Eine letzte Chance für Asia Bibi
Traurige Berühmtheit: Sie gehört inzwischen sicher zu den bekanntesten verfolgten Christen der Welt - die Landarbeiterin Asia Bibi. Die heute 50-Jährige ist die erste Frau, die in Pakistan aufgrund des umstrittenen Blasphemiegesetzes zum Tode verurteilt worden war. Und ihres wäre das erste Todesurteil, das tatsächlich vollstreckt wird. Doch noch gibt es eine letzte Chance: Am Donnerstag will sich das Oberste Gericht noch einmal in einem Berufungsverfahren mit dem Fall beschäftigen.
Dabei geht es in letzter Instanz um das 2010 verhängte und 2015 ausgesetzte Todesurteil. "Wenn sie nicht freigesprochen wird, bleibt höchstens noch ein Antrag auf Strafmilderung oder ein Gnadengesuch an den Präsidenten", berichtete Shahid Anwar von der katholischen Kommission für Gerechtigkeit und Frieden in Pakistan am Dienstag dem katholischen Hilfswerk Missio in Aachen.
Päpstliche Interventionen blieben erfolglos
Missio und andere Hilfsorganisationen und Menschenrechtsgruppen hatten zusammen mit hochrangigen Politikern und Kirchenvertretern aus aller Welt immer wieder die Freilassung der Mutter von fünf Kindern gefordert. Im April 2015 hatte Papst Franziskus Bibis Ehemann Ashiq Masih und ihre jüngste Tochter Eisham empfangen. Bibi hatte den Papst zuvor in einem Brief aus ihrer Todeszelle um Gebet und Hilfe gebeten. Franziskus hatte sich genau wie Benedikt XVI. zuvor schon mehrfach öffentlich und auf diplomatischem Weg für ihre Freilassung eingesetzt. Bisher ohne Erfolg.
Linktipp: Asia Bibi: Letzte Anhörung vor Gericht
Die in Pakistan wegen Blasphemie verurteilte Christin Asia Bibi hat im Oktober ihre letzte Anhörung. Diese entscheidet über Leben und Tod der fünffachen Mutter. Doch es besteht Grund zur Hoffnung.Der Anlass für das ganze Verfahren klingt eigentlich ziemlich banal: Im Juni 2009 hatte Asia Bibi während der Feldarbeit in ihrem Dorf Wasser aus einem Brunnen geholt für ihre muslimischen Kolleginnen. Zwei von ihnen beschwerten sich anschließend darüber, dass sie als Christin auch aus dem Gefäß getrunken und damit das Wasser verunreinigt habe. Außerdem habe sie den Propheten Mohammed beleidigt.
Asia Bibi wurde beschimpft, geschlagen, wegen Blasphemie angezeigt und verhaftet. Darauf steht in Pakistan seit der Einführung des weltweit immer wieder kritisierten Blasphemiegesetzes die Todesstrafe. Und so wurde die Landarbeiterin im November 2010 in erster Instanz tatsächlich zum Tod durch den Strang verurteilt. Im Oktober 2014 bestätigte ein Berufungsgericht das Urteil, im Juli 2015 setzte der Oberste Gerichtshof die Todesstrafe aus und machte damit den Weg frei für die erneute Anhörung.
Keine Zukunft in Pakistan
Von Anfang an gab es immer wieder Eingaben aus aller Welt, aber auch weitere Drohungen - gegen Bibi selbst, ihre Familie, die an einem geheimen Ort lebt, und ihre Anwälten. Zwei prominente Politiker, die sich besonders stark in dem Fall engagiert hatten, wurden ermordet. Als einer der Täter gehängt wurde, versammelten sich Tausende Menschen und feierten ihn als Helden und Märtyrer. Sollte Asia Bibi tatsächlich freigesprochen werden, wäre ein normales Weiterleben in Pakistan für sie und ihre Familie kaum vorstellbar.
Bibis Anwalt Saif-ul-Malook äußerte sich in den vergangenen Tagen in pakistanischen Medien optimistisch und betonte, er hoffe auf eine Freilassung in einem fairen Verfahren, das sie bisher nie gehabt habe. Der Anwalt, viele Menschenrechtsexperten aus aller Welt und auch Missio fordern zugleich weitere Anstrengungen gegen den Missbrauch des Blasphemiegesetzes in Pakistan.
Immer wieder werde dieses benutzt, "um im Zuge von Nachbarschaftsfehden, politischen Querelen oder ökonomischen Streitigkeiten missliebige Personen oder Angehörige von Minderheiten auszuschalten und unter Druck zu setzen", beklagt etwa Missio-Präsident Klaus Krämer.
Korruption prägen Pakistans Justiz und Polizei
Einige Experten werten es im Vorfeld des neuen Verfahrens gegen Asia Bibi als hoffnungsvolles Zeichen, dass das Parlament in der vergangenen Woche zwei neue Gesetze gegen Vergewaltigung und sogenannte Ehrenmorde beschlossen hat, und das gegen den Widerstand konservativer Kleriker. Zugleich aber weisen die Fachleute auch darauf hin, dass das pakistanische Rechtssystem seit Jahren unter Unterfinanzierung und Korruption in Polizei und Justiz leide und daher Vorhersagen über den Ausgang von Verfahren nahezu unmöglich seien.