Erzbischof Heiner Koch besucht Rabbiner-Kolleg in Berlin

Ein Novum im jüdisch-christlichen Dialog

Veröffentlicht am 21.04.2016 um 00:01 Uhr – Von Karin Wollschläger (KNA) – Lesedauer: 
Judentum

Berlin ‐ Mit Heiner Koch besuchte erstmals ein katholischer Erzbischof das Rabbiner-Seminar Abraham-Geiger-Kolleg in Berlin. Am Ende stand sogar ein überraschender Plan für eine große Zusammenarbeit im Raum.

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Als erster Erzbischof überhaupt besuchte Koch das 1999 gegründete Rabbinerseminar, um sich über die Ausbildung der jüdischen Geistlichen und die Aktivitäten des Kollegs zu informieren. Bildet es doch Rabbiner und Kantoren für jüdische Gemeinden in ganz Europa, aber auch in den USA und Südafrika aus. Seit der ersten Ordinationsfeier 2006 in Dresden zählt das Kolleg inzwischen 31 Absolventen, davon sieben Kantoren. Elf Studierende des Kollegs, zum Teil aus Israel, USA, Tschechien und der Ukraine, äußerten sich auf Nachfrage Kochs darüber, wie sie den jüdisch-christlichen Dialog gegenwärtig einschätzen - nur höflich oder auch leidenschaftlich? Es zeigte sich, dass der größte Teil der Studenten in interreligiösen Kreisen engagiert ist. "Aber es fehlt auf allen Seiten definitiv an jungen Engagierten", berichtete einer. "Dabei sind wir eigentlich eine Generation, die sehr aufgeschlossen dafür ist", ergänzte ein anderer.

Rabbiner Homolka indes fragte: "Diskutieren wir im jüdisch-christlichen Diskurs tatsächlich die zentralen Fragen bis zum Ende aus? Ich denke nicht. Nimmt denn die katholische Christologie die Ergebnisse jüdischer Jesus-Forschung auf?" Ein Thema, über das Homolka just seine zweite Dissertation geschrieben hat. Koch betonte, dass ihm sehr am interreligiösen Dialog liege: "Dabei muss es auch um das Nachfragen nach Gott als die gemeinsame Mitte gehen."

Das Mosaik der akademischen Theologie verbinden

Homolka schilderte dem Erzbischof das inzwischen gut ausgebaute Netz jüdischer Studienmöglichkeiten in Berlin und Brandenburg, mit der "School of Jewish Theology" als Institut der Philosophischen Fakultät an der Universität Potsdam. Seit 2013 wird dort erstmals an einer staatlichen deutschen Universität bekenntnisgebunden Jüdische Theologie gelehrt. Koch ist offenkundig beeindruckt: "Im Erzbistum haben wir bei der theologischen Ausbildung viele verstreute Mosaiksteine, die aber kein Mosaik bilden, es fehlt die Gemeinschaft und Verbindung. Das ist für mich eine sehr unbefriedigende Situation."

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Homolka schlug Koch daraufhin eine Kooperation vor: "Warum gründen Sie nicht ein katholisch-theologisches Institut mit der Uni Potsdam, ich höre wichtige Stimmen dort, auch aus der Politik, die das begrüßen würden." Beim Lehrkörper könne es sogar Überlappungen geben: "Unsere Studenten hören bereits bei einem katholischen Professor Predigtlehre. Außerdem haben wir bald einen Lehrstuhl für Neues Testament, als Dokument auch der jüdischen Glaubensgeschichte." Ein Kanonistisches Institut und einen katholischen Fundamentaltheologen gebe es in Potsdam bereits.

Koch scheint der Gedanke einer stärkeren Zusammenarbeit zu gefallen: "Die spannende Frage dabei wird tatsächlich sein, ob wir nicht auch theologische Elemente in der Aus- und Weiterbildung stärker zusammenbringen können." Das sei ein ihn "sehr bewegender Gedanke". Es müsse überlegt werden, wie die Erfahrungen als Glaubensgemeinschaften gerade auch in der Diaspora gemeinsam gelebt werden könnten.

Seminaristen sollen angehende Rabbiner treffen

Beide Seiten sprachen sich für ein Treffen zwischen den Rabbinatsanwärtern und Priesteramtsstudenten aus. "Sie nehmen später gemeinsam das geistliche Amt wahr in einer Gesellschaft, die das Zeugnis von religiösen Menschen braucht", so Homolka. Kurz kam auch die jüngst erfolgte Entlassung eines Rabbineranwärters am Kolleg zur Sprache, die für Medienwirbel sorgte. Er hatte in scharfer Form Kritik an der jüdischen Gemeinschaft geübt. Koch erklärte dazu, auch in der Kirche seien neben Studienleistungen die Persönlichkeitsmerkmale und Loyalität relevante Faktoren für die Zulassung zum Priesteramt: "Ich habe eine Verantwortung gegenüber dem Kandidaten und der Gemeinschaft. Wenn ich jemanden ablehne, versuche ich immer, ihm eine neue Perspektive zu eröffnen."

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Als Johannes Paul II. vor fast 30 Jahren erstmals die römische Synagoge betrat, galt die Geste als Sensation. Seither haben sich Katholiken und Juden immer weiter angenähert. Jetzt wiederholte Franziskus die brüderliche Geste - als dritter Papst.
Von Karin Wollschläger (KNA)