, eine Routine – und damit auch einen Halt im Leben. Das macht die Bildung vor Ort für das Hier und Heute wertvoll“, erklärt Pater Väthröder. "Mercy in Motion", das heißt: Barmherzigkeit in Bewegung. Mit der Kampagne, die von den Jesuiten international gestemmt wird, sollen 100.000 weitere Schul- und Ausbildungsplätze geschaffen werden – um jungen Menschen jetzt Halt und für später das Rüstzeug zu geben für eine selbstbestimmte Zukunft.

Von Gudrun Lux