Ein Adventskalender für die Ohren
Was haben die Popsongs "Musik sein" von Wincent Weiss, "Keine Maschine" von Tim Bendzko und Robbie Williams' "Love my Life" mit dem Advent zu tun? Zumindest auf den ersten Ton: Nichts. Doch der Würzburger Diakon Manfred Müller hat sich die Lieder genauer angehört - und in einem Adventskalender mit 24 aktuellen Pop- und Rocksongs zusammengestellt. Hinter jedem Türchen zeigt Müller in kurzen Texten die christlichen Bezüge in den jeweiligen Songs auf — auch solche, die eher versteckt sind und sich beim zweiten Hinhören erschließen.
Ein "spirituelles Aha-Erlebnis"
Zwar finden sich in dem Kalender keine konkreten Hörbeispiele – die Rechte dafür hätten sein Projekt finanziell gesprengt, wie Müller im Vorwort freimütig zugibt. Die Leser müssen also mit den aufgeschriebenen Liedtiteln und einzelnen Zeilen Vorlieb nehmen. Das ist aber nicht weiter tragisch – schließlich klingeln nicht wenigen sicher schon bei den meisten Liedern die Ohren, wenn sie den Titel lesen. Im Radio laufen sie hoch und runter: Herbert Grönemeyers "Ein Stück vom Himmel", "Chöre" von Mark Forster, "Seite an Seite" von Christina Stürmer oder "Wenn Sie tanzt" von Max Giesinger. Wem diese Lieder zu weichgespült sind, für den gibt es auch ein paar rockigere Türchen: "Bring me to life" von Evanescence zum Beispiel.
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All diese Songs hört Müller, der sich einst autodidaktisch das Dirigieren beibrachte und einen Männerchor leitete, selbst gern. Immer wieder hatte er an der einen oder anderen Stelle eine Art "spirituelles Aha-Erlebnis" oder entdeckte "kleine Spuren oder Elemente", die doch einen religiösen Bezug zulassen. Da sind zum Beispiel Müllers Gedanken zu Andreas Bouranis Lied "Hey". Es dreht sich darum, am Leben nicht zu verzweifeln, wenn auch grade alles schief geht. Das Lied sei ein "Mutmacher", findet Müller – und das eben auch im Advent und an Weihnachten. Das Fest der Geburt Jesu löse zwar nicht alle Probleme, aber es eröffne mit seiner existentiellen Botschaft doch neue Möglichkeiten und Perspektiven. Hinter Müllers persönlichem Lieblingstürchen in "seinem" Adventskalender verbirgt sich "Numb", ein 2003 veröffentlichter Klassiker von Linkin Park. Darin fühlt sich ein junges Mädchen taub und gefühllos, unverstanden und abgelehnt von seiner Familie, Schule und Freunden.
Zu jedem Text im Adventskalender hat Müller einen Impuls gestellt, eine kleine Aufgabe, mit der sich der Leser auch nach dem Öffnen des Türchens noch beschäftigen kann: Die kurze Anregung zu Bouranis "Hey" etwa lautet: "Heute einen Schritt planen, den ich an oder nach Weihnachten machen möchte."
Die Idee des musikalischen Adventskalenders scheint jedenfalls "zu rocken". Die erste Auflage der ersten Ausgabe aus dem Jahr 2015 wurde sozusagen zum Top-Hit und war schon binnen kurzer Zeit ausverkauft. Müller, verheirateter Vater von zwei Kindern, hofft, mit dem Kalender auch Menschen anzusprechen, die sonst mit der Kirche nicht so viel zu tun haben. Die christliche Botschaft will er jedenfalls nicht "mit dem Presslufthammer", sondern eher auf sanftere Art und Weise verbreiten: "Vielleicht fühlen sich manche ja schon von den Liedtiteln angesprochen – und sind dann ganz überrascht, dass sich dahinter etwas Spirituelles verbirgt", erklärt er.
Hauptberuflich arbeitet Müller beim Bistum Würzburg als Bischöflicher Sekretär. Die Texte für den Adventskalender hat er in seiner Freizeit geschrieben – und dafür auch eine Woche Urlaub geopfert. Innerhalb von gerade mal drei Wochen sei das Buch in diesem Sommer entstanden, berichtet er. "Das Schreiben an sich geht schnell, aber die Vorarbeit dauert eben" – vom ersten Geistesblitz, über das genaue Text-Studium bis zur Hintergrundrecherche.
Über die Nummer 1 und die Nummer 24 im Kalender hat er sich besonders viele Gedanken gemacht. Welche Lieder er dafür ausgesucht hat, sei hier noch nicht verraten. Nur so viel: Ein ruhiger Kuschel-Song ist es nicht, der den Abschluss bildet. Dafür ist der Tagesimpuls am 24. umso eingänglicher: "Einfach nur Weihnachten feiern", steht da unmissverständlich.