Adveniat-Geschäftsführer Klaschka zur Seligsprechung Oscar Romeros

"Ein politischer Märtyrer"

Veröffentlicht am 23.05.2015 um 00:01 Uhr – Von Lena Kretschmann – Lesedauer: 
Lateinamerika

San Salvador ‐ Heute wird Oscar Romero seliggesprochen. Adveniat-Geschäftsführer Bernd Klaschka ist mit dabei. Im Interview spricht der Chef des Lateinamerika-Hilfswerks über die Faszination, die von dem 1980 ermordeten Romero ausgeht.

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Frage: Prälat Klaschka, Erzbischof Oscar Romero wurde vor 35 Jahren während eines Gottesdienstes in San Salvador ermordet. Welche Bedeutung hat Romero heute noch für El Salvador und die Menschen dort?

Klaschka: Vor seiner Ermordung hat Oscar Romero in einer Predigt gesagt "Wenn man mich tötet, werde ich im Bewusstsein der Salvadorianer auferstehen". Dieser Satz ist wahr geworden. Romero ist heute noch im Bewusstsein und in der Erinnerung vieler Salvadorianer lebendig. Seine Seligsprechung ist ein Zeichen dafür, dass sein Wirken als Erzbischof von San Salvador und sein Einsatz für Gerechtigkeit Spuren hinterlassen haben. Viele Salvadorianer sehen in Romero einen Mann, der furchtlos an der Seite der Armen stand. Gerade das zeigt mir, wie wichtig es ist, dass Romero sowohl im Bewusstsein des Volkes, als auch weiterhin in der Geschichte seines Landes und der Kirche lebendig bleibt.

Frage: Das Seligsprechungsverfahren für Oscar Romero wurde auf Diözesanebene bereits 1990 eröffnet. Nun ist es endlich soweit. Warum hat es so lange gedauert, bis der Vatikan Romero als Märtyrer anerkannte?

Klaschka: Selig- und Heiligsprechungsverfahren dauern häufig sehr lange. Die Worte und Schriften des für den Seligsprechungsprozess Vorgeschlagenen werden umfangreich untersucht. Das ist ein Grund, warum das Seligsprechungsverfahren von Oscar Romero so lange gedauert hat.

Ein zweiter Grund liegt in der Frage, wie die Ermordung Romeros einzuordnen ist. War er ein Märtyrer oder war er jemand, der aufgrund unterschiedlicher politischer Interessen ins Kreuzfeuer verschiedener politischer Strömungen geraten ist? Die Seligsprechung Romeros macht deutlich, dass die Kirche sein Leben und sein Zeugnis als Martyrium wertet. Sie erkennt an, dass Romeros Eintreten für die Armen und für Gerechtigkeit intensiv mit unserem Glauben zu tun hat. Damit hat Franziskus zu einer Erweiterung des Märtyrer-Begriffs beigetragen. Ein Märtyrer ist demnach nicht allein derjenige, der sein Leben im Bekenntnis für Jesus Christus hingibt, sondern der sein Leben im Bekenntnis für Jesus Christus zugunsten der Armen hingibt und dabei auch politisch Partei ergreift. In diesem Sinne ist Oscar Romero auch ein politischer Märtyrer. Es hat lange gedauert bis dieser Bewusstseinsprozess in Rom stattgefunden hat. Zugleich gab es im Vatikan große Widerstände gegen die Seligsprechung von Romero . All dies hat sich auf die Dauer des Verfahrens ausgewirkt.

Bild: ©Adveniat

Prälat Bernd Klaschka ist Hauptgeschäftsführer des Lateinamerika-Hilfswerkes Adevniat.

Frage: Die Katholische Kirche in El Salvador rechnet zur Seligsprechung mit 260.000 Menschen – darunter auch zahlreiche Staatsoberhäupter, Kardinäle und Bischöfe aus aller Welt. Was bedeutet eine solch große weltweite Aufmerksamkeit für El Salvador und die Kirche im Land?

Klaschka: Ich erinnere mich in diesen Tagen an die Beerdigung von Oscar Romero, bei der Scharfschützen von den Dächern schossen und ein großes Massaker anrichteten. Auch innerkirchlich gab es große Widerstände gegen die Art und Weise, wie Romero damals schon im Bewusstsein der Salvadorianer verehrt wurde. Heute wird es anders sein. Staatsoberhäupter, Kardinäle und Bischöfe aus aller Welt werden zugegen sein, um das Zeugnis von Romero zu würdigen und ihn als Seligen anzuerkennen. Das bedeutet den Menschen in El Salvador sehr viel.

Frage: Sie nehmen persönlich an der Seligsprechungsfeier teil. Welche Atmosphäre herrscht in der Stadt kurz vor der Seligsprechung?

Klaschka: Oscar Romero ist überall präsent. Es gab den Brauch, dass eine Gemeinde "Presente!" rief, wenn von denjenigen die Rede war, die im Bürgerkrieg umgebracht wurden. In Anlehnung daran sage ich: "Romero esta presente" – Romero ist gegenwärtig. Nicht nur im Bewusstsein der Menschen, sondern auch im Bild. An vielen Straßenecken findet man sein Konterfei. Der Flughafen in San Salvador trägt inzwischen seinen Namen. Dies sind alles Dinge, die vorher unvorstellbar waren. Ich habe San Salvador 1983 das erste Mal besucht. Damals war ich im Dominikanerkloster untergebracht. In einer Nacht musste ich mich unter das Bett werfen, weil es draußen zu Schießereien gekommen war. Das gibt es heute nicht mehr. San Salvador ist eine Stadt, in der man friedlich leben kann. Zugleich geht sie noch einen langen Weg hin zur Gerechtigkeit.

Frage: Einige konservative Eliten in El Salvador haben auch heute noch Vorbehalte gegen die Seligsprechung Romeros. Welche Impulse kann die Seligsprechung für den Dialog zwischen der regierenden Linkspartei FMLN und der rechten Opposition geben?

Klaschka: Ich glaube, die Seligsprechung Romeros trägt dazu bei, dass auch diejenigen, die gegen ihn und seinen unermüdlichen Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden waren, zum Nachdenken kommen. Vielleicht findet bei ihnen sogar eine Art 'spirituelle Revolution' statt, wenn sie sehen, dass die Kirche ihre Gründe hat, einen solchen Mann seligzusprechen.

Darüber hinaus wird die Seligsprechung Romeros dabei helfen, den Versöhnungsprozess innerhalb des Landes weiter zu beschleunigen. Das Volk kann sich um Oscar Romero versammeln und sich auf mehr Gerechtigkeit und auf ein besseres Leben für die Mehrheit der Bevölkerung einigen. Denn obwohl der Bürgerkrieg beendet ist, ist soziale Ungerechtigkeit auch heute noch spürbar. Dies zeigt sich besonders in der Gewalt von Jugendbanden. Vielleicht hilft die Seligsprechung Romeros dabei, Frieden zu stiften – sowohl zwischen den politischen Gruppen als auch zwischen den Jugendbanden.

Von Lena Kretschmann

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