Ein Bistum tankt Sonne
Für manchen sieht sie ein wenig aus wie eine Pyramide, die in den südlichen Schwarzwald versetzt wurde. Die Idee hinter dem Entwurf der 1969 geweihten Kirche St. Peter und Paul im Freiburger Stadtteil St. Georgen war jedoch vermutlich eher, für die Gemeinde eine Art 'Zelt Gottes unter den Menschen' zu schaffen.
Der auch nach einem knappen halben Jahrhundert noch modern wirkende Bau ist ein Gotteshaus, das von seiner ganzen Anlage her den Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils atmet. Konservative Katholiken mögen damit fremdeln, dass in seinem Inneren der Altar in der Mitte des Raumes steht und sich die Gemeinde um ihn wie um den Tisch eines Gastmahles versammelt, doch diese offene Konzeption war nicht der Grund dafür, dass St. Peter und Paul der Erzdiözese Freiburg im Jahr 2000 eine Auszeichnung wert war.
Bis 2030 erstes klimaneutrales Bistum
Ausgezeichnet wurde die Kirche, weil unter dem weithin sichtbaren Kreuz auf dem Kirchendach eine rund 250 Quadratmeter große Solaranlage Strom erzeugt und so die Umwelt um etwa 10 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr entlastet wird. Als der Umweltpreis vergeben wurde, war das in Deutschlands drittgrößtem Bistum noch einzigartig, heute ist aus dieser Pionierleistung jedoch längst ein Standard geworden, den Erzbischof Stephan Burger jüngst noch durch eine Vision ergänzt hat: Bis 2030 will er Freiburg zum ersten klimaneutralen Bistum Deutschlands machen.
Ihm dabei nach Kräften zu helfen, dafür ist unter anderem Christine Zachmann zuständig. Im Referat "Energie und Umwelt" des bischöflichen Ordinariats trägt sie als kirchliche "Klimaschutzmanagerin" dazu bei, dass der Energieverbrauch der katholischen Kirchengemeinden im Südwesten seit Jahren sinkt. Um kleine Zahlen geht es dabei nicht, denn wenn in jedem Herbst die Temperaturen sinken, sollen im Erzbistum rund 4.500 Gebäude angenehme Wärme bieten. Allein über 700 Kindergärten und Gemeindehäuser sowie mehr als 1.300 Wohn- oder Bürogebäude sind zu beheizen und über 2.000 Kirchen und Kapellen mit einer Durchschnittstemperatur von 13 Grad zumindest soweit zu temperieren, dass der heilige Blasius nicht über Gebühr in Aktion treten muss.
Christine Zachmann und ihren hauptamtlichen Kolleginnen und Kollegen helfen 500 ehrenamtliche Energiebeauftragte dabei, in allen Kirchengemeinden zwischen dem Bodensee und dem schon eher fränkisch geprägten Boxberg im weiteren Sinne "gut Wetter" zu machen. Regelmäßig geschult sorgen sie dafür, dass sich das Erzbistum "den Herausforderungen des Klimawandels" stellen kann, wie es der ehemalige Erzbischof Robert Zollitsch formulierte, als er 2007 detaillierte "Leitlinien zum Klima- und Umweltschutz" für sein Bistum in Kraft setzte.
Viel ist seither geschehen. So gut wie alle Gebäude der Diözese wurden einem professionellen "Energiecheck" unterzogen. Bei Bedarf wurden sie etwa durch verbesserte Wärmedämmung, effektivere Heizungen oder auch wassersparende Toilettenanlagen energetisch saniert. War die Renovierung unrentabel, wurde gegebenenfalls auch gleich neu gebaut, wobei natürlich besonderer Wert darauf gelegt wurde, modernste Umwelttechnik zu verwenden und nach Möglichkeit erneuerbare Energien einzusetzen. Ungefähr zehn Prozent seines Gesamthaushaltes von rund 466 Millionen Euro gibt das Erzbistum jährlich für solche Infrastrukturmaßnahmen aus, vieles wird darüber hinaus öffentlich gefördert.
