Doch nicht gottlos in Kiel?
"Der Eifer, mit dem im Land Unterschriften gesammelt wurden, aber auch die Leidenschaft, mit der über den Gottesbezug bisher diskutiert worden ist, beeindrucken mich sehr", schreibt Erzbischof Heße am Montag in einem Brief an alle katholischen Pfarreien und Einrichtungen in Schleswig-Holstein. Darin bittet er die Gläubigen zudem, im "Einsatz für Gott in Schleswig-Holstein nicht nachzulassen".
Im Oktober 2014 hatte die Formulierung, das Parlament handle "in Verantwortung vor Gott und den Menschen" im Kieler Landtag nicht die notwendige Mehrheit der Abgeordneten erhalten. Deshalb startete im März dieses Jahres eine Volksinitiative, die sich seither für die Aufnahme des Gottesbezugs in der Landesverfassung einsetzt. Zu deren Initiatoren gehören unter anderem der frühere Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU), aber auch Vertreter des Islam und Judentums.
Schon mehr als 25.000 Unterschriften gesammelt
Ebenso unterstützen die beiden großen Kirchen die Initiative, deren Ziel es war, mindestens 20.000 Unterschriften zu sammeln. Denn die genügen, um das Thema erneut auf die Agende des Landtags zu bringen. Inzwischen ist die Hürde genommen und mehr als 25.000 Menschen haben für die Aufnahme des Gottesbezugs in die Landesverfassung unterschrieben. Nach der Sommerpause werden die Politiker in Schleswig-Holstein dann weiter darüber diskutieren. Eine Entscheidung wird voraussichtlich Ende des Jahres erwartet.
Bis dahin bittet Heße die Katholiken seines Bistums darum, das Thema nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. „Werben und diskutieren Sie bitte weiter“, schreibt der Erzbischof. Gleichzeitig erinnert er daran, bis zum 6. Juli alle Unterschriftenlisten einzusenden, "damit keine Unterschrift verloren geht". Denn Mitte Juli wollen die Initiatoren der Volksinitiative die Unterschriften an den Präsidenten des schleswig-holsteinischen Landtags übergeben.
"Ein deutliches Zeichen an die Politik"
Bereits vor wenigen Wochen hatte sich Heße dankbar gezeigt für die vielen Unterstützer und das Engagement der Katholiken seiner neuen Diözese. Es sei "ein deutliches Zeichen an die Politik", wenn es gelänge, den Gottesbezug in die Landesverfassung aufzunehmen, sagte er im Interview mit katholisch.de. Dadurch würde deutlich, "dass wir unser Leben jemand anderem verdanken und auch auf jemand anderen hin verantwortlich führen sollten". Das sei entlastend und für die Menschen grundsätzlich befreiend.
Der Heidelberger Völkerrechtler Matthias Hartwig formulierte Anfang Juni Ähnliches. Bei einem Vortrag in der Kieler Propsteigemeinde St. Nikolaus sagte er, dass der Gottesbezug den Landesverfassungen gut anstünde, um dem Menschen seine Grenzen zu zeigen: "Wir brauchen Gott, um Allmachtsfantasien zu unterbinden." Damit es Gott allerdings tatsächlich in die Verfassung schafft, muss der Landtag mit einer Zweidrittelmehrheit zustimmen. Doch selbst wenn das nicht geschieht, ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Denn dann können sich die Initiatoren um CDU-Politiker Carstensen vorstellen, einen Volksentscheid zur "Gottesfrage" anzustreben.