Ein Ökumenischer Kirchentag in Miniaturformat
Das Wetter ist wie gemacht für ein Fest: Vom Morgen an scheint in Bochum die spätsommerliche Sonne, wie auf dem Plakat, das unter dem Motto "Wie im Himmel so auf Erden" einen sonnenumfluteten Park zeigt. Als der letzte gemeinsame Höhepunkt im Reformationsjahr 2017 feierten die evangelische und die katholische Kirche am Samstag gemeinsam ein ökumenisches Fest im Ruhrgebiet. Nach Angaben der Veranstalter nahmen 850 Personen an der eintägigen Veranstaltung teil, die auch als ein Ökumenischer Kirchentag in Miniaturformat bezeichnet werden kann.
Es fehlte kaum etwas, was es nicht auch auf Kirchen- oder Katholikentagen gibt: Prominente Vertreter aus Politik und Kirche, ein Gebet am Morgen, Kirchenmusik, Diskussionen, Austausch bei gemeinsamen Mahlzeiten sowie ein Gottesdienst zum Abschluss. Im Ruhr Congress wurde der Festtag von der Präsidentin des Evangelischen Kirchentags, Christina Aus der Au, und dem Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, eröffnet. Die Gastgebende Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen Annette Kurschus und der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck deuteten das Motto des Tages bei einer Morgenandacht spirituell: Gott erde den gläubigen Menschen und gebe seinem Handeln einen festen Grund.
Lammert verärgert über Abendmahl-Frage
Den von Overbeck erwähnten Dreischritt "sehen, urteilen, handeln" griff der Star-Redner Norbert Lammert beim anschließenden Podiumsgespräch nur zu gern auf. Der scheidende Bundestagspräsident und bekennende Katholik forderte jeden Christ auf, die Frage nach der Einheit der Kirche zu beantworten. "Wir sollen eins sein," fordere Jesus unmissverständlich, aber die Christen seien es nicht. "Können wir nicht oder wollen wir nicht?," fragte der CDU-Politiker und zeigte Unverständnis für die anhaltende Spaltung der Kirchen. In dem ökumenischen Dokument "Erinnerung heilen – Christus bezeugen" heiße es, dass grundlegende Fragen im Kirchen- und Amtsverständnis nicht gemeinsam beantwortet seien.
"Liebe Leute, Kirchen- und Amtsverständnis, nicht Glaubensunterschiede – in welcher Welt leben wir eigentlich?", rief Lammert unter Beifall des Publikums. Er könne keinen einzigen relevanten Glaubensunterschied erkennen, der eine Wiederherstellung der Einheit verhindern könnte. Lammert zeigte sich verärgert, dass weiterhin kein gemeinsames Abendmahl von Katholiken und Protestanten erlaubt sei: "Nirgends ist Christen der verheißene Himmel näher auf Erden als im vom Christus selbst gestifteten Abendmahl, zu dem Er einlädt – nicht die Kirchen".
Vor dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, und dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, lobte Lammert aber auch eine "völlig neue Tonlage im Umgang der Konfessionen miteinander". Ein Reformationsjubiläum sei noch nie von so viel "Freundlichkeit, Verständnis und Zusammenarbeit" begleitet worden wie 2017. Allerdings dürften sich die Kirchen in diesem angenehmen Zustand nicht "gemütlich einrichten".
Themenseite: Ökumene
Die Themenseite gibt einen Überblick über die aktuelle Berichterstattung von katholisch.de rund um das Thema Ökumene.Bedford-Strohm wies im Anschluss vor Journalisten Lammerts Kritik an der Formulierung "versöhnte Verschiedenheit" als ein Missverständnis zurück. Unter dem Begriff "Einheit in versöhnter Verschiedenheit" seien Unierte, Reformierte und Lutheraner Christen zur evangelischen Kirche in Deutschland zusammengewachsen. Lammert nannte die Formulierung "eine verdeckte Kapitulationserklärung". Man müsse aufhören, von einer Kirchentrennung zu sprechen, sagte Marx. Die Konfessionen seien weit darüber hinaus; es gebe große, wenn auch nicht vollkommene Übereinstimmungen im Glauben.
Teilnehmer kommen aus einem ökumenischen Umfeld
Von den Reaktionen ihrer Kirchenführer auf den Bundestagspräsidenten bekommen die Teilnehmer nichts mit – es ist Mittagszeit. Bei vegetarischem Eintopf – "Kann ein Tag ohne Fleisch die Welt retten?", fragt das Programmheft - lernen sich ein junger Pfälzer, eine Norddeutsche und ein Ehepaar aus Bochum kennen. Man könne sehen, wie sich die Ökumene weiterentwickle, sagt der 65-jährige Manfred Hülsmann-Romoth, dessen Mutter katholisch und der Vater evangelisch war. Die hätten noch erlebt, dass man etwa Menschen anderer Konfession absichtlich ärgerte; dies sei zum Glück vorbei, so der Bochumer, der in diesem Reformationsjahr bereits Eisleben und Wittenberg besucht hat. Nur diese veränderte Realität kennt der 29-jährige Katholik Manuel Stritzinger, der aus Landau angereist kam. Er habe so viele Freunde unterschiedlicher Konfessionen, mit denen es keine ökumenischen Schwierigkeiten gebe, dass ihm der Besuch des Fests ein Herzensanliegen war.
Am Nachmittag verteilen sich die Teilnehmer an verschiedenen Orten der Stadt. Am Planetarium, wo ein Pater, der eine Klostersternwarte betreibt, mit den Menschen diskutiert, ist Olaf Krogul als Helfer im Einsatz. Auch der 42-Jährige Protestant ist kein Bochumer – er kam mit seiner katholischen Familie aus dem Emsland; bei Kirchentagen war er schon zehnmal im Einsatz. Bei einem offenen Singtreffen in der Probsteikirche ist Rosemarie Sobotta. "Ich habe mein Herz vor 50 Jahren an die Ökumene verloren", berichtet die Katholikin, die damals der ökumenischen Fokolar-Bewegung beigetreten war. Ein bisschen fehle ihr bei der Veranstaltung im Ruhrgebiet der Hinweis auf das Evangelium. "Das ist der Schatz, aus dem jedes Kirchenmitglied Kraft für den Tag schöpft – das hat schon Luther gesagt," sagt sie.
Der spirituelle Abschluss folgte am Nachmittag bei einem Freiluft-Gottesdienst vor dem Bergbaumuseum. In einer Dialogpredigt betonten Kardinal Marx, und der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm den Willen, auf dem ökumenischen Weg weiter vorankommen zu wollen. "Ich wünsche mir, dass wir uns gemeinsam einsetzen für eine Welt, in der alle Menschen in Würde leben können", so Bedford-Strohm. Das bedeute auch, diejenigen in der Politik zu unterstützen, "die an konkreten Schritten in die richtige Richtung arbeiten, anstatt die Politik pauschal abzukanzeln." Das Bochumer Fest wertete er als einen "weiteren wichtigen Meilenstein der Ökumene im Reformationsjahr 2017". Man habe ein Zeichen der Verbundenheit untereinander und der Sendung in die Welt gesetzt.