Bildungsangebote vom Kindergarten bis zum Altersheim
Damit aber auch nach Neubau oder Sanierung nichts passiert, wird der Energieverbrauch aller Gemeinden inzwischen fortlaufend überprüft. So kann schnell reagiert werden, wenn bei Wasser, Strom, Öl oder Gas irgendwo irgendetwas aus dem Ruder läuft. Mit Zwangsmaßnahmen können die kirchlichen Umweltschützer in solchen Fällen allerdings nicht durchregieren, direkte Eingriffe widersprächen der lokalen Selbständigkeit und Verantwortung. Offensichtlich mit Erfolg setzt man an der Bistumsspitze daher auf die Motivation der Basis, denn nur, wie es in den diözesanen Leitlinien heißt, wenn die Menschen "erkennen, dass die Schöpfung ein kostbares Geschenk Gottes für sie ist, von dem ihre lebenswerte Zukunft abhängt, werden sie sich dafür einsetzen".
Ökologische Bildungsangebote vom Kindergarten bis zum Altersheim gehören deshalb ebenso zur Freiburger "Energie-Offensive" wie ergänzende Schritte für den Umweltschutz. Einer der populärsten Helfer könnte dabei die Comic-Figur des Mesners Hummel sein, der seit zehn Jahren im Netz und in Broschüren mit "Energiespartipps für daheim" aktiv ist. Unter der leicht zweideutigen Eingangsfrage "Sie wollen es doch auch, oder?" rät er zur "Abrüstung im Putzschrank", zum "reparieren statt wegwerfen" oder zu einem Tässchen "Espresso ökonomico".
Und mit seinem schöpfungsfreundlich gebrühten Kaffee ist die Erzdiözese noch längst nicht am Ende. Wenn Christine Zachmann in Sachen Umwelt ins Auto steigen muss, kann sie seit Juli auf einen weißen Dienstwagen des Projekts "elektrisch mobil" zurückgreifen. Siebzehn davon sind gegenwärtig im Einsatz, und sie rollen nicht nur durch die flache Rheinebene, sondern sie erklimmen ebenso die steilen Berge des Schwarzwalds. Eine dreijährige Testphase hat belegt, dass die Elektrofahrzeuge – immerhin ein Drittel des Freiburger Fuhrparks – auch unter schwierigen klimatischen oder geographischen Bedingungen problemlos eingesetzt werden können. Schneller als 130 Kilometer pro Stunde soll aber ohnehin niemand im Auftrag des Herrn unterwegs sein, auch das steht in den Umweltleitlinien.
Ein weiteres Projekt startet am 24. Oktober: Unter dem Motto "fair.nah.logisch. Damit die Zukunft allen schmeckt!" sollen in Zukunft alle Lebensmittel für diözesane Einrichtungen und Kirchengemeinden so eingekauft werden, dass sie ökonomisch lokale Produzenten unterstützen und ökologisch einen möglichst kleinen Fußabdruck auf unserem gemeinsamen Globus hinterlassen.
Erzbischof Burger verweist auf die harten Zahlen
Bisher war man in Freiburg bei seinem Versuch, durch solche und ähnliche Aktionen mehr Verantwortung für die Schöpfung zu übernehmen, erfolgreich. Stolz verweist Erzbischof Burger auf harte Zahlen: "Der Energiebericht zum Jahr 2014 weist eine Energieeinsparung von rund 27 Prozent aus. Den CO2-Ausstoß konnten wir in den letzten zehn Jahren sogar um 48,5 Prozent senken."
Gewinner dieses Kurses finden sich nicht nur im deutschen Südwesten, auch etwa im fernen Peru macht er sich bemerkbar. Dort profitieren seit Jahren einhundert Kinder von der Solaranlage auf der Kirche in St. Georgen, die so viel Strom produziert, dass er gegen gutes Geld verkauft werden kann. Mit diesem Erlös unterstützt die Gemeinde dann eine Suppenküche in ihrer Partnergemeinde San Arangel in Lima. Und das schmeckt nicht nur Mesner Hummel.