Ein Jesuiten-Bericht zeigt die Philippinen als Willkürstaat

Ein Leben ist hier nicht viel wert

Veröffentlicht am 05.11.2016 um 13:00 Uhr – Lesedauer: 
Kriminalität

Manila ‐ "Menschenrechte sind mir egal", erklärte der philippinische Präsident Rodrigo Duterte. In von ihm ausgerufenenen Kampf gegen Drogen wird straffrei gemordet. Ein neuer Bericht von Jesuiten erhärtet das.

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Der Leichnam von Ranilo Maydan war von 34 Kugeln durchlöchert. "Sogar seine Finger wiesen Schusswunden auf. Er hatte die Hände vor sein Gesicht gehalten. Selbst das hat die Killer nicht davon abgehalten, ihm in den Kopf zu schießen", berichtete entsetzt Abner Habulan, die Lebensgefährtin des 31-Jährigen, philippinischen Medien. Maydan ist einer der inzwischen fast 4.000 Philippiner, die seit dem Amtsantritt von Präsident Rodrigo Duterte am 30. Juni Opfer seines "Kriegs gegen Drogen" geworden sind. Duterte hat den Tätern Straffreiheit zugesichert.

Seit Monaten sorgt sein Drogenkrieg international für Schlagzeilen und Proteste. Außergerichtliche Tötungen aber sind in dem pazifischen Inselstaat seit langer Zeit blutiger Alltag. Opfer sind Regierungskritiker, Umweltaktivisten, kritische Journalisten und Ureinwohner, die für ihre Landrechte kämpfen. Täter - Polizei, Armee, Todesschwadronen, Privatarmeen reicher Familien-Clans und mächtiger Plantagen- und Bergbauunternehmen - kommen meist straflos davon. Darüber klärt nun der Bericht der Jesuiten-Universität Ateneo in Manila auf. Empfänger ist die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen.

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Der neue philippinische Präsident Duterte hat bislang 3.500 Menschen im Kampf gegen den Drogenhandel töten lassen. Was sagt die Kirche dazu? Kardinal Tagle plädiert bei aller Kritik für einen differenzierten Blick.

Die Auftraggeber der Killer schrecken auch vor Mordbefehlen gegen Priester nicht zurück. Im September 2009 starb Pater Cecilio Lucero, Leiter des Menschenrechtsbüros der Diözese Catarma, im Kugelhagel. Der niederländische Missionar und Entwicklungshelfer Willem Geertmann, 67, wurde im Juli 2012 vor seinem Büro in San Fernando Pampanga von Unbekannten erschossen. Im Oktober 2011 schossen Unbekannte den italienischen Missionar Fausto Tentorio vor seinem Konvent in Kidapawan City auf Mindanao nieder. Der Kämpfer für die Rechte der Ureinwohner war der dritte Missionar des Päpstlichen Missionsinstituts, der auf Mindanao gewaltsam starb.

Kein Interesse an der Aufklärung der Morde

Während der sechsjährigen Amtszeit von Dutertes Vorgänger Benigno Aquino kamen etwa ebenso viele Menschen durch außergerichtliche Tötungen ums Leben wie in den ersten drei Monaten von Duterte, sagte der Chef der Antidrogenbehörde, General Isidro Lapena, vor einem Untersuchungsausschuss des Senats zum Drogenkrieg aus. Die Experten der Ateneo-Universität werfen der philippinischen Politik und Justiz in ihrem Report an die UN vor, kein Interesse an der Aufklärung der Morde und auch kein Interesse an der Beendigung der außergerichtlichen Tötungen zu haben. Auch Aquino habe der politische Wille gefehlt, die Straflosigkeit für Polizei und Streitkräften zu beenden, die Justiz zu reformieren und das Militär zur Verantwortung zu ziehen.

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Tausende Menschen sind Präsident Dutertes Anti-Drogen-Krieg auf den Philippinen bereits zum Opfer gefallen. Das kritisieren auch die Bischöfe des Landes. Der Politiker reagiert mit derben Beschimpfungen.

Duterte geht sogar weiter als seine Vorgänger. "Menschenrechte sind mir egal", erklärte er. Die katholischen Rechtsexperten schreiben den Philippinen in ihrer Eingabe an die UN ins Stammbuch: "Das Verbot willkürlicher Tötungen erreicht langsam aber sicher im internationalen Recht den Status des ius cogens." Das sind im Völkerrecht solche Rechtssätze, die zwingendes Völkerrecht darstellen und noch über völkerrechtlichen Verträgen und über dem Völkergewohnheitsrecht stehen. Dieses Rechtsverständnis habe sich auf den Philippinen noch nicht durchgesetzt, klagen die jesuitischen Juristen. Es fehle im philippinischen Recht eine klare Definition von willkürlichen und außergerichtlichen Tötungen. "Deshalb werden diese Verbrechen trotz ihrer einzigartigen Natur immer noch nur als übliche Morde oder Totschlag behandelt." Wenn überhaupt.

Im November 2009 richtete die Miliz des mächtigen Familien-Clans der Ampatuans unter den Anhängern des Politikers Ismael Mangudadatu ein Massaker an. 58 Menschen, darunter 32 Journalisten, kamen ums Leben. Zwar wurde 2010 der Prozess gegen 198 mutmaßliche Täter und ihre Auftraggeber eröffnet. Doch ein Ende des Verfahrens nebst Verurteilungen ist nicht in Sicht. Mindestens fünf Zeugen wurden bereits ermordet und viele andere eingeschüchtert. 2017 will die UN-Menschenrechtskommission ihre periodische Überprüfung der Menschenrechtslage auf den Philippinen vornehmen. Der neue Bericht der Jesuiten-Universität dürfte ihr dazu allemal viele zusätzliche Anhaltpunkte liefern.

Von Michael Lenz